Definition und Abgrenzung
Die Blockchain-Technologie ist ein dezentraler, unveränderlicher und gleichzeitig transparenter Datenspeicher. Die relativ junge Technologie wird den Distributed-Ledger-Technologien zugeordnet. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass eine kontinuierlich wachsende Liste von Einträgen zu Blöcken zusammengefasst, kryptografisch verknüpft und von einem dezentralen Computernetzwerk aufrechterhalten wird[5], [27]. Die Blockchain-Technologie wird daher auch als vertrauensfreie Technologie bezeichnet, da das Vertrauen hier nicht über einen Intermediär, sondern über die Zuverlässigkeit der Technologie selbst realisiert wird[21].
Von der Kryptowährung zum dezentralen Weltcomputer
Das Prinzip des technologieinduzierten Vertrauens geht auf die erste bekannte Blockchain-Anwendung zurück – die Kryptowährung Bitcoin. Bitcoin ist eine neue Form von digitalem Geld, das ohne vertrauenswürdige Finanzinstitution auskommt, die normalerweise für das Eigentum des Geldes ihrer Kunden verantwortlich ist. Stattdessen werden kryptografische Beweise, verteilte Systeme sowie ökonomische und spieltheoretische Anreizmechanismen zur Konsensfindung (beispielsweise die Blockbelohnung in Form von Bitcoins) verwendet, um eine gemeinsame Wahrheit über die Eigentumsverhältnisse des digitalen Geldes zu etablieren[21], [27].
Während die Bitcoin-Blockchain ausschließlich als Kryptowährung verwendet wird, gibt es auch Blockchain-Frameworks, die zusätzliche Anwendungsbereiche unterstützen können. So erweitert die Ethereum-Blockchain das Distributed Ledger Model von Bitcoin, indem sie eine Plattform inklusive Programmiersprache (Solidity) bereitstellt, mit der eigene Computerprogramme, sogenannte Smart Contracts, auf der Ethereum-Blockchain ausgeführt werden können[8], [14]. Entgegen der juristischen Konnotation handelt es sich bei Smart Contracts in erster Linie um Computerprogramme, die in einem dezentralen Computernetzwerk ablaufen und daher als dezentrale Anwendungen (dApps) bezeichnet werden[17]. Smart Contracts erlauben es, eine Art “virtuellen und globalen Weltcomputer” zu simulieren, der die in Smart Contracts hinterlegten Maschinenanweisungen mit absoluter Zuverlässigkeit durch alle Netzwerkteilnehmenden der Ethereum-Blockchain ausführt. Die Programmierbarkeit der Blockchain als dezentraler Computer ermöglicht, “Blockchain als Kryptowährung” und “Blockchain als Technologie” voneinander zu trennen[14], [32], [8].
Geschichte
2008 veröffentlichte Satoshi Nakamoto das White Paper “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System”, indem das theoretische Gerüst für ein digitales und dezentrales Geldsystem präsentiert wurde. Wenige Monate nach der Veröffentlichung wurde von Satoshi Nakamoto Anfang 2009 die erste Version für das neue digitale Bezahlmittel veröffentlicht und mittels der Kryptowährung Bitcoin umgesetzt[34]. Wenige Tage später erfolgte als Test der erste Bitcoin-Transfer durch Nakamoto an den Entwickler Hal Finney, der Nakamoto in der Anfangszeit bei der Entwicklung von Bitcoin unterstützte[30]. Finney war Mitglied der Cypherpunks, die “jede[n] Aktivist, der die verbreitete Nutzung von starker Kryptografie und Privatsphäre schützenden Technologien als Mittel für sozialen und politischen Wandel befürwortet”, beschreibt[43]. Dieses Leitbild liegt auch der Bitcoin-Blockchain zugrunde und die Nähe von Nakamoto zu den Cypherpunks kann dadurch bestätigt werden, dass das Bitcoin White Paper als Erstes durch die Cypherpunks-Mailingliste zirkuliert wurde[35].
Betrachtet man die technologische Ebene, so lässt sich der innovative Charakter der Blockchain-Technologie auf die neuartige Kombination bereits bestehender Konzepte und Technologien zurückführen, deren Wurzeln bereits bis in die 1980er-Jahre zurückreichen. Besonders nennenswert sind die Veröffentlichungen zu verknüpften Zeitstempeln von Stuart Haber und Scott Stornetta (1990–1997), Merkle-Bäume (Hash-Bäume) von Ralph Merkle (1980), zur byzantinischen Fehlertoleranz von Mike Just (1998) und darauf aufbauend die Erweiterung in Form der praktischen byzantinischen Fehlertoleranz von Miguel Castro and Barbara Liskov (1999), Proof-of-Work von Cynthia Dwork und Moni Naor (1992), Hashcash von Adam Beck (1997–2002) sowie der asymmetrischen Verschlüsselung, die zur Erstellung von digitalen Signaturen dient[28]. Gemeinsam bilden diese Technologien das Fundament, damit die Eigentumshistorie einer “elektronischen Münze” als eine Kette von digitalen Signaturen repräsentiert wird[27].
Die Validität der Eigentumshistorie auf der Bitcoin-Blockchain wird durch mehrere Faktoren garantiert, indem u. a. die durchgeführten Berechnungen zur Schaffung und Übertragung des Eigentums von digitalem Geld auf der Bitcoin-Blockchain für alle Teilnehmenden transparent einsehbar sind. Des Weiteren überprüfen (verifizieren) alle Netzwerkteilnehmenden unabhängig voneinander mittels kryptografischer Beweise die Korrektheit der Einträge. Die Transparenz kombiniert mit kryptografischen Beweisen stellt sicher, dass die durchgeführten Berechnungen beim Transfer von digitalem Geld auch ohne Involvierung einer vertrauenswürdigen Partei den im Bitcoin-Protokoll festgelegten Vorgaben des Konsensverfahrens entsprechen (bei Bitcoin der sogenannte Nakamoto-Konsensus[11]). Mit anderen Worten entsteht das Vertrauen in die Einträge auf der Bitcoin-Blockchain durch verifizierbare Berechnungen in einem dezentralen Computernetzwerk, deren Teilnehmende sich nicht kennen[37], jedoch alle sich einen finanziellen Anreiz teilen und sich ehrlich verhalten, um eine gemeinsame Wahrheit aufrechtzuerhalten[27].
2013 veröffentlichte Vitalik Buterin ein White Paper mit dem Titel “A Next-Generation Smart Contract and Decentralized Application Plattform”[7]. Das Konzept der von Buterin vorgestellten Ethereum-Blockchain wurde von Gavin Wood (einem Mitgründer von Ethereum und später Polkadot) formalisiert und 2014 im Ethereum Yellow Paper publiziert[42]. Die erste Spezifikation der zugehörigen Smart-Contract-Programmiersprache Solidity wurde im August 2014 ebenfalls von Wood erstellt und von der Ethereum Foundation unter der Leitung von Christian Reitwiessner und seinem Team weiterentwickelt[23].
Inzwischen wird die Blockchain-Technologie als Schlüsseltechnologie hinter dem dezentralen Internet gesehen, welches unter dem Namen Web3 Bekanntheit erlangte. Gavin Wood stellte 2014 das Konzept Web3 vor und beschrieb es als ein “dezentrales Onlineökosystem, basierend auf Blockchain-Technologie”[24].
Anwendung und Beispiele
Der Anwendungsbereich der Blockchain-Technologie und von Smart Contracts hat sich ausgehend von der Finanzindustrie auf andere Branchen und Anwendungsfälle ausgeweitet. Nennenswerte Beispiele sind:
Industrial Metaverse
Das Industrial Metaverse knüpft am Gedanken von Industrie 4.0 an und repräsentiert die nächste Digitalisierungsstufe der Industrie[26]. Die Anwendung von Smart Contracts ermöglicht es hier, materielle und immaterielle Vermögensgüter digital auf einer Blockchain abzubilden und das Eigentum darüber digital zu beweisen (analog zu elektronischen Münzen in Bitcoin). Dieser Vorgang wird auch als Tokenisierung bezeichnet[33].
Ein Token im Blockchain-Kontext steht repräsentativ für ein Vermögensgut in digitaler Form (Kryptoasset) und kombiniert Informationen und übertragbare Rechte. Ein Token kann das Vermögensgut in seiner Gesamtheit repräsentieren oder nur anteilig. Da Token auf Smart Contracts basieren und durch Non-Fungible Tokens umgesetzt werden, sind sie programmierbar und automatisierbar. Werden die Eigenschaften von Token für digitale Zwillinge angewendet, so kann beispielsweise der Besitz über das Vermögensgut, für welches der digitale Zwilling steht, auch im digitalen Raum bewiesen, nachverfolgt und übertragen werden[4].
Decentralized Physical Infrastructure Networks (DePin)
DePin bringen die virtuelle und digitale Welt mittels Blockchain-Technologie zusammen. Sie beschreiben ein Ökosystem aus dezentralen Anwendungen, die Anreize in Form von Token verwenden, um Personen oder Gruppen dazu zu motivieren, eine physikalische Infrastruktur aufzubauen[29]. Als Beispiele gehören dazu Charge zur Bereitstellung einer Ladeinfrastruktur für E-Autos[15] oder Helium für drahtlose Netzwerke, wobei die Bereitstellung von physikalischen Hotspots mit Token belohnt werden[16].
Decentralized Finance (DeFi)
DeFi beschreibt eine alternative Finanzinfrastruktur, welche auf mehreren Smart Contracts basiert, die zu Protokollen zusammengefasst werden. Diese replizieren bereits existierende Finanzdienstleistungen in einer offenen, transparenten und interoperablen Weise[36]. Beispiele für DeFi-Protokolle sind u. a. die dezentrale Kryptowährungsbörse Uniswap[39] oder die Lending-Plattform AAVE zum Leihen oder Verleihen von Kryptowährungen[1]. Ein Richtwert für die Adoption von DeFi-Protokollen ist der Total Value Locked (TVL), dieser repräsentiert einen aggregierten Wert der Kryptoassets innerhalb eines Protokolls[38]. Für die unterschiedlichen DeFi-Protokolle betrug der TVL im Juli 2024 ca. 90 Milliarden US-Dollar[12].
Kritik und Probleme
Die Akzeptanz der Blockchain-Technologie steht wie viele technologische Innovationen vor Herausforderungen, die je nach Anwendungsgebiet und Betrachtungsebene differenziert zu bewerten sind. Auf der technologischen Ebene sind die Skalierbarkeit[3], die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Blockchain-Ökosystemen[31] und Datenschutzthemen bezüglich vertraulicher Informationen aufgrund der inhärenten Transparenz und Unveränderlichkeit der Blockchain-Einträge zu nennen[22]. Obwohl die Blockchain-Technologie an sich eine sichere Technologie darstellt, gilt das nicht zwangsweise für die dezentralen Anwendungen, welche auf einer Blockchain ausgeführt werden[13].
Eine bekannte Herausforderung in diesem Zusammenhang ist das sogenannte Blockchain-Orakel Problem. Blockchains haben standardmäßig keine Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt. Damit Blockchain-Anwendungen auf externe (physische) Daten zugreifen können, sind sogenannte Blockchain-Orakel als Brücke zwischen der digitalen und physischen Welt notwendig. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass die externen Daten beim Übergang in die Blockchain nicht verfälscht werden[10]. Wie in traditionellen Finanzsystemen treten auch bei Kryptowährungen Betrugsfälle mittels Social Engineering auf[6]. Dabei werden keine technischen Schwachstellen der Blockchain-Technologie, sondern menschliche Faktoren ausgenutzt, um bei unwissenden Nutzenden den Verlust ihrer Kryptoassets zu bewirken[41].
Forschung
Zero-Knowledge Proofs
Die Herausforderungen bezüglich der Skalierbarkeit und der Privatsphäre von Blockchains werden durch intensive Forschung im Bereich der Zero-Knowledge Proofs (ZKP) adressiert. ZKPs ermöglichen es, eine Behauptung über eine bestimmte Information zu verifizieren, ohne die Information selbst preiszugeben. Ein anschauliches Beispiel ist es, mittels ZKP zu beweisen, dass eine Person volljährig ist, ohne jedoch das genaue Alter zu benennen[1]. In Blockchains werden ZKPs für die Skalierung von ausgelasteten Blockchains wie Ethereum verwendet. Dabei werden Berechnungen für mehrere Transaktionen gebündelt und außerhalb (off-chain) einer Blockchain ausgeführt, und lediglich ein verifizierbarer Beweis über die korrekt ausgeführten Berechnungen auf der Blockchain verankert[18]. Neben der Skalierung werden ZKPs zur Sicherstellung der Privatsphäre von Nutzenden eingesetzt. Dies äußert sich in Anwendungen für anonyme Bezahlungen. Ein Beispiel ist Tornado Cash, mit dem anonyme Zahlungsvorgänge auf der Ethereum-Blockchain durchgeführt werden können, ohne dass bestimmte Informationen, die auf den Nutzenden zurückgeführt werden könnten, explizit offengelegt werden[19].
Regenerative Finance
Durch die Blockchain werden ebenfalls gänzlich neue Anwendungsbereiche der Technologie erschlossen. So verbindet Regenerative Finance die dezentrale Finanzinfrastruktur von DeFi mit den Theorien regenerativen Wirtschaftens. Zusammen bilden diese das Fundament, um derzeitige Wirtschaftssysteme in Harmonie mit den Bedürfnissen des Planeten und der Gesellschaft neu zu gestalten. Damit wäre es beispielsweise möglich, öffentliche Güter wie Wälder angemessen zu finanzieren[42].
Konvergenz zwischen Blockchain und KI Ein hochaktuelles Forschungsgebiet ist die Untersuchung des Zusammenspiels von Blockchain und künstlicher Intelligenz (KI). Bereits 2021 befasste sich die Europäische Kommission mit Synergien zwischen diesen emergenten Technologien[20]. Aktuell sieht die Vision eines europäischen KI-Ökosystems vor, dass die Blockchain bei der Schaffung von souveränen Datenmarktplätzen und föderiertem Lernen eine zentrale Rolle einnimmt. Blockchain-Technologie kombiniert mit durch Blockchain ausgeführten Zero-Knowledge Proofs ermöglichen es beispielsweise Unternehmen, gemeinsam KI-Modelle zu trainieren, ohne die zur Verfügung gestellten Daten explizit bekannt zu geben. Dadurch könnten Datenmarktplätze für unterschiedliche Anwendungsbereiche wie dem Gesundheitswesen, Smart Cities oder der Industrie geschaffen werden[25].
Weiterführende Links und Literatur
Quellen
[2] Aave. (2024, 28. Juni). Open Source Liquidity Protocol. https://aave.com/
[4] Balbinot, D. (2024). Revolutionizing Real World Assets with Digital Twins and Tokenization. Mar 29, 2024.
[14] DePIN Hub. (2024a). Charge. https://depinhub.io/projects/charge [05.08.2024].
[15] DePIN Hub. (2024b). Helium. https://depinhub.io/projects/helium#what-is-this-network [05.08.2024].
[16] Ethereum. (2024a). Introduction to dapps. https://ethereum.org/en/developers/docs/dapps/
[18] Ethereum. (2024c, 28. Juni). Zero-knowledge proofs. https://ethereum.org/en/zero-knowledge-proofs/ [05.08.2024].
[38] Uniswap. (2024, 28. Juni). Uniswap Protocol. https://uniswap.org/ [05.08.2024].