| Wirtschaft & Arbeit | Digital Health

Digital Health

Definition und Abgrenzung

Unter Stichworten wie Telemedizin, elektronische Patientenakte, Big Data und Vernetzung von Akteuren erlaubt der technologische Fortschritt neue Versorgungsformen, verbesserte Kommunikation und verstärkte Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dabei werden unter Digital Health sämtliche Anwendungen und Maßnahmen zusammengefasst, die die Möglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nutzen. Diese unterstützen beispielsweise die Behandlung und Betreuung von Patienten oder die Prävention von Krankheiten. Digital Health rückt den Patienten weiter in den Mittelpunkt. Dabei gilt es, Über-, Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden, Kosteneffizienz zu erreichen und Transparenz zu schaffen. Im digitalen Gesundheitsmanagement wird unter anderem sowohl auf Konsumentenebene als auch aus betrieblicher Sicht die Frage beantwortet, wie gesundheitsbewusstes Verhalten weiter gefördert und somit verkürzte Krankheitszeiten erreicht werden können. Für Arbeitgeber gilt, das Arbeitsschutzgesetz anzuwenden und darüber hinaus Lösungen für die Arbeitnehmer einzuführen. Daten-Analyse fungiert hierbei als methodischer Baukasten, der es ermöglicht, aus der breiten Masse vorhandener Daten konkrete und handlungsorientierte Empfehlungen abzuleiten. Letztlich ermöglicht die Vernetzung von Akteuren durch digitale Prozesse und Systeme die Minimierung von Koordinierungs-, Integrations- und Vernetzungsproblemen und trägt zur Steigerung von Qualität und Effizienz bei. [1,2,4]

Geschichte

Allgemeinhin gilt das Gesundheitswesen bisher als Nachzügler in Sachen Digitalisierung. Der bisherige Einsatz von IKT befasst sich hauptsächlich mit der Digitalisierung von vorherrschenden Prozessen durch Workflow-Management-Systeme und Dokumente mit dem Ziel der Verbesserung der Konsistenz gesundheitsbezogener Daten innerhalb medizinischer Einrichtungen [2]. Die zahlreichen Möglichkeiten und die stetig voranschreitende digitale Transformation in der Wirtschaft verändern und erweitern das Verständnis von Digital Health und eröffnen neue Möglichkeiten im Gesundheitswesen.
Bemerkenswert ist die Auswirkung der Coronakrise auf das Gesundheitswesen, in der Digital-Health-Lösungen ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung und Eindämmung des Virusgeschehens sind und eine Vielzahl an Implementierungshürden rapide beseitigt werden konnten. [3]

Weiterhin ist der technologische Fortschritt u. a. im Bereich der Robotik, Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens, der Augmented Reality und Virtual Reality vielversprechend und hält auch für das Gesundheitswesen zukünftig zahlreiche Möglichkeiten bereit.

Im Zuge dieser Entwicklungen kam es in der Vergangenheit auch zu einer begrifflichen Umorientierung. So wurde der früher übliche Begriff eHealth allmählich abgelöst durch den Begriff Digital Health [4,5].

Anwendung und Beispiele

Es gibt eine Vielzahl an Beispielen im Bereich Digital Health:

  • Telemedizin in der Patientenbehandlung, wie z. B. Plattformen, die Patienten eine Arztkonsultation online ermöglichen oder die Fernüberwachung lebenswichtiger Körperfunktionen per Telemonitoring
  • Die elektronische Patientenakte, in der zentral alle Patientendaten zur Anamnese, zu Behandlungen, Medikamenten und weitere Gesundheitsdaten gespeichert werden können
  • Roboter im Gesundheitswesen, die z. B. Ärzte bei minimalinvasiven Eingriffen unterstützen
  • Künstliche Intelligenz in der Diagnose, z. B. intelligente Systeme, die selbstständig bildgebendes Material auswerten und auf Anomalien hinweisen
  • Augmented Reality als Assistenzsysteme, z. B. für Ärzte als Vorbereitung auf komplexe Eingriffe oder als Lerntool für Patienten
  • Virtual Reality, z. B. im Einsatz bei der physischen Rehabilitation von Herzinfarkt-Patienten

Kritik und Probleme​​

Auch wenn die Entwicklungen rund um den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen mit einer Vielzahl an Chancen verbunden sind, steht das Feld auch vor einigen Herausforderungen. Da gesundheitsbezogene Daten ein hohes Maß an Sensibilität vorweisen, zählt insbesondere die IT-Sicherheit, der Datenschutz und die Datensouveränität sowie das Vermeiden von Cyberkriminalität zu den größten Herausforderungen. Aber auch das Schaffen von Vertrauen und Akzeptanz, Digitale Ethik und die Bereitstellung und das Verfügbarmachen der Digitalen Infrastruktur sind wichtige Aspekte.

Zudem wird mit Blick auf die zentrale Bedeutung von (sozialer) Interaktion und die Notwendigkeit informellen Handelns sowie die Personengebundenheit impliziten Erfahrungswissens im Rahmen gesundheitsrelevanter personenbezogener Dienstleistungen auch auf mögliche Grenzen der Technisierung und Formalisierung verwiesen [5,6].

Forschung

Am bidt werden im Projekt PALLADiUM Perspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalen Transformation von Kommunikations- und Kollaborationsprozessen in der multiprofessionellen Versorgung der letzten Lebensphase untersucht. Bei Palliative Care steht der Mensch in seiner letzten Lebensphase im Mittelpunkt. PALLADiUM analysiert und gestaltet die digitale Arbeitswelt Palliative Care, bei der es sich traditionell um eine technik- und digitalisierungsferne Arbeitswelt handelt. Palliative Care ist geprägt von einem professionellen Selbstverständnis, das auf persönlicher zwischenmenschlicher Zuwendung beruht. Oberstes Ziel ist nicht Prävention oder Heilung, sondern Leid in all seinen Facetten – physisch, psychisch, sozial und spirituell – im Rahmen einer ganzheitlichen Versorgung zu minimieren. Das Arbeitsfeld ist dementsprechend durch intensive multiprofessionelle Zusammenarbeit gekennzeichnet. Im Kern des Projekts steht die Gestaltung eines digital unterstützten Arbeitssystems zur Verbesserung der Kollaboration von Fachkräften der verschiedenen beteiligten Professionen. Der vergleichsweise geringe Digitalisierungsgrad von Palliative Care stellt dabei eine herausragende Chance dar, prototypisch zu erforschen, wie Informations- und Kommunikationstechnologie und Digitalisierungsprozesse in einem frühen Stadium gestaltet werden können und welche Arbeitsbedingungen sowie Kompetenzen geschaffen werden müssen, um Akzeptanz und souveränen Umgang mit digitalen Technologien zu ermöglichen. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, welche KI-gestützten Ansätze geeignet sind, um strukturierte und unstrukturierte Daten in Palliative Care für Kommunikations- und Kollaborationsprozesse besser nutzbar zu machen.

Auch das Projekt Responsible Robotics (RRAI) befasst sich mit der Transformation des Gesundheitswesens: Es untersucht die ethischen, sozialen, und rechtlichen Aspekte von Robotern, insbesondere im Hinblick auf ihren Einsatz in der Pflege und Gesundheitsversorgung. Ziel ist die Entwicklung praktischer Empfehlungen und Standards für einen sinnvollen und ethisch vertretbaren Einsatz von KI-basierten Robotern.

Unterschiedliche Doktorandenprojekte und Nachwuchsforschungsgruppen widmen sich neuartigen, computergestützten Verfahren an der Schnittstelle zwischen Medizin und (Bio-)Informatik, unter anderem zu den Themen:

  • ‚Mixed Reality‘ als ein neuer rehabilitativer Ansatz bei Störungen von Alltagshandlungen nach chronisch neurologischer Erkrankung,
  • Bildbasierte Früherkennung von Barretts Ösophagus mit halb überwachten Lernalgorithmen,
  • LipiTUM – A Computational Platform for Lipidomics and Lipotyping in Systems Medicine,
  • DIGI TYPE: Digital Medicine-based Endophenotyping.

Weiterführende Links und Literatur​​​​

Literaturempfehlungen:

  • Agarwal, R.; Gao, G.; DesRoches, C.; Jha, A. (2010): Research Commentary – The Digital Transformation of Healthcare: Current Status and the Road Ahead. Information Systems Research 21(4):796–809.
  • Funderskov, Karen Frydenrejn; Raunkiær, Mette; Danbjørg, Dorthe Boe; Zwisler, Ann-Dorthe; Munk, Lene; Jess, Mia; Dieperink, Karin Brochstedt (2019): Experiences with Video Consultations in Specialized Palliative Home-Care: Qualitative Study of Patient and Relative Perspectives. In: Journal of medical Internet research 21 (3), e10208.
  • Niki, Kazuyuki; Okamoto, Yoshiaki; Maeda, Isseki; Mori, Ichiro; Ishii, Ryouhei; Matsuda, Yoshinobu et al. (2019): A Novel Palliative Care Approach Using Virtual Reality for Improving Various Symptoms of Terminal Cancer Patients: A Preliminary Prospective, Multicenter Study. In: Journal of palliative medicine 22 (6), S. 702–707.
  • Nwosu, Amara Callistus; Sturgeon, Bethany; McGlinchey, Tamsin; Goodwin, Christian Dg; Behera, Ardhendu; Mason, Stephen et al. (2019): Robotic technology for palliative and supportive care: Strengths, weaknesses, opportunities and threats. In: Palliative medicine 33 (8), S. 1106–1113.
  • Shi, K.; Will, C.; Steigleder, T.; Michler, F.; Weigel, R.; Ostgathe, C.; & Koelpin, A. (2018, April): A contactless system for continuous vital sign monitoring in palliative and intensive care. In: 2018 Annual IEEE International Systems Conference (SysCon). pp. 1–8. DOI: 10.1109/SYSCON.2018.836950