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Digitale Ökonomie

Definition und Abgrenzung

Die Digitalisierung erfasst Stück für Stück mehr Bereiche des Alltags. Diese zunehmende Durchdringung zeigt sich auch in der Wirtschaft. In der Herstellung von Produkten werden industrielle und digitalisierte Prozesse miteinander kombiniert, um im Ergebnis zu mehr Effizienz in der Produktion, unternehmerischem Wachstum und der Ergründung von neuen Erlösquellen zu kommen. Produkte an sich sind nicht mehr ausschließlich durch statische Produktmerkale gekennzeichnet, sondern können durch digitale Komponenten erweitert werden. Dies kann den Mehrwert für Kunden dauerhaft erhöhen, beispielsweise in Form von personalisierten Erlebnissen. Auch verändert sich durch Digitalisierungsprozesse das Konsumverhalten von Kunden und das damit einhergehende Verhältnis zum Unternehmen. Konsumenten und Unternehmen stehen durch die Nutzung digitaler Produkte im permanenten Datenaustausch, wodurch die Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen über den Kauf eines Produktes hinausgeht.

Eine Wirtschaft, die ausschließlich oder hauptsächlich auf digitalen Produkten und Dienstleistungen basiert, wird als digital bezeichnet. Wie digital eine Wirtschaft ist, ist schwer zu messen. Dennoch kann auf Produkt-, Anbieter- und Nachfragerseite auf Hilfsgrößen zurückgegriffen werden [1]. Bei den Produkten ist die Messung noch recht leicht. Hier kann beispielsweise erfasst werden, welchen Anteil z. B. digitale Produkte, wie etwa Software, an einer Volkswirtschaft ausmachen. So lässt sich festhalten, dass die IKT-Branche (d. h. jene Unternehmen, die Software oder Hardware und verbundene Dienstleistungen anbieten) in 2019 rund 4,4 % der Umsätze der gesamten gewerblichen Wirtschaft in Deutschland ausmachte [2]. Analog kann auf der Kundenseite die Bedeutung der Nutzung digitaler Kanäle gemessen werden. Auf der Anbieterseite kann hierfür der Anteil des Umsatzes durch digitale Produkte bestimmt werden, ebenso die Relevanz digitaler Vertriebskanäle. So lässt sich beobachten, dass der Anteil des Onlineumsatzes im Einzelhandel in 2019 bereits bei 11,2 % lag und stetig steigt [3]. Schwieriger jedoch stellt sich die Messung des Digitalisierungsgrads in Prozessen dar.

Eine digitale Wirtschaft funktioniert anders als eine nicht digitale Wirtschaft. Für die Internetökonomie zeigt sich dies insbesondere in Form von starken Netzeffekten sowie starken Skalenerträgen. Wenn der erwartete Nutzen eines Produkts oder eines Dienstes mit steigender Nutzerzahl zunimmt, wird dies als direkter Netzeffekt bezeichnet. Positive direkte Netzeffekte treten vor allem in Internetplattformen auf. Beispielsweise steigt der Nutzen der Teilhabe an Social-Media-Plattformen mit zunehmender Zahl der Nutzer für jeden einzelnen Nutzer an. Bei indirekten Netzeffekten beeinflusst die Größe eines Netzwerks einer Nutzergruppe das Verhalten einer anderen Nutzergruppe. In diesem Sinne wird eine Social-Media-Plattform für Entwickler von Apps umso attraktiver, je mehr Nutzer bestehen. Ein zweites Charakteristikum der internetbasierten Wirtschaft stellen starke Skalenerträge dar. Während die initialen Kosten der Erstellung eines digitalen Produktes (so z. B. eines Films) hoch sind, ist die Reproduktion und Verbreitung dieses Produktes nahezu kostenlos. Wenn Netzeffekte und Skaleneffekte sich gegenseitig verstärken, wird dies als positive Rückkopplung bezeichnet [4].

Geschichte

Vor dem Begriff der digitalen Ökonomie hat sich zunächst, wie oben bereits erwähnt, der Begriff der Internetökonomie etabliert. Dieser legt seinen Fokus auf das Internet, das durch sein Aufkommen in den 1990er-Jahren als grundlegende Technologie prägend für digitale Ökonomien war. So beschreibt Trapscott (1996) in „The Digital Economy: Promise and Peril in the Age of Networked Intelligence“ die damalige digitale Ökonomie durch zwei zentrale wirtschaftliche Aktivitäten: Zunächst wirkt die digitale Ökonomie informierend und erfüllt grundlegende Aufgaben wie die Erstellung von statischen Informationen auf Websites. Im nächsten Schritt dient die digitale Ökonomie, befähigt durch das Internet, als Mittel zur Kommunikation und Interaktion [5].

Im zweiten Schritt, seit Beginn der 2010er-Jahre, entstand der Begriff der Datenökonomie. Dieser betont die verändernde Wirkung der Fortschritte in der Erfassung, Zusammenführung und Analyse großer Datenbestände. Noch stärker als bei der Internetökonomie werden nun etablierte Konzepte hinterfragt, vom individuellen Verhalten über die Rolle und Ausgestaltung von Organisationen bis hin zu den Mechanismen der Gesellschaft [6].

Anwendung und Beispiele

Digitale Produkte

Viele Unternehmen nutzen das Potenzial digitaler Technologien, indem sie analoge Produkte und Dienstleistungen in die digitale Welt übertragen oder völlig neue Geschäftsfelder erschließen [7]. Einerseits können rein digitale Produkte angeboten werden, beispielsweise IT-Produkte in Form von Software. Des Weiteren können bereits bestehende analoge und etablierte Produkte mit digitalen Lösungen angereichert werden (Value Added Services); beispielsweise stehen digitale Kundenerlebnisse rund um die Mobilität zunehmend im Fokus von führenden Automobilherstellern.

Digitale Anbieter

Zunehmende Digitalisierungsdynamiken machen sich nicht nur bei Produkten, sondern auch bei deren Anbietern bemerkbar. Die Big Player der digitalen Ökonomie profitieren von Netzeffekten sowie Skaleneffekten, wie sie oben bereits skizziert wurden. Gleichzeitig binden sie ihre Kunden mit hohen Wechselkosten, um ihre Marktmacht zu festigen. Neben den Big Playern nutzen auch andere Unternehmen zunehmend die Chancen digitaler Technologien, indem sie neue Geschäftsfelder erschließen. Die durch digitale Technologien bewirkten Veränderungen in Geschäftsprozessen, Produkten, Diensten und Kundenschnittstellen können folglich zur Erweiterung von bestehenden Geschäftsprozessen führen oder neue digitale Geschäftsmodelle entstehen lassen [7].

Digitaler Konsum

Mit der Einführung von digitalen Technologien haben sich auch die Erwartungen von Kunden gewandelt. Digitale Player haben die Erwartungen von Kunden stetig nach oben getrieben und durch ihren Fokus auf die Customer Experience neue Ansprüche an Service und Qualität generiert. Weniger digitalisierte Unternehmen können diesen Anforderungen nur schwer standhalten und stehen unter Zugzwang der großen Konzerne.

Kritik und Probleme

Die Spezifika der digitalen Wirtschaft, so wie wir sie oben für die Internetökonomie skizziert haben, lassen sich gut herausarbeiten. Für die Internetökonomie liegen diese Konzepte weitgehend vor. Für die Datenökonomie fehlt dies noch. Hier zeichnen sich z. B. eine besondere Bedeutung des Umgangs mit Privatheit und spezielle Anforderung an die Regulierung von Märkten und die Verteilung von Wohlstand als neue Herausforderungen ab.

Neben neuen Geschäftsmodellen und neuen Anforderungen an den Verbraucherschutz stellt sich die Frage, zu wessen Nutzen gesammelte Daten verwendet werden sollten und wer die Macht über gesammelte Daten hat. Trotz Forderungen vonseiten der Verbraucher als auch der Industrie herrscht global noch keine Einigkeit über den Umgang mit personenbezogenen Daten. Besonders das Thema Privatheitsschutz steht in einem Spannungsfeld mit neuen digitalen Technologien wie Big Data oder der stark voranschreitenden künstlichen Intelligenz [8]. Damit einher geht auch die Gefahr des Missbrauchs von Daten zu Zwecken der Manipulation und Diskriminierung.

In der digitalen Ökonomie wird das Ungleichgewicht zwischen datenverarbeitenden Unternehmen und datenspendenden Nutzern, die zum großen Teil auf die Dienste der digitalen Anbieter angewiesen sind, kritisiert [9]. Gleichzeitig erschwert die technologiegetriebene Dynamik des Marktes den Markteintritt für Konkurrenten und führt zu einer Macht- und Marktkonzentration weniger Internetgiganten.

Forschung

Das bidt arbeitet aktuell an unterschiedlichen Projekten zum Thema der digitalen Ökonomien:

Daneben wird ein ganzes Portfolio von Forschungsprojekten verfolgt, die neben digitalen Ökonomien auch den digitalen Wettbewerb, Ethik und Meinungsrecht, Meinungsmacht und digitale Arbeitswelten untersuchen.

Aktuelle Projekte zum Thema Digitaler Wettbewerb:

Weiterführende Links und Literatur

  • Shapiro, C., Carl, S., und Varian, H.R. Information rules: A strategic guide to the network economy. 1998: Harvard Business Press.

Quellen

[1] Kotarba, M. „Measuring digitalization: Key metrics“. In: Foundations of Management, 2017. 9(1): S. 123–138.

[2] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). IKT-Branchenbild Volkswirtschaftliche Kennzahlen, Innovations- und Gründungsgeschehen 2020. 2020 [30.04.2021].

[3] ibi research. Prognose: E-Commerce-Anteil am Einzelhandelsumsatz wird bis 2026 nochmals deutlich steigen. 2021 [30.04.2021].

[4] Shapiro, C., Carl, S., und Varian, H.R. Information rules: A strategic guide to the network economy. 1998: Harvard Business Press.

[5] Tapscott, D. The digital economy: Promise and peril in the age of networked intelligence. Vol. 1. 1996, McGraw-Hill: New York.

[6] Faßler, M. „Globale Netzwerke, Plattform-Kapitale und Überlegungen zu multiplen Demokratien“, in Die Zukunft der Datenökonomie. 2019, Springer Fachmedien: Wiesbaden. S. 117–140.

[7] Hess, T. und Barthel, P. „Auswirkungen von COVID-19 auf Digitalisierungsprogramme in deutschen Unternehmen“, in Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien. 2020: München.

[8] Hess, T. und Lamla, J. „Einführung: Die Zukunft der Datenökonomie. Zwischen Geschäftsmodell, Kollektivgut und Verbraucherschutz“, in Die Zukunft der Datenökonomie. 2019, Springer Fachmedien: Wiesbaden. S. 1–7.

[9] Wessels, N., Laubach, A., und Buxmann, P. „Personenbezogene Daten in der digitalen Ökonomie – Eine wirtschaftliche und juristische Betrachtung“, in Die Zukunft der Datenökonomie. 2019, Springer Fachmedien: Wiesbaden. S. 11–27.