| Working Paper | Datenportabilität zwischen Online-Diensten

Datenportabilität zwischen Online-Diensten

Dr. Robert Luzsa Lehrstuhl für Psychologie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion | Universität Passau
Prof. Dr. Susanne Mayr Lehrstuhl für Psychologie mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion | Universität Passau
Emmanuel Syrmoudis Cyber Trust an der Fakultät für Informatik | Technische Universität München
Prof. Dr. Jens Großklags Professur für Cyber Trust | Technische Universität München
Sophie Kübler-Wachendorff Professur für Digital Services and Sustainability | Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Johann Kranz Ludwig-Maximilians-Universität München
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Die bevölkerungsrepräsentative Befragung untersucht aus psychologischer Perspektive die Anforderungen von Nutzerinnen und Nutzern an das Recht auf Datenportabilität und liefert Gestaltungsempfehlungen.

Die vorliegende Publikation betrachtet aus psychologischer Perspektive die Anforderungen von Nutzerinnen und Nutzern an das in der Datenschutzgrundverordnung verankerte Recht auf Datenportabilität, d.h. die Möglichkeit, bei einem Online-Dienst gespeicherte Daten abzurufen und, etwa bei einem Anbieter-Wechsel, zu einem anderen Dienst transferieren zu lassen. Es wird aufgezeigt, wie Datenportabilität das Wechseln zwischen Online-Diensten erleichtern könnte, wie sich daraus Innovationspotentiale ergeben, und wie Portabilitätslösungen gestaltet werden können, um Akzeptanz zu erreichen.

Dazu wird zuerst der aktuelle Forschungsstand zu nutzerseitigen Motiven und Verhaltensweisen im Kontext des Wechselns zwischen Online-Diensten vorgestellt und diskutiert. Anschließend werden die Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung berichtet, welche aufzeigt, wie Datenportabilitätslösungen das Wechseln zwischen Online-Diensten erleichtern können, welche verbraucherseitigen Bedarfe für Datentransfer zwischen Diensten bestehen, und welche Anforderungen Nutzerinnen und Nutzer an Portierungslösungen stellen. Aus den Befunden können Schlüsse sowohl für die Umsetzung von Datenportabilität wie auch für die weitere Forschung gezogen werden.

Das Wichtigste in Kürze

Datenportabilität bzw. Datenübertragbarkeit bezeichnet das in der Datenschutzgrundverordnung (DGSVO) seit 2018 garantierte Recht von Nutzerinnen und Nutzern, ihre personenbezogenen Daten von einem Online-Dienst abzurufen und sie zu einem anderen Dienst transferieren zu lassen. Mit der Einführung dieses Rechts sollen zum einen Nutzende in ihrer Datenautonomie gestärkt werden. Zum anderen wird mit ihm die Hoffnung auf offeneren Wettbewerb zwischen Dienstanbietern und mehr Chancen für neue, datenschutzfreundliche, europäische Anbieter verbunden. Letztere könnten gleich mehrfach profitieren: So könnte die Möglichkeit einfacher Datenmitnahme nicht nur wechselwilligen Nutzenden etablierter Dienste den Wechsel erleichtern und Wechselhindernisse und -barrieren reduzieren, sondern es bieten sich auch neue Chancen durch das Bereitstellen datenbasierter Dienstleistungen und Geschäftsmodelle.

Dies kann jedoch nur gelingen, wenn die Anforderungen von Nutzenden an Datenportabilität bekannt sind und bei der Gestaltung von Angeboten berücksichtigt werden. Dies ist Ziel des vorliegenden Working Papers, welche Datenportabilität aus einer psychologischen und nutzerfokussierten Perspektive beleuchtet. Zuerst wird der aktuelle Forschungs- und Wissensstand zur Nutzerperspektive auf Online-Dienstwechsel und zu Datenschutz und Datenportabilität dargestellt. Anschließend werden Ergebnisse einer 2020 durchgeführten großzahligen quantitativen Online-Studie berichtet, in der 995 deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ihre Nutzung von Online-Diensten, Wechselwünsche und Wechselhindernisse, und ihre Anforderungen an Möglichkeiten der Datenmitnahme befragt wurden.

Die Befragung zeigt:

  1. Wenig Wissen über Datenübertragbarkeit: Nur etwa ein Viertel der Befragten kennt ihr Recht auf Datenübertragbarkeit; es ist das am wenigsten bekannte und am schwersten verständliche DSGVO-Recht.
  2. Großes Wechselpotential: Zwei Drittel der Befragten berichten über bereits vollzogene Wechsel zwischen Online-Diensten; ein Viertel möchte von einem aktuell genutzten Dienst zu anderen wechseln bzw. diesen verlassen, hat dies aber noch nicht getan.
  3. Datenschutzbedenken und mangelndes Vertrauen führen zu Wechselwünschen: Als wichtigste Motive für noch unerfüllte Wechselwünsche werden Sorgen um Datenschutz und Privatsphäre und wenig Vertrauen in den aktuellen Anbieter genannt.
  4. Datenportabilität und Informationen über alternative Dienste könnten Wechsel erleichtern: Als wichtigste Wechselhindernisse werden der mögliche Verlust von Kontakten, Daten und Inhalten, wenig Wissen über Alternativen zum aktuell genutzten Anbieter sowie wenig Erfahrung in der Durchführung von Wechseln zwischen Diensten genannt. Die Befragten stimmen tendenziell der Aussage zu, dass Möglichkeiten zur Datenmitnahme ihnen den Wechsel erleichtern und sie diese auch nutzen würden.
  5. Konkrete Datenportabilitätswünsche: Danach gefragt, welche Daten sie zwischen Diensten portieren bzw. mitnehmen möchten nennen die Befragten vor allem Medieninhalte (z.B. Fotos, gesendete und empfangene Nachrichten), Daten zur eigenen Person und von Kontakten (z.B. Adressen, Nutzernamen, Kalendereinträge), sowie eigene Präferenzen (z.B. Playlists, Verläufe gesehener Filme oder vergangener Käufe).

Zusammenfassend illustrieren die Befunde, dass Nutzende in ihren Wünschen, Online-Dienste zu wechseln, mittels Datenportabilitätslösungen unterstützt werden können. Dafür ist jedoch insbesondere eine verständliche Gestaltung und Kommunikation entsprechender Funktionen notwendig. Möglichkeiten und Empfehlungen dafür, wie die praktische Umsetzung von Portabilitätslösungen durch Anbieter gelingen kann, und wie Staat und Gesellschaft diese fördern können, werden abschließend diskutiert.