Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Homeoffice stellen Herausforderungen für die zukünftige Regierung nach der Bundestagswahl 2021 dar. Vor diesem Hintergrund und einer zum Erhebungszeitpunkt weniger angespannten pandemischen Lage untersucht das bidt mit seiner fünften Befragung die aktuelle Nutzung und Akzeptanz von Homeoffice in Deutschland. Dabei wurden auch Ansichten zur Regulierungsfrage unter Berufstätigen gesammelt.
Homeoffice-Befragung September/Oktober 2021
Deutschland befindet sich seit der Bundestagswahl am 26. September 2021 im politischen Umbruch. Nach 16 Jahren CDU geführter Bundesregierungen verhandeln SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nun über eine neue Koalition. Zu den wichtigen Zukunftsthemen, die bereits auch in den Wahlprogrammen der Parteien eine Rolle spielten, zählt die Digitalisierung der Arbeitswelt. Insbesondere seit Beginn der Coronapandemie haben die Themen Homeoffice und mobiles Arbeiten deutlich an Bedeutung gewonnen. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehört die Möglichkeit, Homeoffice nutzen zu können, seitdem zu einem attraktiven Arbeitsplatz (Stürz et al. 2021). Auch die jetzt verhandelnden Parteien haben im Wahlkampf klare Vorstellungen zur Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Homeoffice entwickelt.
So wollen SPD und Grüne gemäß ihren Wahlprogrammen einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten einführen. Die Nutzung von mobilem Arbeiten oder Homeoffice soll für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren (SPD 2021; Grüne 2021). Die FDP hingegen will einen Rechtsanspruch auf Erörterung einführen. Danach müsste die Arbeitgeberseite den Antrag von Beschäftigten auf mobiles Arbeiten und Homeoffice prüfen und mit ihnen besprechen (FDP 2021). Der Vorschlag der FDP entspricht damit der Regelung in den Niederlanden, einem der Vorreiter in Europa in Sachen Homeoffice (Stürz et al. 2020).
Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) hat die Veränderung der politischen Situation nach der Bundestagswahl, die zum Erhebungszeitpunkt etwas entspanntere Pandemielage und das Auslaufen der Homeoffice-Pflicht zum Anlass genommen, eine weitere Untersuchung zum Thema Homeoffice durchzuführen. Erhoben wurden Daten zu den gegenwärtigen Einstellungen Berufstätiger zu den Themen Recht auf Homeoffice und Regulierung der Arbeitswelt. Ferner wurde die aktuelle Nutzung von Homeoffice und die Arbeitszufriedenheit untersucht. Dazu führte das bidt vom 20. September bis 10. Oktober 2021 eine repräsentative Kurzbefragung durch. Unter Nutzung von Google Surveys wurden 1.126 erwachsene berufstätige Internetnutzerinnen und -nutzer in Deutschland befragt. Diese Befragung reiht sich in die vier bisherigen Erhebungen des bidt im März 2020, Juni 2020, Februar 2021 sowie im Mai 2021 zum Thema Homeoffice ein und erlaubt Analysen im Zeitverlauf.
Mehrheit der Berufstätigen für stärkere Regulierung bei der Digitalisierung der Arbeitswelt
Die Mehrheit der befragten Berufstätigen in Deutschland (61 %) ist der Meinung, dass die Politik bei der Digitalisierung der Arbeitswelt stärker regulierend eingreifen sollte. Unterschiede lassen sich bei Berufstätigen mit und ohne gegenwärtige Homeoffice-Nutzung erkennen. So sprechen sich rund zwei Drittel der Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzer für stärkere regulatorische Eingriffe aus. Dieser Anteil ist bei Berufstätigen, die aktuell kein Homeoffice nutzen, rund 10 Prozentpunkte kleiner.
Rechtsanspruch auf Homeoffice von einer Mehrheit der Berufstätigen befürwortet
Knapp zwei Drittel der befragten berufstätigen Internetnutzerinnen und -nutzer sprechen sich für die Einführung eines Rechtsanspruchs auf die Nutzung von Homeoffice aus, sofern es die Tätigkeiten zulassen. Dabei ist die Forderung nach einem Recht auf Homeoffice vor allem bei den Befragten stark ausgeprägt, deren eigene Tätigkeiten die Nutzung von Homeoffice prinzipiell zulassen. 34 % von ihnen stimmen der Aussage voll und ganz zu, dass die nächste Regierung einen Homeoffice-Rechtsanspruch schaffen sollte. 35 % von ihnen stimmen dieser Aussage eher zu. Demgegenüber stimmen nur 12 % der Personen, deren Tätigkeiten keine Nutzung von Homeoffice erlauben, voll und ganz dieser Aussage zu, 37 % stimmen eher zu. Die Kategorisierung der Befragten nach der Möglichkeit, Homeoffice nutzen zu können, basiert dabei auf einer abgefragten Selbsteinschätzung.
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt je nach Homeoffice-Nutzungsmöglichkeit sehr unterschiedlich wahrgenommen
Eine Mehrheit der befragten Berufstätigen (54 %) geht davon aus, dass die zunehmende Digitalisierung die Arbeitswelt für sie selbst besser macht. Nur 16 % sehen eine Verschlechterung. Die aggregierten Daten für alle Berufstätigen verschleiern dabei jedoch bedeutende Unterschiede in der Wahrnehmung, je nachdem, ob Homeoffice aufgrund der eigenen Tätigkeiten prinzipiell genutzt werden kann oder nicht. Betrachtet man Berufstätige, deren Tätigkeiten gemäß Selbsteinschätzung Homeoffice prinzipiell zulassen, nehmen 65 % der Befragten eine Verbesserung der Arbeitswelt durch die Digitalisierung wahr. Rund ein Viertel sieht keine Veränderung. Bei Berufstätigen mit Tätigkeiten, die Homeoffice grundsätzlich nicht erlauben, nehmen hingegen nur 29 % der Befragten eine Verbesserung der Arbeitswelt für sie selbst durch die Digitalisierung wahr. 47 % sehen keine Veränderung und knapp ein Viertel nimmt sogar eine Verschlechterung wahr.
Deutlicher Rückgang der Nutzungshäufigkeit von Homeoffice seit Mai 2021
Die aktuelle Befragung ergibt, dass im September/Oktober 2021 rund 46 % der berufstätigen Internetnutzerinnen und -nutzer zumindest gelegentlich von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten. Dies entspricht einem moderaten Rückgang um 6 Prozentpunkte gegenüber der bidt-Erhebung im Mai 2021. Nur noch 31 % der befragten Berufstätigen sind mehrmals pro Woche im Homeoffice. Der Rückgang bei der häufigen Nutzung von Homeoffice entspricht damit 15 Prozentpunkten gegenüber der Befragung im Mai 2021, als in Deutschland die bis dato strengsten Homeoffice-Regelungen galten. So waren in dieser Zeit nicht nur Unternehmen verpflichtet, Homeoffice so weit wie möglich anzubieten, sondern auch Beschäftigte waren angehalten, dieses Angebot so weit wie möglich anzunehmen. Der aktuelle Wert für eine Homeoffice-Nutzung mehrmals pro Woche ist gleichzeitig der niedrigste in allen durchgeführten Erhebungen während der Pandemie insgesamt beobachtete. Er liegt in etwa auf dem Niveau vom Sommer 2020.
Homeoffice-NutzerInnen im Vergleich zu Nicht-NutzerInnen zufriedener mit ihrer allgemeinen Arbeitssituation
Die allgemeine Arbeitszufriedenheit bei den befragten Berufstätigen ist hoch. So geben insgesamt 77 % der Befragten an, eher oder sehr zufrieden mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation zu sein. Es zeigen sich dabei jedoch erneut Unterschiede zwischen jenen, die aktuell von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten, und jenen, die kein Homeoffice nutzen. So sind insgesamt 83 % der Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzer mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation insgesamt zufrieden, während dies für nur 72 % der Personen gilt, die kein Homeoffice nutzen.
Eine genauere Analyse zeigt, dass die positive Einschätzung der Arbeitssituation mit der Häufigkeit der Arbeit von zu Hause aus zusammenhängt. So geben 87 % der Berufstätigen, die Homeoffice mehrmals pro Woche nutzen, an, eher oder sehr zufrieden zu sein. Der Anteil der zufriedenen Berufstätigen bei denen, die Homeoffice nur ab und zu und seltener als mehrmals pro Woche nutzen, liegt hingegen nur bei 74 %. Besonders stark sind die Unterschiede bei den sehr Zufriedenen ausgeprägt. Mehr als die Hälfte der Personen, die Homeoffice häufig nutzen, ist mit der derzeitigen Arbeitssituation sehr zufrieden. Bei gelegentlichen Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzern beträgt der Anteil weniger als ein Drittel.
Zufriedenheit mit der eigenen Situation im Homeoffice weiterhin auf hohem Niveau
Bei der Betrachtung der Zufriedenheit mit der eigenen Situation im Homeoffice lassen sich keine bedeutenden Unterschiede oder Veränderungsmuster gegenüber den Vorerhebungen feststellen. Mit 85 % ist auch derzeit die überwiegende Mehrheit der befragten Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzer mit der eigenen Situation im Homeoffice eher oder sehr zufrieden.
Betrachtet man die Zufriedenheit mit der eigenen Situation im Homeoffice in der aktuellen Erhebung nach der Homeoffice-Nutzungshäufigkeit, ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der aktuellen Arbeitszufriedenheit. So hängt die Zufriedenheit mit der Homeoffice-Nutzungshäufigkeit derart zusammen, dass Personen, die häufiger von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten, zufriedener sind. 93 % der befragten Berufstätigen, die derzeit (fast) ausschließlich im Homeoffice sind, geben an, eher oder sehr zufrieden zu sein. Bei denjenigen, die nur etwa einmal pro Woche oder seltener von zu Hause aus arbeiten, sind dies nur 71 %.
Eine multivariate Analyse der Zufriedenheit mit der eigenen Situation im Homeoffice über die Daten aller fünf Befragungswellen bestätigt den positiven Zusammenhang zwischen der Nutzungshäufigkeit von Homeoffice und der Zufriedenheit. Auch bei einer Kontrolle für das Geschlecht und das Alter der Befragten sowie für die Befragungswellen bleibt dieser Zusammenhang bestehen. Alters- und Geschlechtereffekte zeigen sich hingegen nicht. Tendenziell ergibt sich zudem, dass die Zufriedenheit mit der eigenen Situation im Homeoffice nach der ersten Befragung im Mai 2020 in den späteren Befragungen zugenommen hat.
Fazit und Ausblick
Die aktuellen Befragungsdaten des bidt zur Nutzung und Akzeptanz von Homeoffice zeigen, dass die gelegentliche Nutzung von Homeoffice auf hohem Niveau verweilt, die Nutzungshäufigkeit jedoch abgenommen hat. Auch die Zufriedenheit der Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzer mit der eigenen Situation im Homeoffice bleibt hoch. Zudem ergibt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Homeoffice-Nutzungshäufigkeit und der Zufriedenheit: Je häufiger Berufstätige von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten, desto höher sind die Zufriedenheitswerte.
Mit Blick auf die derzeitigen Koalitionsverhandlungen und die Vorschläge der Parteien zur zukünftigen Reglementierung von Homeoffice ergibt die Befragung, dass sich eine Mehrheit der befragten Berufstätigen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice wünscht. Dabei ist der Wunsch nach einem Rechtsanspruch vor allem bei denen stark ausgeprägt, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten auch selbst die Nutzung von Homeoffice für sich für möglich halten. Ob ein solcher Rechtsanspruch nach dem coronabedingten Homeoffice-Schub jedoch vonnöten sein wird, bleibt abzuwarten. So verweilt die Homeoffice-Nutzung bisher deutlich über dem Niveau vor der Coronapandemie und viele Unternehmen geben in Unternehmensbefragungen an, Homeoffice-Möglichkeiten auch künftig verstärkt anzubieten zu wollen (Ifo 2020; Fraunhofer IAO 2020). Ferner wird ein geeignetes Homeoffice-Angebot zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor für Unternehmen im Kampf um qualifizierte Arbeitskräfte werden (Stürz et al. 2021).
Einhergehend mit den hohen Zufriedenheitswerten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Homeoffice, sollten daher vor allem Unternehmen die Chancen aus der Pandemie aufgreifen und mit einem Angebot an flexibleren Arbeitsformen ihre Attraktivität steigern. Sozialpartnerschaftliche Regelungen von Homeoffice sollten daher jetzt im Mittelpunkt stehen. Die Politik sollte derartige Vereinbarungen durch eine Anpassung der Rahmenbedingungen an eine zunehmend digitalisierte Arbeitswelt unterstützen, ohne die wirtschaftliche Erholungsphase durch neue, hohe bürokratische Vorgaben in Sachen Homeoffice zu belasten. Eine Erhöhung der arbeitsrechtlichen Spielräume sowohl für die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite, eine stärkere Mitbestimmung bei der Ausgestaltung von Homeoffice-Regelungen und klare Vorgaben in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz im Homeoffice stellen Gestaltungsmöglichkeiten der Rahmenbedingungen dar. Gleichzeitig kann durch einen entsprechenden Regelungsrahmen die Rechtssicherheit bei der Gestaltung von Homeoffice für Unternehmen und Beschäftigte erhöht werden. Erst wenn diese Maßnahmen keine nachhaltigen Effekte zeigen und sich nach der Coronapandemie ein Rückfall zur ausgeprägten Präsenzkultur auf Vorkrisenniveau beobachten lassen würde, sollten weitere Schritte ergriffen werden. Die Einführung eines Erörterungsrechts nach niederländischem Vorbild, wonach die Arbeitgeberseite Homeoffice-Anträge von Beschäftigten mit diesen erörtern muss, könnte ein solcher Schritt sein.
Gleichzeitig muss die Politik bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen auch die Personen im Blick haben, die keine Möglichkeit zur Nutzung von Homeoffice haben. Die vorliegenden Befragungsdaten zeigen deutliche Unterschiede zwischen Berufstätigen, die Homeoffice nutzen oder prinzipiell nutzen könnten, und solchen, für die dies nicht gilt. So sind Berufstätige ohne Homeoffice-Nutzung seltener mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation zufrieden als Berufstätige, die mindestens gelegentlich von zu Hause aus arbeiten. Ferner sehen nur wenige Berufstätige ohne Homeoffice-Potenzial durch die Digitalisierung Vorteile für sich in der Arbeitswelt. Dabei gilt es zu bedenken, dass das Potenzial zur Nutzung von Homeoffice vor allem bei höher qualifizierten Fachkräften stark ausgeprägt ist (Mergener 2020). Eine einseitige Förderung von Homeoffice, z. B. durch steuerliche Anreize, kann somit die soziale Kluft zwischen Digitalisierungsgewinnerinnen und -gewinnern und -verliererinnen und -verlierern weiter erhöhen. Dort, wo Homeoffice nicht möglich ist, wird also die Politik und die Arbeitgeberseite für einen geeigneten Ausgleich sorgen müssen, um einer Spaltung der Belegschaft oder einer weiteren sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Mitarbeitende und Führungskräfte sind sowohl zu sensibilisieren als auch zu unterstützen. Weiterqualifikation und Weiterbildung müssen verstärkt werden, um möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der digitalen Transformation mitzunehmen und an den Vorteilen der Digitalisierung teilhaben zu lassen. Die durch die Coronapandemie beschleunigte Digitalisierung der Arbeitswelt wird Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringen. Die Forschung sollte diese digitale Transformation weiterhin aktiv begleiten und Empfehlungen für ihre Gestaltung aufzeigen.
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