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Virtual Reality

Definition und Abgrenzung

Auf der Skala des Realitäts-Virtualitäts Kontinuums [1] (siehe hierzu auch Augmented Reality) liegt die vollständige virtuelle Realität (VR) am anderen Ende gegenüber der vollständigen realen Realität. Im Gegensatz zu Augmented-Reality-Systemen (AR), in denen die physische Umgebung mit holografischen Elementen angereichert wird, versteht man unter VR die computergenerierte Simulation eines dreidimensionalen Bildes oder einer dreidimensionalen Umgebung, mit der die Nutzer mithilfe spezieller elektronischer Ausrüstung, wie einer Datenbrille oder Datenhandschuhen, auf scheinbar reale oder physische Weise in Echtzeit interagieren können.

„Immersion“ und „Presence“ gelten dabei als zentrale Schlüsselkonzepte [2].

Immersion

Das Level der Immersion, also des „technologischen Eintauchens“, bezieht sich auf den Grad der physischen Stimulation, die auf die sensorischen Systeme einwirkt, und auf die Empfindlichkeit des Systems gegenüber motorischen Eingaben. Der Grad des Eintauchens gilt als objektiv und messbar – ein System kann einen höheren Immersionsgrad aufweisen als ein anderes und hängt von verschiedenen technologischen Faktoren ab, etwa von der Rendering-Software oder der Anzeigetechnologie des Systems (z. B. der Größe des Sichtfeldes).

Presence

Das psychologische Produkt des technologischen Eintauchens ist Präsenz – das psychologische Gefühl, in der virtuellen Umgebung statt in der physischen Umgebung zu sein und mit Medien zu interagieren. Präsenz wird häufig als das Gefühl beschrieben, im virtuellen Raum „da zu sein“. Der Präsenzgrad wird häufig anhand von Selbstberichten sowie vermehrt auch anhand physiologischer Indikatoren (d. h. körperlicher Reaktionen während einer VR-Erfahrung wie z. B. einer erhöhten Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit oder verringerter Hauttemperatur) eines Benutzers gemessen.

VR-Systeme unterscheiden sich durch Betrachtungsmedium, Interaktionsmethode, technologische Anforderungen und Spieloptionen und finden eine breite Anwendung durch Verwendung von hoch immersiven Technologien bis zu beliebten, im Handel erhältlichen interaktiven Videospielkonsolen. Hoch immersive VR-Systeme benötigen für die Darstellung besondere Hardware, oft spezielle Datenbrillen (Head-Mounted Displays, HMDs) oder virtuelle Räume (sogenannte CAVEs). Virtuelle Räume verwenden Screens oder Projektionen. Bekannte VR-Headsets sind Facebooks Oculus Rift sowie die HTC Vive. Das Gerät wird auf dem Kopf getragen, ein Bildschirm befindet sich direkt vor den Augen, der zwei Bilder aus verschiedenen Perspektiven anzeigt, die eine dreidimensionale Erfassung ermöglichen. Diese müssen in Echtzeit, mit mindestens 25 bis 60 Bildern pro Sekunde, aktualisiert werden.

Interaktionen mit der virtuellen Welt sind über externe Eingabegeräte (3-D-Maus, digitale Handschuhe, Joysticks, spezielle Laufbänder) sowie Gesten möglich. Durch Motion-Capture-Technologie werden Bewegungen, z. B. des Körpers oder der Hand, direkt in die virtuelle Welt übersetzt und übertragen. Je nach Eingabegerät sind Algorithmen notwendig, die z. B. die Position der Finger berechnen.

Um die VR-Welt mit Content zu füllen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z. B. 360-Grad-Kameras oder die Erstellung von 3-D-Inhalt mittels 3-D-Modellierung oder 3-D-Rekonstruktion.

Geschichte

Zu Beginn wurde zwischen Augmented Reality und Virtual Reality nicht unterschieden, und die ersten Konzepte wurden bereits vor 1960 idealisiert (siehe auch Informationen zur Geschichte von Augmented Reality). VR ist geprägt von ambitionierten Ideen und Konzepten, die in ihren frühen Entwicklungsphasen durch ihre Komplexität meist an der technischen Umsetzung scheiterten. Sir Charles Wheatstone kreiert 1838 das erste Stereoskop, mit dem eine 3-D-Szene räumlich durch zwei versetzte Bilder dargestellt wird. Morton Heilig, VR-Pionier und Filmemacher, wollte 1956 das Filmtheater revolutionieren und präsentierte einen Prototypen von „Sensorama“ – ein besonderes Kinoerlebnis inklusive Windsimulation und Gerüchen –, der jedoch kommerziell nicht erfolgreich war. Sutherland stellte 1965 „Ultimate Display“ vor, das Nutzer mit virtuellen Objekten interagieren lässt. Etwas später stellte er „Sword of Damocles“ in seiner Publikation „A Head-Mounted-Three Dimensional Display“ vor [3]. Diese haben später maßgeblich zur Entwicklung von modernen Head-Mounted Displays beigetragen. 1929 gab es zur Ausbildung von Piloten Flugsimulationen, die ersten hoch immersiven VR-Anwendungen. CAVEs wurden erst 1992 an der University of Illinois entwickelt. Schlagzeilen machte 2012 Oculus mit dem Release einer VR-Brille, das 2 Jahre später für 2 Milliarden Dollar von Facebook gekauft wurde.

Anwendung und Beispiele

Bekannte Hersteller von VR-Geräten sind die folgenden:

Die Möglichkeiten der VR-Anwendungen sind vielfältig [2] und finden sich u. a. in folgenden Bereichen:

  • Unterhaltung, z. B. Videospiele, virtuelle Ausstellungen in Museen, virtuelle Showrooms und Shopping, virtuelle Events (wie die Übertragung von Konzerten oder Ligaspielen)
  • Bildung und Training, z. B. Pilotenausbildung in Flugsimulatoren, Visualisierung, chirurgisches Training, Militärtraining
  • Medizin und Gesundheit, z. B. Behandlung von Phobien, Schmerzen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Körperwahrnehmungsstörungen
  • Fitness und physische/kognitive/mentale Rehabilitation, z. B. aktive Videospiele oder VR-basierte Fitnessgeräte
  • Visualisierung in verschiedenen Branchen wie Tourismus, Industrie (z. B. virtuelle Prototypen), Architektur, Chemie, Energie, Raumplanung, Werbe- und Immobilienbranche

Kritik und Probleme​​

VR-Krankheit (simulation/cyber/motion sickness)

Die sogenannte VR-Krankheit wird durch Konflikte zwischen dem visuellen und den vestibulären Systemen hervorgerufen, entsteht in der Regel während der VR-Erfahrung und verschwindet innerhalb weniger Stunden. Typischerweise äußern die Betroffenen Symptome wie Übelkeit, Unwohlsein, Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen, Stolpern und Bewegungsinstabilität.

Datenschutz

Generell erleichtert die Digitalisierung den einfachen Zugriff auf sensible Daten, was jedoch zu Datenschutz– und Sicherheitsbedenken führen kann. Diese Probleme werden auch in Zusammenhang mit VR- oder Augmented-Reality-Anwendungen durch die Verarbeitung von zum Teil sensitiven Sensordaten, z. B. bei Eyetracking-Technologien, thematisiert.

Forschung

Das Doktorandenprojekt „‚Mixed Reality‘ als ein neuer rehabilitativer Ansatz bei Störungen von Alltagshandlungen nach chronisch neurologischer Erkrankung“ beschäftigt sich mit der Frage, wie Mixed-Reality-Ansätze etwa nach einem Schlaganfall oder bei einer Demenzerkrankung als sinnvolle Intervention zur Neurorehabilitation eingesetzt werden können.

Weiterführende Links und Literatur​​​​

In der folgenden Veröffentlichung finden sich Informationen zu möglichen Einflussfaktoren auf das motorische Lernen in virtuellen Umgebungen:

  • Rohrbach, N. et al. (2019). What is the impact of user affect on motor learning in virtual environments after stroke? A scoping review. Journal of neuroengineering and rehabilitation, 16(1), 1–14.

Quellen

[1] Milgram, P., & Kishino, F. (1994). A taxonomy of mixed reality visual displays. IEICE TRANSACTIONS on Information and Systems, 77(12), 1321–1329.

[2] Liberatore, M. J., & Wagner, W. P. (2021). Virtual, mixed, and augmented reality: a systematic review for immersive systems research. Virtual Reality, 1–27.

[3] Ivan E. Sutherland. 1968. A head-mounted three dimensional display. In Proceedings of the December 9–11, 1968, fall joint computer conference, part I (AFIPS ’68 (Fall, part I)). Association for Computing Machinery, New York, NY, USA, 757–764.