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Additive Fertigung/3D-Druck

Definition und Abgrenzung

Die additive Fertigung und deren Fertigungsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass die Bauteile durch das Hinzufügen, Auftragen und Ablagern von Material generiert werden. Entscheidend hierbei ist, dass die Bauteile aus einzelnen Schichten additiv aufgebaut werden. Dabei wird zur Generierung eines physischen Bauteils direkt auf ein digitales 3D-Modell aus einer CAD-Konstruktionssoftware zugegriffen. Damit werden sowohl die mechanisch-technischen Eigenschaften als auch die Geometrie und Formgebung der Bauteile im Prozess des schichtweisen Bauteilaufbaus generiert.

Im deutschen Sprachgebrauch wird für diese Art der Bauteilfertigung der Begriff 3D-Druck als Synonym verwendet, obwohl der 3D-Druck nur ein einzelnes additives Fertigungsverfahren (Binder Jetting) beschreibt. Im Vergleich zu formativen Fertigungsverfahren werden in der additiven Fertigung keine Formen und Modelle benötigt, die insbesondere für die kundenindividuelle Fertigung einen großen Kostentreiber darstellen können. Beispiele hierfür sind das Spritzgießen oder das Schmieden. Im Vergleich zu subtraktiven Fertigungsverfahren, wie Drehen, Fräsen oder Bohren, sind bei additiven Fertigungsverfahren keine vorgefertigten Werkstücke (Halbzeuge) nötig. Darüber hinaus erlaubt die additive Fertigung ohne Werkzeuge, wie beispielsweise Bohrer, Fräskopf oder Drehmeißel, eine erhöhte gestalterische Freiheit. So können Bauteile mit hoher Komplexität, wie innenliegende Hohlräume sowie Hinterschneidungen, mittels additiver Fertigungsverfahren wirtschaftlich gefertigt werden, was mittels formativer und subtraktiver Fertigungsverfahren wirtschaftlich und technisch oft nicht umsetzbar ist.

Neben diesem Potenzial der hohen gestalterisch-konstruktiven Freiheit zeichnet sich die additive Fertigung durch eine hohe Materialeffizienz aus, da nur das Material schichtweise aufgetragen wird, das für den späteren Nutzungszweck notwendig ist. Tabelle 1 zeigt konkrete Potenziale der additiven Fertigung in Bezug auf das Bauteil sowie auf die Fertigung und das Geschäftsmodell[1].

BauteilbezogenFertigungs- bzw. geschäftsmodellbezogen
Integration von Funktionen und Sensorik in die Struktur der BauteileFlexibilisierung der Produktion durch dezentrale Fertigung bei Bedarf und vor Ort
Optimierung von Funktionen von Bauteilen, bspw. in Bezug auf das Thermomanagementprototypische Fertigung von geringen Losgrößen zur Verkürzung der Time-to-Market
Leichtbauoptimierung der Bauteile durch Formen- und MaterialleichtbauReduzierung von Materialabfall
Erhöhung der MaterialeffizienzReduzierung von Rüst- und Montagezeiten
Konsolidierung von Bauteilen von montageaufwendigen BaugruppenReduzierung der Lieferzeiten sowie Lager- und Logistikkosten durch dezentrale Fertigung
Tabelle 1: Potenziale der additiven Fertigung bezogen auf die generierten Bauteile und der damit verbundenen Fertigung und Geschäftsmodelle

Die Nutzung der Potenziale ist über eine Vielzahl von verschiedenen additiven Fertigungsverfahren möglich. Tabelle 2 bietet eine Systematisierung der einstufigen additiven Fertigungsverfahren auf Basis der Art des Werkstoffs und des Ausgangsmaterials nach DIN EN ISO 52900:2022. Für die Prozesskategorien existiert eine Vielzahl von verschiedenen Benennungen der einzelnen Maschinentechnologien. In dieser Tabelle wird daher nur eine beispielhafte Maschinentechnologie genannt.

Art des WerkstoffsAusgangsmaterialProzesskategorie
(beispielhafte
Maschinentechnologie)
Beispielmaterialien
MetalleFilament-/DrahtmaterialMaterialauftrag mit gerichteter Energieeinbringung (Directed Energy Deposition (DED))Edelstähle, Titan-, Nickelbasislegierungen
Pulvermaterialpulverbettbasiertes Schmelzen (selektives Laserschmelzen (SLM))Edelstähle, Titan- Aluminium-, Nickelbasislegierungen
PolymerFilament-/GranulatmaterialMaterialextrusion (Fused Filament Fabrication FFF; Fused Deposition Modeling FDM)Thermoplaste (z. B. ABS, PLA, PP), Hochleistungskunststoffe (z. B. PEKK, PEEK)
flüssiges MaterialFreistrahl-Materialauftrag (Material Jetting)Thermoplaste (z. B. ABS, PLA, PP)
Pulvermaterialpulverbettbasiertes Schmelzen (Laser Sintern SLS)Polyamide, PEKK, gefüllte Kunststoffe
Freistrahl-Bindemittelauftrag (High Speed Sintering (HSS))Polyamide
flüssiges Materialbadbasierte Photopolymerisation (Stereolithografie (SLA))Kunstharze, UV-sensitive Flüssigkunststoffe
Gips, Sand etc.PulvermaterialFreistrahl-Bindemittelauftrag (Binder Jetting, 3D-Drucken)Sand, Gips, anorganische Stoffe
Tabelle 2: Auswahl an Prozesskategorien und verarbeitbare Materialien mittels additiver Fertigungsverfahren nach DIN EN ISO 52900

Geschichte

Die Entwicklung der additiven Fertigungsverfahren begann in den 1980er Jahren mit dem ersten additiven Fertigungsverfahren der Stereolithografie[2]. Ab den 1990er-Jahren wurden diese dann operativ insbesondere für die Fertigung von Prototypen (Rapid Prototyping) eingesetzt. In Deutschland wurde Anfang der 1990er-Jahre Pionierarbeit in der additiven Fertigung von Metallbauteilen geleistet und diese Technologievorreiterrolle in den letzten Jahrzehnten weiter ausgebaut. So stellt Deutschland einen Leitmarkt der Technologiegeber und Technologienehmer der additiven Fertigung dar.

Anwendung und Beispiele

Die vielfältigen Potenziale der additiven Fertigung begünstigten die Weiterentwicklung der Anwendungsbereiche und additiven Fertigungsverfahren in den letzten Jahren und Jahrzehnten[3]. So lassen sich entlang des typischen Produktlebenszyklus vier Anwendungsbereiche der additiven Fertigung unterscheiden[3,2]:

  • Rapid Prototyping: Fertigung von stückzahlreduzierten Prototypen und Modellen in verschiedenen Ausprägungen der Seriennähe und Funktionalität, wie Design-, Geometrie- und Funktionsprototypen
  • Rapid Tooling: Fertigung von komplexen Werkzeugen, Werkzeugeinsätzen und Formen für die konventionelle Serienproduktion
  • Rapid Manufacturing: Fertigung von serientauglichen Endprodukten. Damit können im Rahmen der Produktion serientaugliche Bauteile für die Endanwendung gefertigt werden.
  • Rapid Repair: Fertigung von sporadischen Ersatzteilen und Reparatur von verschlissenen Bauteilen im After-Sales-Service

Die bisher hauptsächliche Anwendung in der Prototypenfertigung wird in den letzten Jahren zunehmend durch die Anwendung in der industriellen Serienfertigung ergänzt. Dies zeigt sich insbesondere in Branchen der Medizintechnik (für Endoprothesen/Implantate oder Exoprothesen), der Luft- und Raumfahrt (Halteelemente im Flugzeug, Einspritzdüsen in Triebwerken) und des Maschinenbaus (Produktionshilfsmittel, Robotergreifer). Daneben etablieren sich additive Fertigungsverfahren für die Nutzung bei Endkunden, wie Automotive (Interieurblenden oder Spritzgussformen) oder Sporttechnologie (funktionalisierte Schuhsohlen, individualisierte Fahrradsättel). Zukünftig sind weitere Anwendungen in den Bereichen der Lebensmittelproduktion (Fleisch- und Fleischersatzprodukte) sowie Hochbau (Wohngebäude und öffentliche Gebäude) zu erwarten.

Zusammenfassend wird die additive Fertigung insbesondere bei geringen Losgrößen und Stückzahlen für geometrisch-konstruktiv komplexe Bauteile genutzt. Hier kann mittels additiver Fertigung insbesondere ein wirtschaftlicher Vorteil im Vergleich zu konventionellen Fertigungsverfahren erzielt werden.

Kritik und Probleme​​

Trotz mindestens 30-jähriger Entwicklungszeit vieler additiver Fertigungsverfahren existieren zwar industrielle Nischenanwendungen der additiven Fertigung aber eine wirklich breite industrielle Anwendung ist zurzeit noch nicht erkennbar. Der Industrialisierungsgrad einzelner additiver Fertigungstechnologien und -maschinen entspricht vielfach noch nicht den industriellen Kernvoraussetzungen an Reproduzierbarkeit der Bauteilqualität, Prozessrobustheit und dem Automatisierungsgrad der gesamten Prozesskette. Diese Prozesskette beinhaltet dabei nicht nur den additiven Schichtauftrag sondern auch die softwaregestützte Konstruktion und Simulation in der Prozessvorbereitung sowie der Entfernung von teilweise prozessbedingt notwendigen Stützstrukturen in der Bauteilnachbearbeitung. Dies bedingt unter anderem spezifisch hohe Bauteilkosten, was eines der Hemmnisse der additiven Fertigung momentan darstellt. Diese Hemmnis der Wirtschaftlichkeit wird zudem durch hohe Material- und Maschinensystemkosten noch gesteigert.

Forschung

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat die starke interdisziplinäre Forschung, insbesondere in Deutschland und Bayern von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu neuen Anwendungen und ressourceneffizienteren Prozessen geführt. So wird an anwendungsspezifischen Werkstoffen für additive Fertigungstechnologien geforscht, die auch als Multimaterialansatz miteinander verarbeitet werden[4]. Neue Technologien der additiven Fertigung oder die Weiterentwicklung bestehender stellt außerdem einen Schwerpunkt der Forschung dar. So liegt hier insbesondere der Fokus im Abbau der bisherigen Industrialisierungshemmnisse Produktivität, Automatisierung und Qualitätssicherung.

In den letzten Jahren wurden verstärkt Forschungsaktivitäten hinsichtlich der additiven Verarbeitung nachwachsender oder biologisch abbaubarer Kunststoffe oder Abfallstoffe beobachtet sowie die Steigerung der Ressourceneffizienz und des Umweltmanagements einzelner Prozesse in der additiven Prozesskette[5].

Ein Ansatz zur wirksamen Forschung und Weiterentwicklung der additiven Fertigung ist dabei die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Kompetenzträger aus unterschiedlichen Perspektiven. So hat die Universität Bayreuth im Jahr 2020 einen interdisziplinären ThinkTank „Campus Additive.Innovationen“ gegründet, in welchem über 30 Lehrstühle aus fünf Fachrichtungen an dem Erlebbarmachen sowie Erforschen der additiven Zukunftspotenziale arbeiten[6].