Definition und Abgrenzung
Roboter werden zunehmend als autonome, soziotechnische Maschinen verstanden. Dies bedeutet, dass deren Eigenschaften und technische Merkmale oftmals nur noch im Wechselspiel mit ihrer Umwelt verstanden werden können und im Rahmen des sozialen Kontexts, in den sie eingebunden sind. Der Interaktion mit dem Menschen kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, jedoch auch der Frage, wie sich die Einbettung robotischer Systeme auf einen bestimmten sozialen Kontext auswirken. [14]
Diese Definition geht über ein streng technisches Verständnis von Robotern hinaus, das sich über die vergangenen Jahrzehnte permanent gewandelt und dem Stand der Technik angepasst hat. In den 1980er-Jahren, als Roboter eine weite Verbreitung in industriellen Fertigungsprozessen erfuhren, wurden diese als technische Systeme verstanden, die eine „intelligente“ Verbindung zwischen Wahrnehmung und Handlung herstellen [1]. Die Wahrnehmung übernehmen Sensoren, die anhand verschiedener Parameter den Zustand des Roboters und dessen Umgebung auswerten, während die Handlung mittels Fortbewegung oder Manipulation (durch Greifer, künstliche Hände, Arme etc.) erfolgt. Die Verbindung stellen meist integrierte Hardware oder Softwarekomponenten her, die eine Programmierung, Planung und Steuerung von Bewegungsabläufen ermöglichen. Hierbei kommen verschiedene, oft modellbasierte Verfahren und Algorithmen zum Einsatz, die abstrakte Arbeitsaufgaben in konkret ausführbare Bewegungsabläufe übersetzen [1]. Traditionell erfolgt in diesem Prozess keine Interaktion mit dem Menschen.
Vor allem im Rahmen der Industrie-4.0-Initiative konzentriert sich die Forschung zunehmend auf den Einsatz von Robotern als autonome Assistenzsysteme in menschzentrierten Umgebungen. Das bedeutet, dass der Mensch nun auch während des Arbeitsablaufs mit dem Roboter interagieren können soll. Hierbei müssen andere Anforderungen berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Sicherheit und Anpassungsfähigkeit solcher Systeme gegenüber menschlichen Interaktionspartnern.
Geschichte
Der Ursprung des Worts „Roboter“ ist eigentlich kein wissenschaftlicher: Der Begriff entstammt einem Drama von Karel Čapek mit dem Titel Rossumovi Univerzální Roboti (auf Deutsch erschienen als R.U.R. – Rossum’s Universal Robots). Die historischen Wurzeln der Robotik können jedoch weiter zurückverfolgt werden und sind eng an die Entwicklung von automatischen bzw. automatisierenden Systemen geknüpft. Manche dieser frühen „automata“ werden heutzutage als große zivilisatorische Errungenschaften gefeiert, darunter Herons Tempeltüren von Alexandria, Su Song’s Wasseruhr und die vielen Entwürfe Leonardo da Vincis.
Die ersten Schritte der Robotik als Wissenschaft waren Mitte des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen, als Forscher*innen mit künstlicher Intelligenz und Kybernetik eine Verbindung von menschlicher und maschineller Intelligenz herstellen wollten. Die ersten anwendungsreifen Roboter fanden in den 1960er-Jahren Verbreitung in Form von sogenannten Master-Slave Systemen, die die menschliche Armmotorik kopieren konnten unter der Verwendung numerischer Steuerungsmaschinen und ohne integrierten Microcomputer. Gegen Ende der 1970er-Jahre fanden dann zusehends computergesteuerte Systeme in der Industrie Anwendung, mit dem Zweck der Automatisierung industrieller Produktionsprozesse. [1]
Eine wissenschaftlich anerkannte „Robotercommunity“ existiert formell seit 1982, als das erste Robotikjournal ins Leben gerufen wurde: Das International Journal of Robotics Research (IJRR). Weitere Meilensteine in der Institutionalisierung der Robotik waren die Gründung der IEEE International Conference on Robotics and Automation (ICRA) im Jahre 1985 und der IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems (IROS) im Jahre 1988, die bis heute stattfinden und Dreh- und Angelpunkt der Robotikforschung sind.
Seit der Jahrtausendwende zeichnet sich der Trend ab, neben strukturierten Umgebungen (wie beispielsweise umzäunte Werkbänke in industriellen Fertigungsprozessen) auch weniger strukturierte bis unstrukturierte Umgebungen zu beforschen. In diesen sollen auch regelmäßige Interaktionen mit dem Menschen gefahrlos möglich sein. Möglich wurde diese neue physische Nähe von Roboter und Mensch durch neuartige Regelungsansätze, die eine höhere Sicherheit für Interaktionen mit Menschen gewährleisten können [9]. Neue Teildisziplinen der Robotik, wie Human-Centered-Robotics (HCR) stehen exemplarisch für diesen Trend. Diese neue Ausrichtung mündete in die Miteinbeziehung einiger weiterer Disziplinen und Forschungsfelder in die robotische Forschungsarbeit, unter anderem der Biomechanik, der Haptik, des Maschinellen Lernens, der Sozial- und Humanwissenschaften, der Neurowissenschaften und der Chirurgie.
Anwendung und Beispiele
Viele sagen der Robotik für das 21. Jahrhundert eine prominente Rolle in der fortschreitenden Automation und Technifizierung weiter Bereiche unserer Gesellschaft voraus. Robotische Systeme sollen so in vielen Bereichen bestimmte Aufgaben übernehmen, in denen sie bisher nicht oder kaum berücksichtigt wurden. [8] Hierbei muss es sich nicht zwingend um anthropomorphe (d.h. menschenähnliche) Roboter handeln. Diese sogenannten Humanoiden bilden eher die Ausnahme und kommen in Forschungs- und Bildungseinrichtungen zum Einsatz oder in Bereichen, in denen man sich durch anthropomorphes Design eine höhere Akzeptanz verspricht. Hierbei sind beispielsweise der Emotionsroboter „Pepper“, der Humanoid „Nao“ [15], sowie der an der Technischen Universität München entwickelte Assistenzroboter „Garmi“ zu erwähnen. Im Gegensatz dazu hat der Emotionsroboter „Paro“ die Form einer Robbe und wird aktuell für die Fürsorge Pflegebedürftiger und Demenzkranker in Erwägung gezogen. [7]
Des Weiteren existiert eine Vielzahl robotischer Systeme für therapeutische Bereiche, darunter erste Exoskelette und (teil-)automatisierte Mobilisierungssysteme. Weitere Anwendungsgebiete sind:
- Logistik (in Form von fahrerlosen Transportfahrzeugen)
- Haus- und Heimarbeit (als Staubsauger, Rasenmäher oder Fensterputzgerät)
- Medizin (als Operationssysteme in der Chirurgie)
- Industrielle Fertigung
Kritik und Probleme
Manche kritischen Stimmen befürchten, dass eine weite Verbreitung robotischer Systeme eine weitgehende Rationalisierung menschlicher Arbeit mit sich bringen könnten (d. h. das Ersetzen menschlicher Arbeit aus ökonomischen Beweggründen). Auch befürchten viele, dass Roboter gerade dort als technische Lösungen vorgeschlagen werden, wo es eigentlich struktureller Veränderungen durch sozialpolitische Maßnahmen bedürfe. So stehen manche beispielsweise der Pflegerobotik mit Skepsis gegenüber, da diese als Lösung für den pflegerischen Fachkräftemangel angepriesen wird obwohl „keine marktreifen Pflegeroboter existieren und weder Gepflegte noch Pflegende Interesse an solcher Technologie artikulieren“ [4].
Hieran knüpft sich die Kritik, dass oftmals Robotiklösungen für Praxisbereiche beforscht werden, ohne diese wirklich in die Forschung miteinzubeziehen. Eine Beteiligung der betroffenen Stimmen (z.B. von Pflegerinnen und Pflegern im Falle der Pflegerobotik) erfolgt dann erst um die Forschung im Nachhinein zu validieren, jedoch nicht um aktiv mitzuwirken. In diesem Sinne wird auch oftmals bemängelt, dass robotische Anwendungen entwickelt werden, ohne zuvor einen expliziten Bedarf nach diesen Technologien festgestellt zu haben.
Darüber hinaus ergeben sich mit dem zunehmenden Einsatz von Robotersystemen und der wachsenden Mensch-Roboter-Interaktion (HRI) im persönlichen und beruflichen Alltag natürlich zahlreiche ethische Bedenken. Der erste Versuch, eine Reihe von „Gesetzen“ für die Robotik zu formulieren, wurde von Isaac Asimov [10] vorgestellt. Asimovs berühmte „drei Gesetze der Robotik“ sind die folgenden: 1. Ein Roboter darf einen Menschen nicht verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass ein Mensch verletzt wird. 2. Ein Roboter muss die Befehle befolgen, die ihm von Menschen gegeben werden, es sei denn, diese Befehle würden dem ersten Gesetz widersprechen. 3. Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange dieser Schutz nicht mit dem ersten oder zweiten Gesetz in Konflikt steht. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Ideen in einem fiktiven Werk eingeführt wurden und nun weithin kritisiert werden [11].
Weitere Themen, die in der ethischen Literatur über Robotik und HRI häufig diskutiert werden, sind: die Auswirkungen der Verdrängung von Menschen und des Personalabbaus in verschiedenen Arbeitsbereichen; die Fragen, ob Robotern ein moralischer oder rechtlicher Status zuerkannt werden kann oder sollte; das Problem, Robotern Verantwortung zuzuschreiben; die Aussicht auf moralisches Handeln von Robotern, einschließlich der Frage, ob Roboter Empathie zeigen, Beziehungen eingehen und die menschliche Privatsphäre respektieren können, und ob Robotersysteme dazu gebracht werden können, menschliche Vorurteile zu überwinden. Dies sind nur einige Beispiele für die vielen aktuellen Debatten [12][13].
Forschung
Das Projekt „Responsible Robotics (RRAI)“ am bidt befasst sich mit den sozialen, ethischen und rechtlichen Dimensionen neuartiger robotischer Systeme, während sie in der Praxis des Gesundheitswesens entwickelt und implementiert werden. Als konkrete Fallstudien dienen der Assistenzroboter „Garmi“ und die robotergestützte Telemedizin.
Das Projekt erarbeitet in interdisziplinärer Arbeit konkrete Standards und Empfehlungen für eine verantwortungsvolle Integration robotischer Systeme in die Arbeitspraxis und Ausbildung im Gesundheitswesen. Der Forschungsansatz basiert auf einem „Embedded Ethics“ Ansatz, bei dem ethische, soziale, rechtliche und politische Analysen integrale Bestandteile des Produktdesignprozesses sowie dessen Arbeitsplatzintegration darstellen [5]. Die Projektergebnisse werden mit Stakeholdern diskutiert, in Pilotprojekten erprobt und weiterverbreitet.
Das Projekt „Empowerment in der Produktion von morgen: Mixed Skill Factories und kollaborative Robotersysteme neu denken“ beschäftigt sich mit Robotern in der Fertigung: Ziel ist die Erarbeitung innovativer Konzepte für die Kollaboration zwischen Menschen und Robotern in Fabriken.
Weiterführende Links und Literatur
forschungsprojekt
Quellen
[1] B. Siciliano, O. Khatib, ‘Springer Handbook of Robotics’, Springer, 2016.
[2] Choset, Howie, et al. Principles of Robot Motion: Theory, Algorithms, and Implementations, MIT Press, 2005.
[3] Benjamin Lipp, Roboter in der Pflege als sozio-technisches Verschaltungsproblem. Theoretische Angebote der Technikforschung an die Pflege(wissenschaft) (01.04.2021), Beltz Juventa, 69469 Weinheim, ISSN: 1430-9653, 2019 #3, S.206.
[4] Jannis Hergesell, Arne Maibaum, Martin Meister, Genese und Folgen der Pflegerobotik. Die Konstitution eines interdisziplinären Forschungsfeldes. ISBN: 978-3-7799-3968-9, 2020.
[8] P. M. Leonardi, “Materiality, sociomateriality, and socio-technical systems: What do these terms mean? How are they different? Do we need them?” In: Materiality and organizing: Social interaction in a technological world, P. M. Leonardi, B. A. Nardi, and J. Kallinikos (Eds.). Oxford university press, 2012.
[10] Asimov, I. Runaround: A Short Story. Astounding Science Fiction (March 1942).
[11] Murphy, R. Woods, D. Beyond Asimov: the three laws of responsible robotics. IEEE intelligent systems 24, no. 4 (2009): 14-20.
[13] Gordon, J. Nyholm, S. Ethics of Artificial Intelligence. Internet Encyclopedia of Philosophy.
[14] Danaher, J. Automation and Utopia: Human Flourishing in a World without Work, Harvard University Press, 2019.