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Definition und Abgrenzung

Das geistige Eigentum umfasst verselbstständigte geistige Güter, die von der Rechtsordnung so umfassend geschützt werden, dass ihr Inhaber ihre Nutzung durch andere verhindern kann (es handelt sich um ein sogenanntes ausschließliches Recht) [1]. Dabei grenzt sich das geistige Eigentum vom Sacheigentum dadurch ab, dass die Schutzgüter des geistigen Eigentums in der Regel auch unabhängig von ihrer körperlichen Fixierung zu beliebiger Zeit und an beliebigen Orten genutzt werden können [2].

Der Begriff wird vor allem im internationalen Zusammenhang verwendet („Intellectual Property“, „Propriété Intellectuelle“), während in Deutschland der Begriff der Immaterialgüter gebräuchlicher ist. Auch wenn die Begriffe sich inhaltlich decken, wurde der Begriff der Immaterialgüter in Deutschland vor allem aus rechtsdogmatischen Gründen lange bevorzugt. Mittlerweile etabliert sich – vor allem im Kontext der Digitalisierung – aber auch hier der Begriff des geistigen Eigentums [3].

Das Gebiet des geistigen Eigentums zerfällt in zwei Unterbereiche. Auf der einen Seite steht das Urheberrecht, das persönlich geistige Schöpfungen schützt. Den anderen Unterbereich bildet der gewerbliche Rechtsschutz, der die immateriellen Güter von Gewebetreibenden schützt (z. B. Wortmarken oder technische Erfindungen) und wiederrum in die Rechtsgebiete des Patentrechts, des Markenrechts, des Designrechts, des Sortenschutzrechtes und andere speziellere Rechtsgebiete unterteilt werden kann [4].

Das geistige Eigentum ist ebenso wie Sacheigentum von Art. 14 GG geschützt. Darüber hinaus wird insbesondere im Urheberrecht die ideelle Verbindung des Schöpfers zu seinem Werk vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt [5].

Geschichte

Während in der Antike und im Mittelalter vor allem der Schutz der persönlichen Ehre des Autors durch verfälschende Kopien seiner Werke im Vordergrund stand, zum Beispiel durch die Verwendung sogenannter „Bücherflüche“, wurde das moderne Begriffsverständnis in der Neuzeit durch die Erfindung des Buchdruckes und die Ideen der Aufklärung geprägt.

Mit der Erfindung des Buchdruckes entstand erstmals die Möglichkeit einer fast unkontrollierten Vervielfältigung von Werken. Um die Informationsverbreitung überwachen zu können, aber auch um einen Investitionsschutz für die Buchdrucker zu ermöglichen, entwickelte sich in Europa das sogenannte Privilegienwesen, das die Erlaubnis zum Nachdruck von Büchern an die Verleihung von entsprechenden Privilegien knüpfte [6].

Der Begriff des geistigen Eigentums entwickelt sich später aus den Gedanken der Aufklärung und aus der Naturrechtslehre. Jeder Mensch sollte das Eigentum an allen von ihm geschaffenen Gütern erhalten, erst recht an immateriellen Gütern, da es sich hier um die „Früchte des eigenen Verstandes“ handelt [7]. Somit trat neben die vermögensrechtliche Säule des Schutzes von geistigem Eigentum auch eine ideelle Säule, die auch bis heute das geistige Eigentum kennzeichnet, beispielsweise in Form der sogenannten Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 ff. UrhG) [8].

Seit den ersten Kodifizierungen des Urheberrechts im 19. Jahrhundert wurde das Gebiet des geistigen Eigentums immer wieder reformiert und aktualisiert. Dabei wurde die Gesetzgebung sowohl von völkerrechtlichen Abkommen (zum Beispiel durch die World Intellectual Property Organization, WIPO) als auch von Vorgaben der Europäischen Union beeinflusst.

Anwendung und Beispiele

Mit der Aussage „das Urheberrecht ist die Wirtschaftsordnung des Internetzeitalters“ fasste die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 2012 die Bedeutung des Urheberrechts für die digitale Transformation zusammen [9]. Aber auch die andere Säule des geistigen Eigentums beeinflusst die Gebiete der Digitalisierung.

Das Urheberrecht spielt sowohl im Filesharing und im Streaming als auch bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zur Erstellung und Verbreitung von nutzergenerierten Inhalten eine wichtige Rolle. Die Verbreitung und Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte auf Plattformen wie YouTube führt immer wieder zu Diskussionen über die effiziente Durchsetzung von Urheberrechten in digitalen Märkten. Hierbei wird nun auch auf automatisierte Inhaltserkennungsmechanismen („Uploadfilter“) zurückgegriffen [10].

Das Markenrecht wiederum beeinflusst sowohl die Vergabe von Domains als auch das Search Engine Optimizing von Websites [11]. Ebenso beeinflusst es Aktivitäten auf Handelsplattformen wie eBay oder Review-Videos auf Plattformen wie YouTube [12].

Wenn es um die Entwicklung neuer Technologien und den Schutz von Investitionen geht, kommt das Patentrecht ins Spiel, während mit dem Halbleiterschutzrecht ein spezielles Instrumentarium zum Schutz von Computerchips zur Verfügung steht [13].

Kritik und Probleme​​

Gerade die Digitalisierung hat dazu geführt, dass der Schutz des geistigen Eigentums vor neue Herausforderungen gestellt wurde. Die ubiquitären Schutzgüter des geistigen Eigentums wiesen schon immer das Potenzial einer weltweiten Verbreitung und Nutzung auf. Durch die Digitalisierung und die „Grenzenlosigkeit“ des Internets hat sich dieses Potenzial nun in einem noch nie da gewesenen Umfang realisiert [14].

Im geistigen Eigentum gelten grundsätzlich das Territorialitätsprinzip sowie das Schutzlandprinzip. Dies bedeutet, dass der räumliche Anwendungsbereich der einzelnen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums auf das Hoheitsgebiet des regulierenden Staates begrenzt ist (Territorialität) und dass der Rechteinhaber seine Rechte in jeder Rechtsordnung einzeln verfolgt. Ein Urteil in den USA erstreckt sich grundsätzlich nicht auf strittige Fragen in Deutschland (Schutzland) [15]. Dieses Problem wurde zwar schon früh erkannt und es wurde versucht ihm durch internationale Abkommen zu begegnen (z. B. schon 1886 durch die Berner Übereinkunft), jedoch legen diese Verträge in der Regel nur ein gemeinsames Mindestschutzniveau fest, das sich im digitalen Zeitalter nicht immer als ausreichend erweist. Selbst in der Europäischen Union ist bisher noch keine abschließende gemeinsame Regulierung des geistigen Eigentums im Binnenmarkt erfolgt. Zwar ist die EU schon regulierend tätig geworden, hierbei bedient sie sich bisher allerdings nur an Richtlinien [16], die den Mitgliedsstaaten noch einen Spielraum bei der genauen Ausgestaltung der Regelungen überlassen (Art. 288 Abs. 3 AEUV).

Gleichzeitig hat die Digitalisierung die Diskussion über die Abwägung zwischen dem Schutz der Inhaber des geistigen Eigentums und dessen Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG, auch geistiges Eigentum verpflichtet) neu angefacht. So müssen auf der einen Seite eine angemessene Vergütung der Urheber und ein wirksamer Innovationsschutz sichergestellt werden, gleichzeitig aber auch das öffentliche Interesse an der Nutzung der Werke gewahrt werden. Diese Debatte hat durch Diskussionen über den Zugang zu Wissen im Internet, aber auch die „Remix Culture“ auf YouTube neue Brisanz gewonnen [17].

In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgebracht, ob der ideelle Ansatz des geistigen Eigentums im digitalen Zeitalter überhaupt noch seine Berechtigung hat. Gerade im Zuge der Massennutzung von Werken wird das geistige Eigentum immer mehr auf einen reinen Innovations- und Investitionsschutz reduziert [18].

Grundsätzlich schützt das geistige Eigentum nur Güter, die ausdrücklich vom Gesetz benannt und als Schutzgut anerkannt sind (sogenannter numerus clausus). Hier stellt sich bei jeder neuen Erfindung oder Innovation das Problem, wie diese neuen, immateriellen Wirtschaftsgüter in das bestehende System integriert werden können und ob sie als Schutzgegenstände anerkannt werden können [19].

Forschung

Am bidt wird sich im Rahmen des Projektes „Herausforderungen der Regulierung digitaler Kommunikationsplattformen“ mit urheberrechtlichen Fragestellungen im digitalen Bereich auseinandergesetzt. Insbesondere in Bezug auf die Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken zur Produktion von nutzergenerierten Inhalten.

Weiterführende Links und Literatur​​​​

Zur Differenzierung von geistigem Eigentum und Immaterialgüterrechten:

  • Götting, H.-P., Der Begriff des Geistigen Eigentums, GRUR 2006, S. 353 ff.

Zur Geschichte und Entwicklung des Urheberrechts:

  • Ann, C., Die idealistische Wurzel des Schutzes geistiger Leistungen, GRUR Int 2004, S. 597 ff.

Zu Anwendungsfeldern und Problemen des geistigen Eigentums im Internet:

Quellen

[1] Götting, H.-P., Der Begriff des Geistigen Eigentums, GRUR 2006, S. 353 ff.

[2] Pierson, M., Ahrens, T., Fischer, K., Recht des geistigen Eigentums, S. 40.

[3] Götting, H.-P., Der Begriff des Geistigen Eigentums, GRUR 2006, S. 353 ff.

[4] Pierson, M., Ahrens, T., Fischer, K., Recht des geistigen Eigentums, S. 39.

[5] Bryde, B.-O., Wallrabenstein, A. in: v. Münch/Kunig, GG Art. 14, Rn. 37.

[6] Ann, C., Die idealistische Wurzel des Schutzes geistiger Leistungen, GRUR Int 2004, S. 597 ff.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Leutheusser-Schnarrenberger, S., Urheberrecht – Kein Grund zum Kulturpessimismus – Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.05.2012.

[10] vgl. das Content-ID System von YouTube sowie den Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz.

[11] Hoeren, T., Skript Internetrecht, Stand Juli 2020, S. 317.

[12] Beispielhaft ist hierfür das Vorgehen von Lego gegen den YouTuber „Held der Steine“.

[13] Pierson, M., Ahrens, T., Fischer, K., Recht des geistigen Eigentums, S. 187 ff.

[14] a.a.O., S. 41 f.

[15] Hoeren, T., Skript Internetrecht, Stand Juli 2020, S. 565 ff.

[16] Zum Beispiel durch die InfoSoc-RL (Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft) oder durch die DSM-RL
(Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt.

[17] Xu, W., Ji, Y. P., Ji, Y. K., Han, W., Networked Cultural Diffusion and Creation on YouTube: An Analysis of YouTube Memes, 2016 Journal of Broadcasting & Electronic Media, 60:1, 104–122.

[18] Ann, C., Die idealistische Wurzel des Schutzes geistiger Leistungen, GRUR Int 2004, S. 597 ff.

[19] Pierson, M., Ahrens, T., Fischer, K., Recht des geistigen Eigentums, S. 41.