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Definition und Abgrenzung

Der vom Menschen verursachte Umwelt- und Klimawandel verändert unsere Erde in einem atemberaubenden Tempo. Rasante Siedlungsexpansion, die Abholzung von Wäldern, die Ausbreitung von Agrarökosystemen, der Abbau von Rohstoffen, aber auch die Veränderung von Land- und Wassertemperaturen und das Abschmelzen von Eisschilden und Gletschern sind nur einige der gesellschaftsrelevanten Dynamiken, die uns vor Herausforderungen stellen und viel mediale Aufmerksamkeit finden.

Vor diesem Hintergrund erlaubt es die – meist satellitengestützte – Erdbeobachtung, diese Prozesse zu erfassen, zu quantifizieren und auch visuell attraktiv zu visualisieren. Der Begriff Erdbeobachtung wird dabei oft synonym mit dem Begriff Fernerkundung verwendet. Er beschreibt das Erfassen von Informationen über die physikalischen, chemischen und biologischen Systeme der Erde. Dies geschieht meistens mithilfe von Satelliten-, aber auch vereinzelt flugzeuggestützten Sensoren. Vor allem die Vielzahl unterschiedlichster Satellitensensoren ermöglicht dabei eine kontinuierliche und großräumige Aufnahme der Erdoberfläche auch in Wellenlängenbereichen, die das menschliche Auge nicht erfassen kann. Dadurch erhalten wir einzigartige Daten und einen Blick auf unsere Erde, der dazu beiträgt, die Dynamiken der Erdsysteme zu erfassen, zu quantifizieren und zu verstehen. Satelliten mit teils täglichem Beobachtungsintervall nehmen bereits seit drei bis vier Jahrzehnten Daten auf, wodurch es unter anderem möglich ist, langjährige Trends abzuleiten (z. B. Temperaturdaten von Land und Ozeanen) und zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren.

Geschichte

Systematische Beobachtungen der Erdoberfläche reichen bis in das frühe 20. Jahrhundert zurück, als für militärische Zwecke Luftbilder aufgenommen wurden. Ab Mitte des Jahrhunderts kamen erste von Flugzeugen getragene Radarsysteme sowie Wettersatelliten zum Einsatz, gefolgt von dem ersten optischen Fernerkundungssatellit in den frühen 1970er Jahren. Seitdem hat sich die Zahl an öffentlichen und privaten Erdbeobachtungssatelliten kontinuierlich und mit rasantem Tempo erhöht, sodass in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Satelliten einen gigantischen Datenschatz aufgenommen hat, der ständig wächst. Parallel dazu sind die technischen Möglichkeiten der Sensoren mit jeder neuen Satellitengeneration verbessert worden, sodass die Erdoberfläche heutzutage im Zentimeterbereich und entlang weiter Teile des elektromagnetischen Spektrums erfasst werden kann. Durch eine Reihe öffentlicher Erdbeobachtungsmissionen (z. B. das europäische Copernicus-Programm) sowie die Öffnung von Datenarchiven steht eine enorme Menge an Erdbeobachtungsdaten zur Verfügung, deren volles Potenzial es auszuschöpfen gilt.

Anwendung und Beispiele

Da die Erdbeobachtung zeitlich und räumlich hochaufgelöste Daten bereitstellt, hat sich ein außerordentlich vielfältiges Anwendungsfeld entwickelt. Dies reicht von kleinskaligen, lokalen Analysen bis zu Datenverarbeitung auf globaler Ebene. Entlang der Zeitachse lassen uns Erdbeobachtungsdaten sowohl Dynamiken der letzten Jahrzehnte aufdecken, als auch Vorhersagen für die Zukunft treffen. Insbesondere die hohe Wiederholungsrate, in der die Erdoberfläche aufgenommen wird, hat zu einem Wandel von mono- oder bitemporalen Analysen zur Auswertung dichter Satellitenbildzeitreihen geführt.

Thematisch lassen sich breite Anwendungsbereiche wie Umwelt- und Naturschutz, Klima(-wandel)forschung, Katastrophenschutz, Wettervorhersagen und Sicherheit unterscheiden. Denn die Erdbeobachtung liefert quantitative Informationen über unsere Siedlungsräume, Agrar- und Forstökosysteme, die Wasserressourcen unserer Erde und ermöglicht auch die Analyse weit abgelegener Gegenden wie den Polarregionen.

Im Detail werden mithilfe der Erdbeobachtung Dynamiken in konkreten Systemen beobachtet. Beispielsweise ermöglichte die kontinuierliche Verfügbarkeit von Satellitendaten die Untersuchung von Waldschäden in mehreren Dürrejahren für das gesamte Bundesgebiet Deutschlands (Thonfeld et al. 2022). In der polaren Region der Antarktis hingegen ermöglicht radargestützte Erdbeobachtung unter anderem die automatische Extrahierung von Gletscherfronten, zum besseren Verständnis des Beitrags der Eisschilde zur Erhöhung des Meeresspiegels (Baumhoer et al. 2019).

Neben den Dynamiken der natürlichen Landoberfläche erlauben globale Satellitendaten die Detektion und Quantifizierung der menschlichen Präsenz auf unserem Planeten in Form eines globalen urbanen Fußabdrucks, der die Orte und die Verteilung menschlicher Siedlungen erfasst (Esch et al. 2017).

Kritik und Probleme

Ein Problem der rein satellitengestützten Erdbeobachtung ist die Validierung von Ergebnissen. Zur Überprüfung der Korrektheit von Beobachtungen sind dafür Komplementärdaten, die in situ gesammelt werden, notwendig. Nur dadurch können Fehlinterpretationen der Erdbeobachtungsdaten ausgeschlossen werden.

Kritik im Feld der Erdbeobachtung entsteht unter anderem hinsichtlich ethischer Werte. Insbesondere die stetig verbesserte Auflösung von Satellitenbildern wirft Fragen zu Privatsphäre, Transparenz, Fairness und Verantwortung in der Verwendung von Erdbeobachtungsdaten auf. Sensitivierung für Gebrauch und Missbrauch von Erdbeobachtung und die Entwicklung von Richtlinien für den angemessenen Umgang werden das Feld zukünftig beschäftigen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist durch den Einsatz sogenannter Miniatursatelliten gegeben. Hierbei werden anstelle eines großen Satelliten viele kleinere in die Umlaufbahn gegeben. Dadurch steigt die ohnehin hohe Dichte an zukünftigem Weltraummüll.

Forschung

Die enorme Anzahl an Anwendungsfeldern bringt eine ebenso hohe Zahl an Forschungsrichtungen hervor, in denen der Erdbeobachtung eine Schlüsselrolle zukommt. Insbesondere Fragestellungen auf globaler Ebene können mittlerweile aus und mit der Perspektive der satellitengestützten Erdbeobachtung beantwortet werden, um komplexe Dynamiken der Erdsysteme zu erklären. Damit einher geht die Forschung und Entwicklung von Rechenressourcen und Algorithmen, die eine Datenauswertung auf diesem Level überhaupt ermöglichen.

Im Rahmen des bidt-Projekts „ROOT“ werden nah-echtzeitliche Erdbeobachtungen des Waldes in Bayern analysiert, um Schäden am Waldbestand zu detektieren und nachhaltiges Waldmanagement zu unterstützen.

Quellen

Baumhoer, C. A. et al. (2019). Automated Extraction of Antarctic Glacier and Ice Shelf Fronts from Sentinel-1 Imagery Using Deep Learning. In: Remote Sensing 11 (21), 2529.

Esch, T. et al. (2017). Breaking new ground in mapping human settlements from space – The Global Urban Footprint. In: ISPRS Journal of Photogrammetry and Remote Sensing 134, 30–42.

Thonfeld, F. et al. (2022). A First Assessment of Canopy Cover Loss in Germany’s Forests after the 2018–2020 Drought Years. In: Remote Sens., 14, 562.