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Digitaler als gedacht? Die Altersgruppe 65+ im Internet

Die Altersgruppe 65+ nutzt das Internet fast genauso häufig wie andere Altersgruppen. Allerdings unterscheidet sich die Art der Internetnutzung im Detail. Dabei schätzen ältere Menschen ihre digitalen Kompetenzen deutlich geringer ein.


Deutschland befindet sich mitten in der digitalen Transformation, die vor allem auch durch die Coronapandemie an Geschwindigkeit gewonnen hat. Bemerkbar macht sich dies in allen Lebensbereichen, von der Arbeitswelt bis hin zum Privatleben. Davon betroffen sind somit Menschen jeder Altersgruppe. Doch insbesondere bei Menschen höheren Alters wird häufig von der „abgehängten“ Gruppe gesprochen. Die Daten des bidt-SZ-Digitalbarometers, einer groß angelegten, repräsentativen Befragung in Deutschland, zeigen zwar, dass knapp ein Drittel der befragten Personen aus der Altersgruppe 65+ das Internet tatsächlich nicht nutzt. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass rund 70 % aus dieser Altersgruppe Onliner sind. Zum Vergleich: In den jüngeren Altersgruppen sind im Grunde alle online.

Ein genauerer Blick auf die Onliner der Altersgruppe 65+ zeigt, dass fast 80 % das Internet mindestens beinahe täglich für private Zwecke verwenden. Wenig überraschend sind dies bei den Jüngeren mit 95 % noch einmal mehr. Die Intensivnutzerinnen und -nutzer beider Altersgruppen unterscheiden sich bei einer differenzierten Betrachtung der Häufigkeit der Internetnutzung nur wenig, wie die folgende Abbildung verdeutlicht.

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Allerdings fühlen sich ältere Menschen deutlich häufiger im Umgang mit digitalen Geräten oder dem Internet überfordert. So gibt ein Fünftel aus der Gruppe der Häufig-Nutzerinnen und -nutzer an, „sehr oft“ oder „oft“ überfordert zu sein, und fast die Hälfte ist es „manchmal“. Daher betrachten wir im Folgenden, wie genau diese Personengruppe das Internet nutzt, inwieweit sie dafür nützliche Kompetenzen mitbringt, und diskutieren, wie die digitale Teilhabe von älteren Menschen noch besser gelingen könnte. Im Vergleich betrachten wir dafür die Personengruppe der 65+ stets mit der jüngeren Altersgruppe der 14- bis 64-Jährigen, die das Internet ebenfalls „beinahe täglich“ oder häufiger nutzt.

Ältere Internetnutzerinnen und -nutzer sind, wie die Abbildung oben zeigt, ähnlich häufig im Internet wie jüngere. Allerdings verwenden sie das Internet anders. Während Jüngere das Internet vielfältig nutzen, um unter anderem Inhalte zu streamen oder in den sozialen Medien aktiv zu sein, verwenden Ältere das Internet eher, um nach Informationen zu suchen oder mittels E-Mail mit anderen zu kommunizieren. Sie erstellen, im Gegensatz zu den Jüngeren, weniger häufig digitale Inhalte oder teilen sie mit anderen. Ältere sind im Internet demnach eher passiv unterwegs, wohingegen jüngere eher aktiv daran partizipieren.

Digitale Kompetenzen im Vergleich

Digitale Kompetenzen sind als Kenntnisse und Fähigkeiten zu verstehen, die einer Person die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft ermöglichen (JISC 2014). Um digitale Kompetenzen messbar und vergleichbar zu machen, wurde der europäische Referenzrahmen DigComp für digitale Kompetenzen entwickelt (Europäische Kommission 2021). Ein darauf basierender Selbsteinschätzungstest ermöglicht es, anhand der fünf Kompetenzbereiche „Umgang mit Informationen und Daten“, „Kommunikation und Zusammenarbeit“, „Erzeugen von digitalen Inhalten“, „Sicherheit“ und „Probleme lösen“ die digitalen Kompetenzen zu erfassen. Dafür werden 82 Einzelaussagen abgefragt (Clifford et al. 2020). Da es sich um einen Selbsteinschätzungstest handelt, können die eigenen Fähigkeiten unter Umständen sowohl über- als auch unterschätzt werden (siehe auch Dunning-Kruger-Effekt beziehungsweise Hochstapler-Syndrom).

Das bidt-SZ-Digitalbarometer greift auf diesen Test zurück. Erste Ergebnisse zeigen, dass die selbst eingeschätzten Kompetenzen der Menschen in den fünf Bereichen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Dies ist gleichermaßen in allen Altersgruppen der Fall.

Die nachfolgenden Tabellen veranschaulichen die Verteilung der erreichten Punktzahl in den fünf Kompetenzbereichen für die Altersgruppe 65+. Zum einen sind die Anteile der Personen dargestellt, die jeweils in eine der vier Kompetenzstufen fallen: niedrig, grundlegend, mittel und fortgeschritten. Zum anderen verdeutlichen die Säulendiagramme rechts in der Tabelle, wie sich die Anteile über das gesamte Kompetenzspektrum (von 0 bis 100 Punkten) verteilen. Daran lässt sich zum Beispiel leicht erkennen, ob sich die Mehrzahl der Personen im höheren oder niedrigen Punktebereich wiederfindet.

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Etwa zwei Drittel der Älteren erlangen beim „Umgang mit Informationen und Daten“ mittlere Kompetenzwerte, ebenso im Bereich „Sicherheit“. Im Bereich „Probleme lösen“ erreichen allerdings mehr als die Hälfte der Personen höchstens ein grundlegendes Kompetenzniveau, beim „Erzeugen von digitalen Inhalten“ sind dies sogar drei Viertel. Den Fortgeschrittenen-Status, also 81 Punkte oder mehr, erreichen im Bereich „Informationen und Daten“ rund 9 %, in allen anderen Kompetenzbereichen sind die Anteile deutlich geringer.

Im Vergleich dazu fällt in allen fünf Kompetenzbereichen die Mehrheit der Altersgruppe der 14- bis 64-Jährigen in die mittlere Kompetenzstufe. Allerdings ist der Anteil derer, die im Bereich „Fortgeschritten“ eingeordnet werden können, deutlich größer als bei der Altersgruppe 65+. Besonders beim „Umgang mit Informationen und Daten“ sowie im Bereich „Kommunikation und Zusammenarbeit“ gibt es vergleichsweise viele Fortgeschrittene. Hingegen erreicht in den Bereichen „Probleme lösen“ und „Erzeugen von digitalen Inhalten“ ein nicht unwesentlicher Teil nur ein grundlegendes Kompetenzniveau.

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Abschließend wollen wir exemplarisch betrachten, welche Fähigkeiten konkret den zusammengefassten Kompetenzen zugrunde liegen. Ein Viertel aus der Altersgruppe 65+ gibt an, nicht oder nur mithilfe Dritter in der Lage zu sein, E-Mails mit betrügerischen Absichten zu erkennen. Auch geben 16 % an, keine oder nur wenig Kenntnisse darüber zu haben, dass im Internet manche Informationen falsch sind. Die Unterscheidung von beworbenen und nicht beworbenen Inhalten ist für 30 % der älteren täglichen Internetnutzerinnen und -nutzer nicht beziehungsweise nur mit Hilfe möglich. Mögliche Risiken im Internet werden also von einem Teil der älteren Menschen nicht ausreichend erkannt, obwohl sie ihnen täglich begegnen.

Bedarfsgerechte Möglichkeiten zur Kompetenzverbesserung

Es müssen also bedarfsgerechte Möglichkeiten zur Verbesserung der für ältere Personen relevanten digitalen Fähigkeiten geschaffen werden. Denn nicht jede digitale Fähigkeit ist für jede Nutzerin und für jeden Nutzer von Belang. Außerdem muss den Lernenden ersichtlich werden, wofür das zu lernende Wissen nützlich sein kann. Besonders wichtig sind aus diesem Grund bedarfsgerechte niedrigschwellige Angebote, die die spezifischen Bedürfnisse, Vorbehalte und Lebensumstände der Altersgruppe 65+ berücksichtigen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Annahme der angebotenen Hilfe ist, dass sie auf Augenhöhe und in einem möglichst persönlichen Format stattfindet. Wie sich im bidt-SZ-Digitalbarometer zeigt, spielt das informelle Lernen eine wesentlich größere Rolle als formale Angebote. So haben ältere Personen aus der Gruppe 65+ ihre digitalen Fähigkeiten im letzten Jahr zum Großteil mithilfe ihnen nahestehender Menschen verbessert. Hier bieten sich unter anderem Peer-to-Peer-Ansätze an, bei denen älteren Menschen von Gleichaltrigen mit höheren digitalen Kompetenzen lernen können. Lernangebote ausschließlich im Internet sind als alleinige Maßnahme für diese Altersgruppe vermutlich nicht zielführend. Die lokalen Anlaufstellen des Digital-Kompasses sind gute Beispiele.

Den Schritt ins Digitale haben die Älteren längst gemacht. In weiteren Schritten sollten nun über passende Angebote die digitalen Kompetenzen vertieft und das digitale Urteilsvermögen gestärkt werden. Lernangebote für Ältere sollten sich mit alltagsnahen, praxisorientierten Themen befassen, das Vertrauen der Lernenden in ihre eigenen Fähigkeiten stärken und ein lebenslanges Lernen fördern.

Die vom bidt veröffentlichten Blogbeiträge geben die Ansichten der Autorinnen und Autoren wieder; sie spiegeln nicht die Haltung des Instituts als Ganzes wider.