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Digitalisierungsstrategien bundesdeutscher Länder

Katharina Brunner bidt
Andreas Jager bidt
Prof. Dr. Thomas Hess Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Ursula Münch Akademie für Politische Bildung Tutzing

Wie kann die Politik die digitale Transformation gestalten? Die Studie des bidt zeichnet die Strategieentwicklung auf Länderebene nach und untersucht, wie festgelegte Maßnahmen gesteuert und umgesetzt werden können.

Das Wichtigste in Kürze

Die Gestaltung der digitalen Transformation stellt die Politik vor große Herausforderungen. Als vielseitiges Querschnittsthema durchdringt sie alle Politikfelder und lässt sich nicht reibungslos in die bestehenden politischen und administrativen Strukturen einordnen. Als Antwort auf diese Gestaltungsaufgabe haben sich seit 2015 zunächst im Bund und nach und nach auch in den Ländern Digitalisierungsstrategien als Governance-Instrumente etabliert.

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Die vorliegende Studie untersucht, wie die digitale Transformation politisch gestaltet werden kann. Im Zentrum stehen die veröffentlichten ressort- und themenübergreifenden Digitalisierungsstrategien der bundesdeutschen Länder.

Die betrachteten Fallstudien zeigen hinsichtlich der Entstehung von Digitalisierungsstrategien wesentliche Gemeinsamkeiten:

Ressortübergreifende Kollaboration mit zentraler Koordinierungseinheit

Die in der Privatwirtschaft in den letzten Jahren etablierte Rolle des Chief Digital Officers (CDO) hält mittlerweile auch Einzug in den öffentlichen Sektor. Diese Funktion ergänzt damit die in der Politik seit vielen Jahren etablierte Rolle des Chief Information Officers (CIO), der lediglich für den technischen Teilbereich der Digitalisierung zuständig ist, um eine notwendige übergreifende Perspektive auf digitale Transformationsprozesse.

Ein wesentlicher Fokus der Strategieentwicklung liegt darauf, die übergeordneten strategischen Ziele und die zu deren Umsetzung notwendigen Maßnahmen jenseits üblicher Hierarchien und Ressortverantwortlichkeiten zu erarbeiten. Dabei soll zudem sichergestellt werden, dass das in den Ministerien vorhandene Fachwissen bei der Strategieentwicklung berücksichtigt wird. Nicht übersehen werden darf dabei, dass die Einbindung von Personal aus verschiedenen Ministerien eine gesteigerte Identifikation der jeweiligen Behörden mit den Zielen und Maßnahmen erzeugt. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die nachfolgende Phase der Implementierung aus. Sondern es verbessert auch die Möglichkeit, dass ergänzende Fachstrategien in Einklang mit der Digitalisierungsstrategie erarbeitet und umgesetzt werden.

Integration von externer Expertise

Neben der Einbindung unterschiedlicher Perspektiven aus der politischen Sphäre ist auch die Integration externen Fachwissens eine wichtige Komponente im Entstehungsprozess von Digitalisierungsstrategien. So ließen mehrere Länder über analoge und digitale Konsultationsverfahren zusätzliche Meinungsbilder und Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in den Strategiebildungsprozess einfließen.

Auf diese Weise konnten wertvolle Einsichten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen generiert werden. Die Anzahl und Diversität der einbezogenen Sichtweisen sind zudem ein Anhaltspunkt dafür, wie ernst Digitalisierung seitens der Politik als komplexes und vielfältiges Querschnittsthema genommen wird.

Verankerung auf höchster politischer Führungsebene

Darüber hinaus ist das politische Commitment auf der obersten politischen Führungsebene ein wesentlicher Faktor für die Verbindlichkeit und politische Strahlkraft der Strategie. Digitalisierungsstrategien sind zumeist als Vorhaben in den Regierungsprogrammen festgeschrieben und haben allein dadurch hohes politisches Gewicht. Nach ihrer Erstellung werden die Papiere im Kabinett beschlossen und können als politische Absichtserklärungen bzw. Selbstverpflichtungen der jeweiligen Regierungen aufgefasst werden, was ihren Stellenwert zusätzlich unterstreicht.

Klare institutionelle Verantwortlichkeiten

Bei der Implementierung von Digitalisierungsstrategien rückt die Frage in den Vordergrund, welche institutionellen und prozessualen Strukturen dazu beitragen, dass die formulierten übergeordneten Ziele und darauf ausgerichtete Maßnahmen im Sinne der Strategie umgesetzt werden.

Zentrale Bedeutung hat die institutionelle Verankerung: In den meisten Ländern liegt diese bei einem Digitalressort, das an ein bestehendes Ministerium angegliedert ist. Zusätzlich stimmen sich Regierungen häufig in Digitalkabinetten bzw. Kabinettsausschüssen für Digitalisierung auf oberster Ebene ab. Eigenständige Digitalministerien stellen in den deutschen Ländern bislang noch Ausnahmen dar. Vorherrschend ist eine dezentrale Verteilung von Kompetenzen auf einzelne Fachressorts mit einem vorrangig zuständigen Ministerium (zumeist Wirtschaftsministerium oder Staatskanzlei).

Entscheidender als die institutionelle Zuordnung per se sind klare, nach außen sichtbare Verantwortlichkeiten. Koordinierungsstellen brauchen die nötige politische Entscheidungsmacht, um digitalpolitische Interessen – auch gegen etwaige Widerstände anderer Ressorts – durchsetzen zu können. Dabei können eigene Digitalisierungshaushalte digitalpolitische Entscheidungskompetenz stärken.

Monitoring bestehender und geplanter Digitalisierungsprojekte

Zur gezielten Steuerung der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen ist ein Überblick über bestehende und geplante Digitalisierungsprojekte notwendig. Nur auf diese Weise können mögliche Synergien und Schnittstellen identifiziert und Projekte in Einklang mit den strategischen Zielen effizient umgesetzt werden. Ein kontinuierliches Monitoring und danach ausgerichtete Abstimmungs- und Korrekturprozesse sind in den Ländern jedoch noch sehr unterentwickelt und beschränken sich meist auf Bewertungen, denen keine quantifizierbaren Messkriterien zugrunde liegen.

Digitalpolitisches Projektmanagement und finanzielle Anreize

Die Studienergebnisse machen deutlich, dass es weitreichender prozessualer Anpassungen bedarf, um das Projektmanagement im politisch-administrativen Bereich weiter auszubauen. Die Priorisierung von Maßnahmen über finanzielle Steuerungsarrangements in Kombination mit einem entsprechenden digitalpolitischen Projektmanagement kann ein wichtiger Schritt dafür sein. Dies ermöglicht kohärente Finanzierungsentscheidungen über Ressortgrenzen hinweg und eine abgestimmte und zielgerichtete Steuerung von Digitalisierungsvorhaben. Die dadurch geschaffene Kontroll- und Übersichtsfunktion kann somit als ein Kernstück zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategien in den Ländern aufgefasst werden.

Eine integrative Digitalisierungsstrategie braucht einen Unterbau aus Fachstrategien und Investitionsprogrammen. Ob eine Strategie als Klammer- und Leitdokument eine Orientierungsfunktion für weiterführende Überlegungen in Ministerien, Behörden oder Kommunen bietet, hängt davon ab, inwiefern sie Freiräume für subsidiäre funktionale und operative Teilstrategien lässt und im politisch-administrativen Bereich als handlungsleitend akzeptiert ist.