Sowohl der demografische als auch technologische Wandel (z. B. Industrie 4.0), tragen dazu bei, dass Unternehmen zunehmend qualifizierte Fachkräfte benötigen, um die komplexe und verdichtete Arbeit zu bewältigen. Diese können sowohl durch die Ausbildung neuer als auch durch die Weiterbildung vorhandener Fachkräfte gewonnen werden, damit diese weiterhin ihre Tätigkeitsanforderungen erfüllen können. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen umfassen dabei die Vermittlung von (Fach-)Wissen, Fähigkeiten sowie Einstellungen für einen bestimmten Beruf oder eine Tätigkeit [3].
Zunehmend werden auch vielfältige Aspekte der Aus- und Weiterbildung digitalisiert, von kleinen methodischen Interventionen (z. B. digitales Buch oder Arbeitsheft) bis hin zur vollständigen Digitalisierung von Lehr- oder Studiengängen (z. B. MOOCs, digitale Fernuniversitäten). Die Einbindung digitaler Ressourcen für das Lernen (eLearning) kann analoge Methoden ersetzen, ergänzen oder ganz neue Lern- und Lehrmöglichkeiten erschaffen. Zumeist werden hierfür weit verbreitete Technologien, wie PCs oder Smartphones eingesetzt, aber auch neuartigere Technologien, wie Mixed Reality, können für die berufliche Aus- und Weiterbildung herangezogen werden.
Die gemischte Realität – Mixed Reality (MR) – umfasst als Spektrum sowohl die Augmented Reality (AR) (erweiterte Realität), als auch die Virtual Reality (VR) (virtuelle Realität). Während AR sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die reale Umgebung des Nutzenden durch virtuelle Elemente, wie Text, Bilder oder 3D-Objekte, ergänzt wird, wird in VR die reale Umgebung weitestgehend durch eine virtuelle Umgebung ersetzt. Weitere Konzepte und Technologien, wie Extended Reality (XR), Spatial Computing oder virtuelle Welten überschneiden sich häufig mit diesem Spektrum.
Der Einsatz von MR für die Aus- und Weiterbildung kann sehr unterschiedlich gestaltet sein und hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Zum einen kann MR für Lernszenarien eingesetzt werden, die wegen des hohen Aufwands oder aufgrund von Gefahrenpotenzialen nicht analog umsetzbar sind. Ein solcher Anwendungsfall sind beispielsweise Sicherheitstrainings in VR, in denen Teilnehmende in VR in potenzielle Gefahrensituationen transportiert werden können, oder die Erweiterung der vorhandenen analogen Arbeitsumgebung durch z. B. weitere Maschinen in AR. Darüber hinaus können auch vorhandene Lehrmaterialien in MR übertragen und so beispielsweise die Arbeitsumgebung mit Instruktionen und Hinweisen ergänzt werden. Die Effektivität von MR wurde inzwischen in zahlreichen Studien untersucht, wobei zumeist ein mittlerer bis großer Effekt zugunsten von MR-Trainings gezeigt wurde [5], [4], [2]. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse sollte jedoch die Gestaltung und der Kontext des MR-Trainings berücksichtigt werden.
Die konkrete Gestaltung von Aus- und Weiterbildung mit MR hängt beispielsweise stark von der Art und dem Umfang der Lernaufgabe, den Lernenden und den vorhandenen Ressourcen ab. Auf der technischen Seite muss geklärt werden, ob AR oder VR sinnvoller eingesetzt werden kann, welche Art von Visualisierung (z. B. Head-mounted Display, Smartphone) und Interaktion (z. B. Controller, Gesten) verwendet werden, wie die Inhalte softwareseitig umgesetzt werden (z. B. Erstellung in Unity3D) und ob bestimmte Standards eingehalten werden sollten (z. B. ARLEM, P1589).
Darüber hinaus stellen sich wichtige Fragen bezüglich der Einbettung konkreter Lerninhalte in MR und der MR-unterstützten Lerneinheiten in ein größeres pädagogisches Gesamtkonzept [1]. Hierbei sollten auch weitere Aspekte wie das Vorwissen der Lernenden und deren Vorerfahrung mit und Offenheit für neue Technologien mit bedacht werden. Gerade beim Einsatz von Mixed Reality in Unternehmen gilt es zudem, arbeits(schutz)rechtliche Fragen zu klären und den Einführungsprozess gegebenenfalls durch ein strukturiertes Change-Management zu begleiten.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Die Nutzung von Mixed Reality ist eine neue Möglichkeit, die Aus- und Weiterbildung zu gestalten, beispielsweise, indem Lehrinhalte auf innovative Weise vermittelt werden. Darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig auch komplexe Umgebungen oder Sachverhalte aufzuzeigen. Nach der Aufbereitung der Lerninhalte kann die Durchführung von Aus- und Weiterbildung durch MR effizienter gestaltet werden als analoge Möglichkeiten, die gegebenenfalls einen höheren Organisations- und Personalaufwand mit sich bringen. Erste Übersichtsarbeiten zeigen zudem, dass der Einsatz von MR im Gegensatz zu analogen Trainings zu verbesserten Trainingsergebnissen führen kann (z. B. [5], [4], [2]). Zugleich ist noch nicht hinreichend erforscht, ob sich bekannte pädagogische Konzepte und lernpsychologische Prinzipien einfach auf MR übertragen lassen [6].
Gesellschaftliche Relevanz
Im Hinblick auf den demografischen Wandel, die Digitalisierung und die weiteren gesellschaftlichen Herausforderungen ist MR in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ein weiterer Aspekt, mit dem diesen Veränderungen begegnet werden kann. In und mit MR können innovative Lernumgebungen geschaffen und interaktives, praxisnahes Lernen gefördert werden. Sie kann zudem zur Chancengleichheit beitragen, da beispielsweise kostenintensive oder lokal nicht verfügbare Situationen in VR oder AR übertragen werden können.
Weiterführende Literatur
Quellen
- Bödding, R./Bentler, D./Maier, G. W. (2023) Augmented reality for constructivist learning at work: current perspectives and future applications. Gruppe Interaktion Organisation 54, 323–334.
- Bödding, R./Schriek, S./Maier, G. W. (submitted for publication, 2024). A Systematic Review and Meta-Analysis of Mixed Reality in Vocational Education and Training: Examining Behavioral, Cognitive, and Affective Training Outcomes and Possible Moderators.
- Eurostat (2021). Vocational Education and Training (VET).
- Howard, M. C./Gutworth, M. B./Jacobs, R. R. (2021). A meta-analysis of virtual reality training programs. In: Computers in Human Behavior 121, 106808.
- Kaplan, A. D. et al. (2021). The effects of virtual reality, augmented reality, and mixed reality as training enhancement methods: A meta-analysis. In: Human factors 63 (4), 706–726.
- Makransky, G./Petersen, G. B. (2021) The Cognitive Affective Model of Immersive Learning (CAMIL): a Theoretical Research-Based Model of Learning in Immersive Virtual Reality. In: Educational Psychology Review 33, 937–958.