Städte und Regionen stehen vor zwei Herausforderungen gleichzeitig: Digitalisierung und nachhaltige Transformation. Ein zentraler Ansatzpunkt für beide sind Regulierungs- und Verwaltungspraktiken.
Was haben Digitalisierung der Verwaltung und Nachhaltigkeit mit Raumplanung zu tun? Raumplanung schafft die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die räumliche Entwicklung des Landes, zum Beispiel für die Siedlungs-, Freiraum- und Infrastrukturplanung. Dabei werden konkrete Ziele und Grundsätze für bestimmte Gebiete festgelegt und vielfältige Nutzungsformen des Raumes aufeinander abgestimmt. Der nachhaltige und klimaangepasste Umbau von Infrastrukturen ist ohne eine Raumplanung nicht möglich. Die gesellschaftliche Anpassung an den Klimawandel macht es unabdinglich, Raum- und Stadtplanung anders zu denken. Neue Herausforderungen sind unter anderem die Anpassung von Städten und Gemeinden auf Hitzeereignisse, auf Hochwasser und der nachhaltige Umbau der Wärmeversorgung.
Auch bisher wurden Bedarfsprognosen und Umweltrisiken als Grundlage für die öffentliche Planung und Regulierung genutzt. Doch die Klimawandelszenarien führen nicht nur zu großen Unsicherheiten hinsichtlich künftiger Wetterextreme, auch die Bedarfsprognosen sollten keinen nicht nachhaltigen Status quo fortschreiben, der eigentlich überwunden werden soll. Daher ist es zum einen wichtig, mithilfe von Stadtmodellen und Klimasimulationen zu kalkulieren, andererseits ist auch ein tieferes Verständnis davon nötig, auf welchen Annahmen und Praktiken bisherige Planungsinstrumente aufbauen, die sich auf die Effektivität der Klimaanpassung auswirken können.
Nachhaltigkeitskriterien werden in Kommunen in vielen Fällen neben den üblichen finanziellen Kriterien ebenfalls für Entscheidungen berücksichtigt. Beim kommunalen Verkauf oder der Vergabe von Grundstücken wird in einigen Kommunen beispielsweise nicht grundsätzlich das höchste Angebot angenommen, sondern das, welches gewünschte soziale Ziele verfolgt. Mithilfe der Digitalisierung lassen sich solche Bewertungspraktiken nun vereinfachen und beschleunigen. Während soziale und ökologische Ziele für Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse in Städten nicht neu sind, wird bisher kaum überprüft, wie effektiv eine Regulierung oder Verwaltungsentscheidung war und welche sozialen und ökologischen Auswirkungen diese hatten, da die entsprechenden Datengrundlagen und Rechenkapazitäten bislang nicht in ausreichendem Maße verfügbar waren. So konnte sich auch kein Bewusstsein für die Möglichkeiten evidenzbasierter Politik entwickeln. Initiativen wie die gemeinnützige Coleridge-Initiative in den USA stärken nun dieses Bewusstsein durch eine stärkere Vernetzung und Datenintegration zwischen öffentlichen Stellen und fördern die Data Literacy in Verwaltungen.
Wie sich Städte entwickeln, hängt stark von den Zielen, Prinzipien, Handlungsspielräumen und Praktiken der Planung ab. Um diese besser analysieren und verstehen zu können, bedarf es digitalisierter, strukturierter und verknüpfter Verwaltungsdokumente. Durch die vereinfachte Identifizierung von Dokumenttypen und Informationen und die Automatisierung des Lesens unstrukturierter Textdaten können fragmentierte und nicht maschinenlesbare Dokumente der Raumplanung schneller zugänglich gemacht werden. Andererseits ermöglichen Vernetzung und Datenintegration sowie neue Möglichkeiten zur Erzeugung und Verarbeitung großer Datenmengen Vergleiche und Bewertungen von Raumplanungsansätzen. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass damit Verwaltungsentscheidungen auch für Bürgerinnen und Bürger zugänglicher und nachvollziehbarer werden. Die sozialen und ökologischen Ziele werden transparent und die Zielerreichung kann besser bewertet werden. Digitale Nachhaltigkeit bietet für die Anpassung an den Klimawandel großes Potenzial. Der Umgang mit Klimarisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen kann durch digitalisierte Verwaltungsdokumente, harmonisierte technische Standards, AI-basierte Raumnutzungsprognosen und interkommunale Datenplattformen für Planungsinformationen verbessert werden. Dadurch könnten Silos zwischen Sektoren und Verwaltungsbereichen aufgebrochen und damit Abstimmungsprozesse für die nachhaltige Transformation beschleunigt werden. Digitale Zwillinge schaffen 3D-Abbilder von Städten und Regionen, die die Simulation verschiedener Zukunftsszenarien in einem Gebiet ermöglichen. In Kombination mit den digitalen Zwillingen lässt sich nachvollziehen, welche Regulierungen zu den gewünschten Ergebnissen führen könnten und damit die Wirksamkeit angesichts bestimmter Klimarisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen prognostizieren. Als Effekt kann für die Klimamodellierung auch berücksichtigt werden, wie verschiedene Regulierungsszenarien die Raumnutzung und damit Auswirkungen des Klimawandels beeinflussen.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Diese Neunutzung von Verwaltungsdaten kann man sich wie 3D-Skulpturen aus scheinbar zufällig angeordneten Objekten vorstellen, die aus einer bestimmten Beobachterposition das Bild einer Figur erzeugen. Dies wird als Anarmorphose bezeichnet. So findet sich beispielsweise der räumlich spezifische ökologische Fußabdruck einer Stadt in den Verwaltungsdaten wieder. Der ökologische Fußabdruck ist ein Indikator, der Ressourcenverbräuche messbar macht und damit eine Grundlage für Nachhaltigkeitsziele und Strategien darstellt. Jedoch müssen für eine solche Nachhaltigkeitsbewertung bestehende Register neu verknüpft und strukturiert werden, um diese sichtbar zu machen. Um den Energieverbrauch pro Person in verschiedenen Nachbarschaften vergleichen zu können, müssen beispielsweise die Energieverbrauchsdaten von Stadtwerken erst auf ein räumliches Raster gelegt werden.
Gesellschaftliche Relevanz
Verwaltungshandlungen wie die Erteilung von Baugenehmigungen sind Aktivitäten, die eine Datenspur in riesigen Daten- und Dokumentenarchitekturen hinterlassen. Ihre Konzeption und der Aufbau ist für Staaten und Städte ein teilweise historischer Kraftakt. Sie sind manchmal vor Jahrhunderten zu einem bestimmten Anlass entworfen worden und damit auf bestimmte Funktionen ausgerichtet, die sich nur langsam ändern können. Dafür sind diese Infrastrukturen jedoch langlebig und registrieren konsequent Verwaltungsprozesse, Entscheidungen und die beteiligten Objekte und Akteure. Register sind damit die Wahrnehmung von Organisationen. Wer Verwaltungsdaten für neue Erkenntnisse auswerten möchte, muss sie teilweise neu verarbeiten, strukturieren, formatieren und anordnen.
Bis zu diesem Punkt müssen technische, administrative und rechtliche Fragen geklärt werden, die mit der Digitalisierung und neuen Auswertungsmöglichkeiten einhergehen. Leuchtturmprojekte wie New Hanse haben sich damit beschäftigt, wie Datengovernance derart gestaltet werden kann, dass Daten, die in der Stadt entstehen und gesammelt werden, für die Stadtgesellschaft genutzt werden können. In einem Ideenwettbewerb wurden dort exklusive Mobilitätsdaten zur Verfügung gestellt, um neue nutzbare Erkenntnisse über Radverkehr und Mikromobilität zu gewinnen. Die Digitalisierung bietet viel Potenzial für eine nachhaltige Transformation, gleichzeitig sollte Digitalisierung selbst sozial und ökologisch nachhaltig umgesetzt werden, beispielsweise ist auf Datensparsamkeit zu achten. Die Anwendung von generativer künstlicher Intelligenz (KI) und komplizierten Simulationen muss aufgrund des hohen Energieverbrauchs gerechtfertigt sein. Das Bestreben, diese beiden gesellschaftlichen Umbrüche integriert zu gestalten, wird als doppelte Transformation bezeichnet. Die Verbindungen zwischen Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind also vielfältig: Nachhaltigkeit von Digitalisierungsprozessen steht neben der (teil)automatisierten Registrierung, Messung und Bewertung von Prozessen mit Nachhaltigkeitsdaten und der effektiven Durchsetzung von Nachhaltigkeitspraktiken durch Daten.