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Im Porträt: Sabine Pfeiffer

Dass die digitale Transformation Auswirkungen auf die Arbeitswelt hat, ist klar. Welche Auswirkungen genau, das erforscht Soziologin Sabine Pfeiffer. Seit Februar bringt sie ihre Expertise auch beim Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) ein.

© Jessica Lederer

Dort unterstützt sie das Direktorium und soll ihre soziologische Perspektive in die Forschungsprojekte einbringen. Daneben lehrt und forscht sie zum Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Als einzige Frau im Ausbildungsbetrieb

Dass die 1966 geborene Pfeiffer eine akademische Karriere machen würde, war zunächst nicht absehbar. Sie besuchte zwar ein Gymnasium, beschloss aber in der 11. Klasse abzubrechen und lieber eine Ausbildung zu machen. „Ich fand das superspannend und das galt damals als sehr zukunftsträchtig“, sagt Pfeiffer. Ihre Familie und Freunde waren von der Idee nicht begeistert. Davon habe sie sich aber nur bestärkt gefühlt. „Ich war in dem Alter, wo man trotzig ist und sich denkt: jetzt erst recht“, erinnert sie sich.

Pfeiffer blieb dabei und ergatterte 1983 in Zeiten von hoher Jugendarbeitslosigkeit einen Ausbildungsplatz als Werkzeugmacherin. „Für mich war klar, es muss ein industrieller Metallberuf sein, weil da die Zukunft liegt“, so Pfeiffer. In dieser Zeit kamen CNC-Maschinen, also computergesteuerte Maschinen, auf. Sie sei in ihrem Ausbildungsbetrieb die erste und einzige Frau gewesen. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie unter anderem im Bereich technischer Support und Training für CNC-gesteuerte Werkzeug- und 3D-Meßmaschinen. 1992 beschloss sie, nebenberuflich ihr Fachabitur nachzuholen. „Ich wollte mein Abi nachholen, um mir zu beweisen, dass ich das drauf habe“, sagt Pfeiffer.

„Ich hatte ursprünglich nicht vor, dass Soziologie mein Beruf wird.“

Mit ihrem frischen Abi begann sie, Produktionstechnik zu studieren, doch das entsprach nicht ihren Erwartungen. „Ich war völlig enttäuscht von der Praxisferne des Studiums“, sagt Pfeiffer. Es sei veraltete, in der Praxis längst überholte, Technik unterrichtet worden. Sie entschied, den Studiengang zu wechseln und es mit Soziologie zu versuchen. Zu Beginn wollte sie ihr sozialwissenschaftliches Wissen aus dem Studium in der Praxis mit Industrie und Technik verknüpfen.

„Ich hatte ursprünglich nicht vor, dass Soziologie mein Beruf wird“, sagt Pfeiffer. Doch sie promovierte und landete in der Wissenschaft. Zehn Jahre forschte sie am Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in München. Dann ergatterte sie 2010 ihre erste Professur an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Dem folgte eine Professur an der Universität Hohenheim, bevor sie ihre aktuelle Professur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erhielt. Dort lehrt und forscht sie momentan viel zum Thema Künstliche Intelligenz (KI).

Eigentlich beschäftige ich mich immer schon mit dem technischen Wandel von Arbeit. Das hat auch nie aufgehört, nur dass der technische Wandel immer wieder andere Gesichter bekommt.

Prof. Dr. Sabine Pfeiffer Zum Profil

Momentan setzt sie sich unter anderem mit New Work und Berufsbildung auseinander. In einem Robotik-Labor an der Universität führt sie Workshops mit Arbeitnehmern durch, die dort verschiedene Arten von Robotern kennenlernen. Die Teilnehmer erkennen dort, dass viel Arbeit investiert werden muss, bevor Technik am Arbeitsplatz einsetzbar ist. „Es ist nicht so, dass man die Roboter auspackt und sie einem dann den Arbeitsplatz wegnehmen“, sagt Pfeiffer. Darüber hinaus sollen die Teilnehmer ermutigt werden, zu reflektieren, wo sie sich selbst digitale Hilfe am Arbeitsplatz wünschen und dass dann auch in ihre jeweiligen Betriebe miteinbringen.

KI ist kein Allheilmittel

Pfeiffer sieht große Chancen im Einsatz von KI am Arbeitsplatz. Sie könnte in der Pflege bürokratische Aufgaben bewältigen. Dort sei der Dokumentationsaufwand in den letzten Jahren explodiert und belaste das Personal. „Für die meisten Menschen, die in der Pflege arbeiten, ist es erfüllender, sich um die Menschen zu kümmern, als ganz viel Bürokratie zu erledigen“, sagt Pfeiffer. Aktuell drehe sich der Diskurs aber eher um Pflegeroboter – an die glaubt Pfeiffer wiederum nicht. „Man kann mit Robotik unglaubliche Dinge tun, aber solange ich keinen Roboter sehe, der unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Settings den Thrombose-Strumpf anziehen kann, haben wir keinen Pflegeroboter.“

Für Pfeiffer ist KI nicht die Lösung aller Probleme. Auch bei vermeintlich einfachen Tätigkeiten laufe nicht alles nach einem festen Schema ab und Angestellte müssten häufig improvisieren. Das könne KI nicht leisten. „Es gibt teilweise naive Vorstellungen davon, wie mächtig Technik ist“, sagt Pfeiffer. Eine sehr gut trainierte KI könne mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent die richtigen Prognosen machen, aber eben nie zu 100 Prozent. Gerade wenn es um Infrastruktur oder Medizin geht, könne das gefährlich werden. Wenn man diese Risiken kennt, könne man damit umgehen und die Technik produktiv nutzen. „Das größte Problem aus meiner Sicht ist im Moment, dass man die Probleme ein bisschen zur Seite schiebt, weil man die gerade nicht hören will“, sagt Pfeiffer. Außerdem seien autonome Systeme nicht für alle Anwendungsbereiche und Probleme die richtige Lösung. „Im Moment versucht man aber irgendwie alles damit zu lösen, weil es gerade hipp ist“, so Pfeiffer.

Kurzinterview

Welche Innovation wünschen Sie sich?

Die Innovation, die ich mir wünschen würde, ist eigentlich schon da: Das Internet of Me (IoM). User Centric Software, die den Nutzenden echte Ownership gibt und den Austausch zwischen Endgeräten ganz ohne Serverstrukturen dazwischen ermöglicht. Lokal, sicher, redundant, nicht proprietär.

Wer aus der Digitalszene hat Sie beeindruckt?

Mich beeindrucken nicht die üblichen Verdächtigen mit ihren VC-getriebenen Geschäftsmodellen aus dem Silicon Valley. Eine meiner beeindruckendsten Begegnungen war Knut Starringer. Eigentlich ein bayerischer Handwerksmeister wie aus dem Bilderbuch, der tatsächlich traditionelle Lederhosen herstellt. Mit seiner Tochter gemeinsam hat das kleine 10-Personen-Unternehmen smarte Pflegekleidung entwickelt, mit der anhand der Bewegung automatisch die Dokumentation vorbereitet wird. Also hoch innovativ. Und sehr ethisch. Denn er hat allen VC-Versuchungen widerstanden, die alle an die Daten wollten. Seine Maxime aber ist: Die Datenhoheit muss bei der Pflegekraft bleiben.

Als Digitalminister:in würde ich…

…die (nicht nur) netzpolitisch bewegte Zivilgesellschaft systematisch in Beratungs- und Entscheidungsprozesse mit einbeziehen.

Dieses von Janina Gerhardt-Riemer verfasste Porträt von Sabine Pfeiffer ist zuerst im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI vom 12. April 2023 erschienen. Wir bedanken uns bei der Redaktion, dass wir das für den Tagesspiegel Background erstellte Porträt auf unserer Website der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen können.