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Digitale Kompetenzen und kritische Urteilsfähigkeit in Zeiten künstlicher Intelligenz fördern

Um digitale Klüfte in Europa zu verringern und eine kritische Urteilsfähigkeit zu fördern, müssen digitale Kompetenzen in der Breite der EU-Bevölkerung gestärkt werden. Das war das Fazit einer bidt-Veranstaltung am 12. März 2024 in Kooperation mit der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU. Im Rahmen der Abendveranstaltung „Mehr Digitalkompetenz für Europa in Zeiten von generativer KI“ präsentierte das bidt dem anwesenden Fachpublikum zentrale Ergebnisse des „bidt-Digitalbarometer.international“. In der anschließenden Paneldiskussion diskutierten Expertinnen und Experten aus Politik und Forschung über mögliche Lösungen zur Steigerung digitaler Kompetenzen sowie die Verantwortung hierfür.

Das bidt in Brüssel

Welche Kompetenzen sind nötig, um eine digitale Teilhabe der EU-Bevölkerung zu sichern, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit generativer KI? Wer ist für die Stärkung von digitalen Kompetenzen zuständig? Mit diesen Aspekten befassten sich Expertinnen und Experten im Rahmen der Fachveranstaltung am 12. März 2024 in den Räumlichkeiten der Bayerischen Vertretung in Brüssel.

In einer Podiumsdiskussion wurden Lösungsansätze zu diesen zentralen Fragen näher beleuchtet. Auf dem Podium vertreten waren Martin Ulbrich, Policy Officer DG Connect der EU-Kommission, Dr. Riina Vuorikari, Mitglied im Advisory Board von ALL DIGITAL, Professor Dr. Alexander Pretschner, Vorsitzender des bidt Direktoriums und Dr. Roland A. Stürz, Leiter des bidt Think Tank. Moderiert wurde das Panel von Katrin-Cécile Ziegler, Digitalökonomin, Dozentin & Tech-Journalistin.

Das bidt in Brüssel: Panelist_innen
Von links nach rechts: Dr. Christoph Egle, Geschäftsführer bidt; Dr. Roland A. Stürz, Leiter des bidt Think Tank; Dr. Riina Vuorikari, Mitglied des Beirats von ALL DIGITAL; Martin Ulbrich, Policy Officer DG Connect, Europäische Kommission; Prof. Dr. Alexander Pretschner, Vorsitzender des bidt-Direktoriums; Korbinian Keck, Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union und Katrin-Cécile Ziegler, Moderatorin des Abends.

Kritisches Denken trainieren

Damit sich Europa im Rahmen der digitalen Dekade der Europäischen Kommission fit für die Zukunft machen kann, sind digitale Kompetenzen essenziell – darüber waren sich die Panelistin und die Panelisten einig. Als weitere Kernkompetenz sehen sie die kritische Urteilsfähigkeit als unverzichtbar an, gerade auch hinsichtlich generativer KI.

You need to know how to prompt. You also need to know how to use the data. Critical aptitude is very important.

Dr. Riina Vuorikari, Mitglied des Beirats von ALL DIGITAL

Die Urteilsfähigkeit ist enorm wichtig. Wir müssen verstehen, was wir da sehen. Wir müssen unseren Verstand gebrauchen. Wenn es stimmt, dass wir in allen Tätigkeiten eine Verschiebung vom Schaffenden zum Überprüfenden erleben werden – und ich gehe fest davon aus –, dann müssen wir das Überprüfende, das kritische Denken, stärker trainieren.

Prof. Dr. Alexander Pretschner, Vorsitzender des bidt-Direktoriums

Da sich die Technologien laufend verändern, ist es unerlässlich, die kritische Urteilsfähigkeit ebenso wie die Digitalkompetenzen in der Breite der Bevölkerung zu stärken. Nur so lassen sich digitale Klüfte verringern. „Wichtig ist, dass man alle Leute mitnimmt“, betonte Dr. Roland A. Stürz und ergänzte: „Wir wissen aus Studien, dass gerade ältere Menschen der Digitalisierung zunächst skeptisch gegenüberstehen. Wenn sie sehen, dass sie persönlich einen positiven Nutzen haben, sind sie gegenüber diesen Technologien viel aufgeschlossener.“ Doch wie erreichen wir alle Menschen, auch die, die weniger Zugang zu digitaler Bildung oder neuen Technologien haben? „Indem man herausfindet, was die Leute interessiert“, erklärte Martin Ulbrich, Policy Officer DG Connect der EU-Kommission, und fügte hinzu: „Das Schöne an der generativen KI ist: Man kann damit alles machen und sie überall anwenden.“

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Video: Mehr Digitalkompetenz für Europa in Zeiten von generativer KI

Großer Einfluss generativer KI auf die Demokratie

Auch vor dem Hintergrund des Superwahljahres der EU sei kritisches Denken gefragt. Weil die generative KI ein mächtiges Tool ist, das Desinformation begünstigt und damit politische Wahlen beeinflussen kann, haben KI und Deepfakes auch direkte Auswirkungen auf das Zusammenleben in einer Demokratie. Wie diese Herausforderung gelöst werden könnte und in welchem Zeitrahmen, darüber gingen die Meinungen auseinander.

Die Beherrschung der neuesten Entwicklungen im Bereich der generativen KI wird zu einem wichtigen Hebel für die Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität Europas. Um diese Beherrschung zu erreichen, muss ein deutlicher Anstieg der fortgeschrittenen KI-Fähigkeiten in der EU Priorität haben, sowohl was spezialisierte KI-Entwickler als auch sachkundige KI-Nutzer angeht. Wir müssen uns der Dringlichkeit bewusst sein, denn das Zeitfenster, das der technologische Umbruch bietet, wird nicht ewig offenbleiben.

Martin Ulbrich, Europäische Kommission, Policy Officer Artificial Intelligence Policy Development and Coordination DG Connect

Die Chancen generativer KI und insbesondere den Nutzen für Wirtschaft, Gesellschaft und die Verwaltung betonte auch Korbinian Keck von der Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union in seinem Grußwort. Generell sei der Einfluss digitaler Innovationen auf das gesellschaftliche Miteinander „gerade in einem Superwahljahr wie 2024 mit Wahlen in der EU sowie in den USA ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.“

Kontrovers diskutiert wurde auch die Frage, wer die Hauptverantwortung dafür trägt, die digitalen Kompetenzen der Menschen zu stärken. Mehrfach wurde hier das Individuum selbst genannt. Oder ist der Staat mit den jeweiligen Bildungssystemen zuständig oder die EU, die Wirtschaft und die Unternehmen oder die Gesamtgesellschaft? Die Einschätzungen der Diskussionsteilnehmenden gingen hierzu auseinander, es konnte keine Einigkeit erzielt werden. Abschließend plädierte Dr. Riina Vuorikari dafür, dass das komplette digitale Ökosystem gefragt sei, also wir alle.

Das „bidt-Digitalbarometer.international“: Ländervergleich möglich

Wie gut Europa auf KI vorbereitet ist und wie die digitalen Kompetenzen in der EU-Bevölkerung verteilt sind, zeigt eine Studie des bidt, die im Vorfeld der Paneldiskussion vorgestellt wurde. Das „bidt-Digitalbarometer.international“ wurde von Dr. Roland A. Stürz, Abteilungsleiter des Think Tank am bidt, präsentiert und diente als fachliche Basis. Dank der repräsentativen Vergleichsstudie liegen nun erstmals empirische Daten für den Selbsteinschätzungstest DigCompSAT vor, die die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung in Deutschland, Österreich, Finnland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien vergleichen. Mithilfe des Selbsteinschätzungstests (DigCompSAT), der auf dem europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp) basiert, wurden in den sieben Ländern Personen ab 14 Jahren zu ihren digitalen Kompetenzen befragt. Daneben wurden auch Daten zum Nutzungsverhalten, zu E-Government, zur Digitalisierung der Arbeitswelt sowie zu künstlicher Intelligenz (KI) erhoben.

Das „bidt-Digitalbarometer.international“ ist unglaublich wertvoll, weil es nicht auf einem oberflächlichen Niveau bleibt, sondern sich mit den Details befasst, mit der Selbsteinschätzung der Menschen – und das ist eine wichtige Neuerung.

Martin Ulbrich, Europäische Kommission, Policy Officer Artificial Intelligence Policy Development and Coordination DG Connect

Digitale Kompetenzkluft in Deutschland besonders ausgeprägt

Die Studie zeigt auf, wo es digitale Klüfte (digital divides) gibt und welche gesellschaftlichen Gruppen davon besonders betroffen sind. Dabei ist die digitale Kompetenzkluft in Deutschland besonders groß: In keinem anderen Land sind digitale Kompetenzen so stark von Geschlecht und Alter abhängig. Vor allem die digitalen Kompetenzen von älteren Menschen, Frauen und Einkommensschwächeren liegen in Deutschland teilweise deutlich unter den Vergleichsgruppen anderer Länder. Dagegen schneiden kleinere Länder wie Finnland und Österreich besonders gut ab. Deutschland bildet zusammen mit Spanien und Italien das Schlusslicht. Damit Deutschland nicht den Anschluss verliert, fordern die Autorinnen und Autoren deshalb die gesamtgesellschaftliche Teilhabe durch einheitliche Bildungsangebote und eine stärkere Förderung von Weiterbildungsangeboten voranzutreiben.

Digitale Kompetenzen der Menschen spielen eine wichtige Rolle für den Wirtschaftsstandort, für unsere Demokratie und für eine Teilhabe am digitalen Leben. Die Daten des „bidt-Digitalbarometer.international“ zeigen für Deutschland im europäischen Vergleich eine besonders große Kluft bezüglich digitaler Kompetenzen. Damit sollten wir uns nicht abfinden, sondern Maßnahmen ergreifen, um diese Kluft zu verringern.

Dr. Roland A. Stürz, Leiter des bidt Think Tank

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