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Data Literacy: Digitale Mündigkeit für alle!

In einer datengetriebenen Welt wird Data Literacy zur Grundvoraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft. Doch wie kann Datenkompetenz am besten vermittelt werden? Und welche Rolle spielt der Dialog dabei?

Von der Arbeitswelt über die Krankenpflege bis zur Bildung unterliegen alle gesellschaftlichen Bereiche einem massiven, digitalen Wandel. Damit Menschen digital mündig werden können, müssen sie ein Verständnis für die algorithmische Verarbeitung von Daten entwickeln. „Wir brauchen einen breiten, demokratischen Diskurs darüber, wie wir mit KI leben, lernen und arbeiten wollen“, fasst die bidt-Direktorin Professorin Ute Schmid zusammen.

Um diesen Diskurs zu führen, benötigen alle Menschen eine gewisse Vorstellung von den Mechanismen, die KI zugrunde liegen – von der Facharbeiterin über den Friseur bis zur Journalistin.

Prof. Dr. Ute Schmid Zum Profil

Ute Schmid ist Professorin für Angewandte Informatik an der Universität Bamberg. Neben ihrem Forschungsschwerpunkt, dem „menschenähnlichen“ Maschinellen Lernen, hat sie sich der Vermittlung von Data Literacy verschrieben. Geht es nach der Informatikerin, sollen künftig in jeder Bildungsbiografie auch Datenkompetenzen sowie KI-Kompetenzen eine Rolle spielen. Ähnlich wie Lesen und Schreiben solle der Umgang mit Daten zu einem unverzichtbaren Teil der Allgemeinbildung werden. Denn nur Menschen, die sachkundig und verantwortungsvoll mit neuen, digitalen Technologien umgehen können, könnten die Chancen des digitalen Wandels nutzen, ohne deren Risiken aus dem Blick zu verlieren. Aktuell würden noch viele Missverständnisse und Vorurteile über Künstliche Intelligenz in unserer Gesellschaft kursieren. „Es gibt die einen, die befürchten, dass Maschinen irgendwann die Weltherrschaft übernehmen werden“, so Ute Schmid, „und die anderen, die hinter jeder Deep-Learning-Anwendung Dollarzeichen und Effizienzsteigerung wittern.“ Manche Menschen hätten vor falschen Dingen Angst, andere seien wiederum viel zu optimistisch. Viele der Auffassungen von KI würden auf komplett falschen Vorstellungen von Künstlicher Intelligenz beruhen, die etwa aus Science-Fiction- Filmen stammen oder aus vereinfachten medialen Darstellungen. Trotz all des Hypes seien Machine-Learning- Systeme noch weit von menschlicher Intelligenz entfernt.

Ute Schmid arbeitet an sogenannten partnerschaftlichen KI-Systemen, bei denen sich Mensch und Maschine gegenseitig unterstützen: Ihre Machine-Learning-Systeme profitieren von der menschlichen Expertise, halten aber gleichsam den Menschen wach und fordern kein blindes Vertrauen.

Ich glaube fest an eine wohltätige KI, die Menschen entlasten und gleichzeitig fördern kann. Wir müssen diese nur richtig entwickeln und soziotechnisch einbetten.

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Doch welche Methoden eignen sich, um KI-Wissen zu vermitteln und digitale Mündigkeit zu erreichen? „Das ist stark von der jeweiligen Zielgruppe abhängig“, sagt Ute Schmid. „Mich reizt die Frage: Wie kann ich das Thema so vermitteln, dass ich maximal viel Wissen für die jeweilige Zielgruppe rüberbringe, ohne abzuschrecken oder zu überfordern?“ Für die Grundschule entwickelte die Informatikerin den KI-Campus-Kurs Digital Literacy für die Grundschule“, der sich an Lehrkräfte wendet. Außerdem brachte sie die Lernspiel-Reihe Digital Starter auf den Markt, die auf spielerische Art und Weise Computational Thinking vermittelt. Mithilfe anschaulicher und haptischer Materialien lernen Kinder etwa ein einfaches neuronales Netz kennen. Für ältere Kinder schrieb sie mit Mitarbeitenden aus ihrem Team das Buch Künstliche Intelligenz selber programmieren, das in der Dummies-Junior-Reihe erschienen ist. Darüber hinaus doziert Ute Schmid an Volkshochschulen und Theatern und steht für den Austausch mit Studierenden verschiedener Fächer zur Verfügung. „Ich versuche immer so konkret wie möglich zu vermitteln, was KI und Maschinelles Lernen eigentlich sind“, erzählt Ute Schmid. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer würden dann Berührungsängste verlieren und mehr Verständnis für die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz entwickeln. Damit der Wissenstransfer gelingen kann, seien vor allem drei Dinge grundlegend: „Man muss sein Fachgebiet kennen, eine Leidenschaft dafür haben und den Dialog mit Menschen mögen.“ Nur wenn diese drei Grundlagen gegeben seien, könne Digital Literacy zielgruppengerecht und effektiv vermittelt werden; der konkrete didaktische Instrumentenkasten sei dabei fast schon zweitrangig.

Seit 2001 hält Ute Schmid Vorlesungen zu Künstlicher Intelligenz, und fast genauso lange engagiert sie sich schon in der breiten Vermittlung von Data Literacy und grundlegenden Informatikkompetenzen. Auch nach so vielen Jahren des Wissenstransfers nehme sie aus jeder Begegnung mit Lernenden noch etwas für sich mit.

Bei jeder Vorlesung gibt es Dinge, die ich plötzlich anders verstehe – weil etwa eine Studentin eine Frage gestellt hat, die ich mir so noch nie gestellt habe.

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Ähnlich sei es auch mit dem Diskurs mit der Öffentlichkeit. „Unerwartete Fragen gestellt zu bekommen und nach Möglichkeiten der Erklärung und Vermittlung zu suchen ist ein kreativer Akt“, so Ute Schmid. „Das finde ich unheimlich reizvoll.“