Precision Farming ist ein mittlerweile über 30 Jahre alter Ansatz, der die Landwirtschaft mithilfe digitaler Technologien unterstützt und optimiert. Zentrale Technologien sind GNSS (Global Navigation Satellite System; Satellitenortung), GIS (Geografische Informationssysteme), Datenübertragungstechnologien wie CAN (Controller Area Networks) und der Einsatz von Sensorsystemen. Ein bedeutendes Sensorsystem für die Landwirtschaft sind die Erdbeobachtungssatelliten. In der Landmaschinentechnik wird GNSS für das automatischen Lenken von Traktoren und Erntemaschinen sowie das automatische Ein- und Ausschalten von Anbaugeräten (Section Control) eingesetzt – Anwendungen, die inzwischen weit verbreitet sind.
Erdbeobachtungssatelliten liefern unter anderem Daten für die Landwirtschaft, die beispielsweise zur Überwachung der Entwicklung des Pflanzenbestandes auf dem Feld genutzt werden können. Das Besondere daran ist, dass Erdbeobachtung in Form von Satellitenbildern meist bildgebend ist und somit räumliche Unterschiede erfasst. Die dafür in den Satelliten verbauten Sensoren (Kameras) verfügen über die Fähigkeit, verschiedene Frequenzen des sichtbaren und nicht sichtbaren Lichts, jenseits von Rot (Nah-Infrarot), zu erfassen. Dieser Bereich des Lichts ist besonders sensibel für Vegetationsunterschiede (Chlorophyllgehalt, Biomasse).
Die teilflächenspezifische Landbewirtschaftung ist eine der wichtigsten Teildisziplinen des Precision Farmings: Sie zielt darauf ab, die Teilflächen eines Schlages hinsichtlich Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz angepasst zu bewirtschaften. Dadurch sollen einerseits Kosten eingespart und andererseits die negativen Auswirkungen von Düngung und Pflanzenschutz auf die Umwelt (Boden, Gewässer, Grundwasser) minimiert werden. Satellitenbilder bieten hierfür eine hervorragende Grundlage, da sie die kleinräumigen Unterschiede des Wachstums von Kulturpflanzen darstellen/sichtbar machen können.
Die Sensoren der Satelliten erfassen die Rückstrahlung des Sonnenlichts in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen. Die Atmosphäre der Erde kann Störungen in der Transmission, der Durchleitung des Lichts, verursachen. Mithilfe entsprechender Korrekturwerte lassen sich einige dieser Störungen herausrechnen. Im Extremfall kann sie aber auch dazu führen, dass die Daten für die vorgesehene Verwendung unbrauchbar werden.
In den meisten Fällen lassen sich aus den primär gewonnenen Daten keine direkten Rückschlüsse auf den Zustand der Kulturpflanze ziehen. Erst durch die Verarbeitung der Daten zu sogenannten Indizes (NDVI, LAI, REIP…) entstehen aussagekräftige Ergebnisse. Diese wiederum können, wenn sie in ein Modell einfließen, sehr genaue und zutreffende Ist-Werte und Prognosen über den Entwicklungsstand der Pflanzen liefern. Die Modelle sind kulturartspezifisch und erfordern meistens die Analyse von Zeitreihen (mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Aufnahmen), um Veränderungen in Abhängigkeit von der Zeit darstellen zu können. Mit der Verfügbarkeit von künstlicher Intelligenz (KI) wird die Entwicklung von Modellen zunehmend besser unterstützt, da KI in der Lage ist, Muster in den erhobenen Daten zu erkennen. Durch die stetig wachsende Anzahl an Datensätzen sowie der Weiterentwicklung der Fähigkeiten der KI ist zu erwarten, dass die Modelle weiter an Qualität gewinnen und besser auch auf weitere Fruchtarten übertragbar werden. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Modelle entwickelt worden – die meisten basieren heute auf Künstlicher Intelligenz.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Die Landwirtschaft hat sich über Jahrtausenden hinweg sowohl groß- als auch kleinräumig an die klimatischen Gegebenheiten und vor allem auch an Bodenunterschiede angepasst. Diese Anpassung erfolgte auf Basis tradierten Wissens und den eigenen Erfahrungen, die Landwirte – oft von Kindesbeinen an – bei der Bewirtschaftung der Flächen gesammelt haben. Sie beobachteten dabei die Entwicklung unterschiedlicher Kulturpflanzen in den verschiedenen Bereichen von landwirtschaftlichen Flächen und setzten es in Beziehung zum Wetter. Die eigenen Augen sowie das Anpeilen gut sichtbarer Objekte in der Umgebung (z.B. Bäume oder Kirchtürme) ersetzten damals die Satellitennavigation. Sie dienten gleichzeitig als Sensoren (Pflanzenhöhe, Anzahl der Ähren, Verfärbung der Blätter, Unkrautbesatz). Diese Form der wissens- oder erfahrungsbasierten Landwirtschaft ist wegen der immer größer werdenden Flächen und Betriebe und vor allem aufgrund des Strukturwandels nicht mehr ausreichend und deshalb eher rückläufig. Für zugekaufte oder zugepachtete Flächen ist das Wissen nicht vorhanden. Gleiches gilt für Lohnunternehmer und Aushilfskräfte, die im Auftrag von Landwirten Maßnahmen auf Flächen durchführen. Somit gewinnt die datenbasierte bzw. digitale Landbewirtschaftung zunehmend an Bedeutung.
Gesellschaftliche Relevanz
Die Optimierung der landwirtschaftlichen Produktion sichert die Erzeugung von hochwertiger Nahrungsmittel und trägt zur Ernährungssicherheit bei. Gleichzeitig können Produktionskosten gesenkt und negative Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden. Die Erdbeobachtung kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie kleinräumige Unterschiede im Pflanzenwachstum aufdeckt und so Möglichkeiten für angepasste Maßnahmen schafft.
Quellen
- Dörr, J./Nachtmann, M. (Hg.) (2023) Handbuch Digital Farming. Digitale Transformationen für eine nachhaltige Landwirtschaft. Berlin.
- Noack, P. O. (Hg.) (2023). Precision Farming. Smart Farming. Digital Farming. 2., überarb. und erw. Aufl. Berlin/Offenbach
- Wiggenhagen, M./Steensen T. (2021). Taschenbuch zur Photogrammetrie und Fernerkundung. 6., neu bearb. und erw. Aufl. Berlin/Offenbach