In der heutigen Zeit ist die Softwareentwicklung ein unverzichtbares Element für Unternehmen jeder Größe und Branche. Bei den traditionellen Ansätzen wird Software oftmals von in sich geschlossenen Teams und Abteilungen entwickelt, ohne aktiv auf die Wiederverwendbarkeit der entwickelten Programme innerhalb des Unternehmens zu achten. Dies bringt jedoch eine Reihe von Herausforderungen mit sich, darunter hohe Kosten aufgrund der wiederholten Entwicklung identischer Komponenten, geringe Flexibilität und begrenzte Innovationsgeschwindigkeit. In diesem Kontext gewinnt Inner Source zunehmend an Bedeutung. Als Inner Source wird die Anwendung von Open-Source-Prinzipien und -Methoden innerhalb eines Unternehmens bezeichnet [1], um die interne Softwareentwicklung zu fördern. Im Gegensatz zur herkömmlichen Entwicklung haben bei Inner Source alle Mitarbeitenden Zugang zum Quellcode verschiedener Projekte, können diesen modifizieren, Verbesserungsvorschläge einbringen und Code für eigene Projekte wiederverwenden. Dieser Ansatz fördert die Zusammenarbeit, verbessert die Qualität der Software und beschleunigt die Innovationsgeschwindigkeit [2]. Darüber hinaus beeinflusst Inner Source das Unternehmen und dessen Prozesse [3] von Managemententscheidungen bis hin zur Produkt- und Finanzplanung tiefgehend. Es erfordert zunächst ein Umdenken in der Unternehmenskultur, klare Governancestrukturen und eine genaue Versteuerung von Aktivitäten, aber die potenziellen Effizienz- und Innovationsvorteile rechtfertigen diesen Aufwand.
Transparenz und Zusammenarbeit
Ein zentrales Merkmal von Inner Source ist die Förderung von Transparenz und Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens. Indem der Quellcode für alle Mitarbeitenden zugänglich ist, werden Barrieren zwischen verschiedenen Abteilungen und Teams abgebaut. Dies ermöglicht es, dass Wissen und Fähigkeiten frei ausgetauscht werden können, was wiederum zu einer Ideenzunahme und neuen Innovationen führt. Durch die gemeinsame Nutzung von Quellcode, Dokumentation und Tools und die Zusammenarbeit an verschiedenen Projekten können Unternehmen Synergien schaffen und Kosten reduzieren.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Ein weiterer Vorteil von Inner Source liegt in der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Anforderungen und Marktbedingungen. Da der Quellcode offen ist und von jedem Mitarbeitenden im Unternehmen modifiziert werden kann, können Entwicklerteams schnell auf Rückmeldungen von Kunden und anderen Abteilungen reagieren oder neue Funktionen implementieren und die Software entsprechend ihren Wünschen anpassen. Dies ermöglicht es Unternehmen, agiler zu werden und ihre Produkte oder Dienstleistungen ohne lange Entwicklungszyklen oder bürokratische Prozesse kontinuierlich zu verbessern.
Innovationsförderung und Talententwicklung
Durch die Förderung einer offenen und kollaborativen Arbeitskultur trägt Inner Source auch zur Innovationsförderung und Talententwicklung bei. Mitarbeitende haben die Möglichkeit, sich aktiv an der Weiterentwicklung von Softwareprojekten zu beteiligen und ihre Fähigkeiten und Ideen einzubringen. Dies fördert nicht nur die persönliche Entwicklung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden, sondern kann auch dazu beitragen, neue innovative Lösungen und Produkte zu entwickeln, die einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen bieten.
Aktuelle Herausforderungen
Die Einführung von Inner Source im Unternehmen kann mit verschiedenen Herausforderungen verbunden sein, die sorgfältig angegangen werden müssen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten und den langfristigen Nutzen zu maximieren.
Eine solche Herausforderung betrifft die Versteuerung von Inner-Source-Aktivitäten und die Berechnung des Wertes der Beiträge, die über die Unternehmensgrenzen hinaus fließen (sogenannte Transferpreise). Da bei Inner Source Entwicklerinnen und Entwickler aus verschiedenen Abteilungen an gemeinsamen Projekten arbeiten und Ressourcen gemeinsam nutzen, ist die korrekte Zuordnung von Kosten und Leistungen oft komplex [4]. Unternehmen müssen geeignete Mechanismen entwickeln, um die finanziellen Auswirkungen von Inner-Source-Aktivitäten zu erfassen und gerecht zu verteilen.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, eine offene Kultur der Zusammenarbeit zu fördern [5]. Obwohl die Idee des Wissensaustauschs und der Zusammenarbeit im Mittelpunkt von Inner Source steht, können bestehende Hierarchien, Silodenken und Konkurrenzdenken die Einführung dieses Ansatzes behindern. Es erfordert daher ein bewusstes Engagement seitens des Managements, eine Umgebung zu schaffen, in der Offenheit, Vertrauen und gemeinsame Ziele gefördert werden.
Die Integration von Inner Source in bestehende Geschäftsprozesse stellt eine weitere Herausforderung dar [3]. Viele Unternehmen haben bereits etablierte Entwicklungsprozesse und Tools, die möglicherweise nicht optimal für die Anforderungen von Inner Source geeignet sind. Die Anpassung von Inner Source und die Integration in bestehende Strukturen erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination, um Konflikte zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen.
Schließlich ist die Messung der Zusammenarbeit eine Herausforderung im Inner Source [3], [4], [6]. Da der Erfolg von Inner Source stark von der aktiven Beteiligung und Zusammenarbeit der Mitarbeitenden abhängt, ist die Entwicklung geeigneter Metriken und Instrumente zur Bewertung und Verbesserung der Zusammenarbeit entscheidend. Dies umfasst die Bewertung der Qualität und Quantität der Beiträge, die Identifizierung von Engpässen und Hindernissen sowie die kontinuierliche Überwachung des Fortschritts und der Auswirkungen von Inner Source auf die organisatorische Leistung.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Ähnlich wie bei Open-Source-Softwareprojekten, bei denen eine Vielzahl von Entwicklerinnen und Entwicklern weltweit zusammenarbeitet, um eine Lösung zu verbessern, fördert Inner Source die Kollaboration innerhalb eines Unternehmens und ermöglicht es, auf das kollektive Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden zuzugreifen. Dies kann mit dem Konzept des Crowdsourcing verglichen werden, bei dem Unternehmen die Kreativität einer breiten Masse nutzen, um Probleme zu lösen oder Ideen für Produkte zu generieren. Ebenfalls vergleichbar ist das Konzept des Coworking-Spaces, bei denen gemeinschaftliche Büroräume bereitgestellt werden, die beispielsweise Start-ups und Freiberufliche mieten können, um sich zu vernetzen, voneinander zu profitieren und gemeinsam an Produkten und Lösungen zu arbeiten.
Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist Inner Source aber nur sehr bedingt mit analogen Phänomenen vergleichbar, da der Kernaspekt von Inner Source die Zusammenarbeit in der Softwareentwicklung innerhalb der Unternehmensgrenzen ist. Eine offene Zusammenarbeit wie Crowdsourcing dagegen geht bereits über die Unternehmensgrenzen hinaus, weshalb dieses Phänomen dann eher mit Open Source gleichzusetzen wäre. Auch bei Coworking-Spaces findet eine Zusammenarbeit und der Austausch über rechtliche Unternehmensgrenzen hinaus statt, weshalb auch dieses Konzept streng genommen eher mit Open Source vergleichbar wäre. Wichtig zu erwähnen ist allerdings, dass hier beim Vergleich von Open Source, Inner Source, Crowdsourcing und Coworking-Spaces lediglich betrachtet wurde, auf welche Art und Weise Menschen miteinander interagieren. Rechtliche Aspekte (z. B. das Lizenzrecht, das besonders im Inner Source eine große Rolle spielt) wurden hier aus Einfachheitsgründen nicht verglichen.
Identisch bei Inner Source, Crowdsourcing und dem Konzept des Coworking-Spaces ist dagegen die Vernetzung, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. Während beim Inner Source verschiedene Entwicklungsprozesse, -abläufe und
-daten vereinheitlicht und effizienter gestaltet werden (höhere Entwicklungsgeschwindigkeit), werden beim Coworking-Spaces Menschen und Ideen in der analogen Welt zusammengebracht.
Ähnlich wie bei wissenschaftlichen Gemeinschaften, in denen Wissen offen geteilt und gemeinsam weiterentwickelt wird, schafft Inner Source eine Kultur des Wissenstransfers und der kontinuierlichen Verbesserung innerhalb des Unternehmens. Das Ziel ist es somit, Unternehmen offener und flexibler zu gestalten und eine einfachere, erhöhte Veränderbarkeit der zu entwickelnden Software und Prozesse zu ermöglichen.
Gesellschaftliche Relevanz
Die Anwendung von Inner Source in der Softwareentwicklung hat nicht nur ökonomische Auswirkungen auf Unternehmen, sondern eine breite gesellschaftliche Bedeutung. Durch die Förderung von Offenheit, Transparenz und Zusammenarbeit trägt Inner Source dazu bei, die Entwicklung von Software demokratischer zu gestalten. Darüber hinaus trägt die Wiederverwendung und gemeinsame Nutzung von Entwicklungsressourcen zur Effizienzsteigerung bei und ermöglicht es Unternehmen somit, schneller auf sich verändernde Marktbedingungen zu reagieren und innovative Lösungen zu liefern. Zusätzlich ist Inner Source ein Wegbereiter für Unternehmen, um in weiteren Schritten nicht nur innerhalb des Unternehmens offen zu kollaborieren, sondern auch die Software als Ganzes als Open-Source-Software zur Verfügung zu stellen und so Transparenz zu zeigen.
Quellen
- Stol, K. J. et al. (2011). A comparative study of challenges in integrating open source software and inner source software. In: Information and Software Technology 53(12), 1319–1336.
- Capraro, M./Dorner, M./Riehle, D. (2018, May). The patch-flow method for measuring inner source collaboration. In: Proceedings of the 15th International Conference on Mining Software Repositories, 515–525.
- Buchner, S./Riehle, D. (2023). The Business Impact of Inner Source and How to Quantify It. In: ACM Computing Surveys 56(2), 1–27.
- Buchner, S./Riehle, D. (2022, January). Calculating the Costs of Inner Source Collaboration by Computing the Time Worked. In: Proceedings of the 55th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), 1–10.
- Edison, H. et al. (2020). Inner source software development: Current thinking and an agenda for future research. In: Journal of Systems and Software 163, 110520.
- Hirsch, J./Riehle, D. (2022, October). Management Accounting Concepts for Inner Source Software Engineering. In International Conference on Software Business, 101–116.