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Open-Source-Software im engeren Sinne ist Computer-Software (Programme), die kostenfrei genutzt, modifiziert und weitergegeben werden kann. Bekannte Beispiele für Open-Source-Software sind das Linux-Betriebssystem [1] und der Firefox-Webbrowser [2]. Open Source im weiteren Sinne ist ein von Menschen getragenes Phänomen, das uns ungeahnte Möglichkeiten der weltweiten Zusammenarbeit sowie neue Geschäftsmodelle gegeben hat.

Open-Source-Lizenzen

Am Anfang standen die Open-Source-Lizenzen, wie zum Beispiel die MIT License [3] oder die GNU Public License v2 [4]. Eine Open-Source-Lizenz regelt die Rechte, die Nutzer:innen von Open-Source-Software zugesprochen bekommen. Wie bereits erwähnt, umfassen diese Rechte die kostenlose Nutzung der Software, ihre Verfügbarkeit im Quelltext und das Recht, kostenfrei die Programme zu verändern und auch weitergeben zu dürfen. Ob eine Lizenz eine korrekte Open-Source-Softwarelizenz ist, wird von der Open Source Initiative [5] geregelt, einer amerikanischen Non-Profit-Organisation.

Der Wunsch von Urhebern, anderen Menschen die freie Nutzung ihrer Arbeit zu ermöglichen, ist nicht nur auf Software beschränkt (und nicht erst durch Open-Source-Software entstanden). Die Struktur und Logik von Open-Source-Lizenzen allerdings hat sich durchgesetzt und in andere Bereiche fortgepflanzt. So gibt es heute die Creative-Commons-Lizenzen [6], die Nutzer:innen kreativer Werke vergleichbare Rechte einräumen wie Open-Source-Software ihren Nutzer:innen, Offene-Daten-Lizenzen, die dasselbe für Daten machen, usw.

Open-Source-Lizenzen regelten zum ersten Mal die Zusammenarbeit von Programmierer:innen an Software in als symmetrisch und fair wahrgenommener Weise. Jeder und jede darf die Software nutzen und diese Rechte können einem nicht mehr abgesprochen werden. Jeder und jede kann prinzipiell beitragen und sich gewinnbringend für alle Beteiligten einbringen. Eine solche gemeinschaftliche Arbeit motiviert viele Menschen. Die Motivation reicht vom Spaß am kreativen Arbeiten, altruistischem Teilen und anderen etwas Gutes tun bis hin zum Ausbau der eigenen Kompetenzen und dem öffentlichen Darstellen dieser Kompetenzen zur Positionierung am Arbeitsmarkt.

Gemeinschaftliche Arbeit

Die sich ergebende (informelle) Softwareentwicklungsorganisation nennt man landläufig ein Open-Source-Projekt. Die Wortwahl ist unglücklich (aber etabliert), da es sich bei einem Open-Source-Projekt nicht um ein Projekt in engeren Sinne handelt: Ein Open-Source-Projekt hat kein definiertes Enddatum, wie es von einem wohldefinierten Projekt erwartet werden würde. Im Gegenteil: Die Gemeinde der Beitragenden erhofft sich zumeist ein offenes Ende, also eine unbestimmte möglichst lange Lebenszeit der Software. Software, Projekt und Gemeinde tragen meist denselben Namen: So spricht man von der Firefox-Software, dem Firefox-Projekt und der Firefox-(Projekt)Gemeinde.

Die Zusammenarbeit in einem Open-Source-Projekt nennt man offene Zusammenarbeit [7]. Bei offener Zusammenarbeit darf jeder und jede teilnehmen (und niemand wird a priori ausgeschlossen), werden Entscheidungen auf Basis der Qualität von Argumenten (und nicht auf Basis von Organisationsstrukturen) getroffen und wählen die beteiligten Parteien Prozesse, Methoden und Werkzeuge selbst aus (statt diese vorgesetzt zu bekommen). Damit unterscheidet sich Open-Source-Entwicklung von traditioneller, hierarchisch geprägter Zusammenarbeit in Unternehmen.

Die Arbeit in Open-Source-Projekten ist fast immer verteilt und asynchron (findet zu unterschiedlichen Tageszeiten statt). Entwickler:innen nutzen die Software häufig selbst, entweder als Teil ihrer bezahlten Arbeit oder privat. Entsprechend wichtig ist die Sicherung der Qualität der Arbeit. Wesentliches Mittel der Qualitätssicherung ist der Peer-basierte Code Review (Vieraugenprinzip). In wichtigen Projekten wird kein Beitrag aufgenommen, der nicht mindestens von einer anderen Person als dem Urheber gegengezeichnet wurde. Entsprechend haben Open-Source-Entwickler:innen neue Werkzeuge der Zusammenarbeit erfunden, insbesondere die Git-Software [8], die die Umsetzung eines einfachen, aber effektiven Peer-Reviews ermöglicht.

Wie bereits die Lizenzen sind auch die Open-Source-Arbeitsprozesse dabei, sich in andere Arbeitswelten als die der Softwareentwicklung fortzupflanzen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Aus Sicht von Unternehmen, die Open-Source-Software nutzen, stellt diese Software entweder Bauteile (Komponenten) für die eigenen Produkte oder Werkzeuge (Anwendungen wie Firefox oder der gcc-Compiler [9]) für die interne Arbeit dar. Die Gesamtkosten der Nutzung von Open-Source-Software sind zwar nicht null (das wären nur die Lizenzkosten), aber sie sind im Allgemeinen viel geringer als die vergleichbarer proprietärer Software:

Open-Source-Software reduziert das Risiko beständig steigender Lizenzkosten der Software, die sich im traditionellen Fall durch die Abhängigkeit von einem Hersteller ergibt (der sogenannte Vendor-Lock-in).

Ebenso verhindert Open-Source-Software den Innovationsstau, da man sich im Gegensatz zu traditioneller Software durch Modifikation der Software selbst helfen kann, neue Funktionen umzusetzen.

Weiterhin reduziert Open-Source-Software Reibungsverluste, da sie häufig zum quasi-kostenlosen Standard wird, zu dem alles passt.

Open-Source-Software hat sich insbesondere als Mittel gegen die Monopolisierung von vielseitig benötigter Software durch einzelne Hersteller erwiesen: So haben Intel, Oracle, IBM und andere die Entwicklung von Linux vorangetrieben, um eine Alternative zu Microsoft’s Windows zu etablieren. Ohne diese Alternative wäre Microsoft in der Lage, sich das Kundenbudget weitgehend anzueignen, sodass für weitere Software wenig Marge übrig bliebe. Investitionen in Open-Source-Software sind rapide angestiegen, seitdem Hersteller verstanden haben, dass sie damit Monopole verhindern können.

Was auf den ersten Blick wie ein Free-Rider-Problem erscheint (alle wollen durch die Nutzung der Open-Source-Software profitieren, niemand will in ihre Entwicklung investieren), ist keins: Sobald ein Unternehmen Open-Source-Software nutzt, wird es auch davon abhängig: Es ist somit im Interesse des Unternehmens, diese Abhängigkeit zu managen, zum Beispiel durch den Einkauf kommerzieller Dienste zur Open-Source-Software oder durch steuerndes Beitragen.

Open-Source-Vereinigungen

Die rasant angestiegene wirtschaftliche Bedeutung von Open-Source-Software hat dazu geführt, dass Unternehmen lernen mussten, die Leitung der Projekte einvernehmlich zu organisieren. Insbesondere Streit um Markenrechte führte zur Etablierung der sogenannten Open-Source-Vereinigungen („Foundations“) respektive Konsortien. Beispiele für Open-Source-Vereinigungen sind die Apache Software Foundation [10] oder die Eclipse Foundation [11].

In diesen Vereinigungen arbeiten Unternehmen, aber auch Privatpersonen unter definierter Governance zusammen. Die Nutzung der Software wird über die Open-Source-Lizenz geregelt. Etwaige Markenrechte gehören der Vereinigung und werden unter definierten Bedingungen nicht diskriminierend bereitgestellt. Die Vereinigung vertritt die Interessen der Projektgemeinde, insbesondere auch vor Gericht, sollte dies notwendig werden.

Gab es vor zwanzig Jahren nur einige wenige solcher Vereinigungen, so gibt es heute bereits eine dreistellige Anzahl, Tendenz steigend.

Der Autor dieses Artikels unterscheidet hierbei zwischen den von Softwareherstellern und den von Softwareanwendern geleiteten Open-Source-Vereinigungen. Hersteller entwickeln zumeist Bauteile für ihre Produkte gemeinschaftlich, während Anwender zumeist vollständige Programme für ihre Bedürfnisse entwickeln. Auf diese Art entwickelte Open-Source-Software ist immer nicht wettbewerbsdifferenzierend, da niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann. Sie reduziert die Gesamtkosten für ihre Nutzer und kann, wie bereits erwähnt, zur Verhinderung von Monopolisten etabliert werden.

Hinter herstellergeleiteten Vereinigungen steht die Softwareindustrie, hinter anwendergeleiteten Vereinigungen stehen alle Industrien, die Software benötigen, also ein Großteil der Weltwirtschaft. Während Softwarehersteller die Bedeutung von Open-Source-Software weitgehend verstanden haben, sind Softwareanwender noch dabei, dieses Verständnis aufzubauen. Beispiele für anwendergeleitete Open-Source-Vereinigungen sind die von BMW initiierte GENIVI-Vereinigung [12] im Automobilbereich, die von den Filmstudios initiierte ASWF [13] für Software zur Filmverarbeitung und die von Hochschulen initiierte Apereo Foundation [14] für Software in der Ausbildung.

Neue Geschäftsmodelle

Open-Source-Vereinigungen haben Open-Source-Projekte nachhaltig gemacht. Start-ups haben neuartige Geschäftsmodelle auf Open-Source-Software aufgebaut. Wesentlich für die neuen Geschäftsmodelle ist, dass sie nicht auf dem Verkauf von Open-Source-Software an sich basieren können: Die Software steht ja kostenfrei bereit.

Kunden zahlen immer für etwas, das komplementär zur Software ist: für besonders effiziente Hardware für die Software, zum Beispiel für Google’s TPUs (integrierte Schaltungen) [15] zur besonders effizienten Anwendung von Google’s Tensorflow (Open-Source-Software zu maschinellem Lernen), oder für den Betrieb der Software in der Cloud, zum Beispiel für Yugabyte’s Cloud-Dienst [16] zum Betrieb der gleichnamigen Open-Source-Software für Datenbanken, oder für Beratungsdienstleistungen zum Einsatz der Software.

Nicht zahlende Nutzer:innen kompensieren die Hersteller von Open-Source-Software häufig auch nicht monetär, z. B. durch kostenlose Arbeit, Innovation oder Daten. Viele gute und kostenfreie Fehlerberichte helfen bei der Reifung der Software, gute Ideen beflügeln die nächste Generation, und Daten lassen sich gewinnbringend nutzen oder weiterverkaufen. So helfen z. B. die über den dominanten Webbrowser Chrome gesammelten Daten Google, sein Werbegeschäft erfolgreicher zu betreiben.

Die Kommerzialisierung der Open Source hat dazu geführt, dass vielfach die Entwicklung von Open-Source-Software nicht offen geschieht. Es findet keine offene Zusammenarbeit statt (also kein offener Prozess). Stattdessen wird hinter verschlossenen Türen gearbeitet und über die Zugangskanäle (Webdomänen, Markenrechte) sichergestellt, dass die Konkurrenz zu spät kommt und nichts oder wenig vom Kuchen abbekommt.

Kritik und Zukunft

Die Definition von Open-Source-Software stellt rein auf die Lizenz ab. Dies hat es Herstellern ermöglicht, nicht offen entwickelte, aber offen lizenzierte Software als Open-Source-Software zu bezeichnen und somit von der positiven Reputation der Open Source zu profitieren. Dies wird zurecht von der Open-Source-Welt kritisiert. Entsprechend streitet man sich über die Ausweitung oder Veränderung der Definition, mit dem Ziel, sie entweder zu verwässern (neuartige Lizenzen zu ermöglichen) oder zu verschärfen (einen offenen Prozess zu verlangen). Ein Ende ist noch nicht absehbar.

Auf der einen Seite haben Open-Source-Lizenzen die offene Zusammenarbeit ermöglicht, auf der anderen Seite haben sie zu einem fast nicht mehr bewältigbaren Aufwand geführt, will man ihren Bedingungen genügen. Möchte ein Hersteller z. B. das Linux-Betriebssystem an Kunden weitergeben, so muss dieser Hersteller aus vielen Tausenden Dateien die relevante Information für die Open-Source-Rechtsvermerke zusammensammeln. Eine besondere Bedingung mancher Open-Source-Lizenzen, die Copyleft-Klausel, verlangt darüber hinaus (vereinfacht gesprochen) die Bereitstellung der Produkte im Quelltext. Die Sorge, auf diese Weise geistiges Eigentum ungewollt offenlegen zu müssen, hat viele Hersteller viele Jahre lang verschreckt und den Siegeszug von Open Source behindert.

Open-Source-Software kann durchaus als Revolution betrachtet werden. Zwei der historisch wichtigsten Anführer der Revolution, Richard Stallman und Linus Torvalds, stehen aber unter signifikanter Kritik, eine nicht inklusive, konfrontative und von verbalem Missbrauch geprägte Kultur erzeugt und angeführt zu haben. Auch heute noch ist die Open-Source-Welt deutlich weniger divers als die bereits wenig diverse Softwareindustrie. Aller Kulturwandel ist schwer, und so verbessert sich die Situation nur langsam.

Das zunehmende Open-Source-Engagement von Unternehmen, die nicht der Softwareindustrie entstammen, und die zunehmende Ausweitung der Open-Source-Innovationen auf andere Gebiete illustrieren anschaulich den Siegeszug, den Open Source angetreten hat. Ein bekannter Silicon-Valley-Investor postulierte 2011, dass Software die Welt verschlingen werde [17]. Open Source ist freundlicher und hebt die Welt in neue Höhen.