Gamification und Serious Games bezeichnen den Einsatz spielerischer Anreize über ein Spiel hinaus, das ausschließlich oder primär der Unterhaltung dient. Gamification ist dabei das umfassendere Konzept, es beschreibt den „Einsatz von für Spiele charakteristischen Designelementen für einen nicht spielerischen Kontext“[1] (Übers. d. Verf.). Gamification kann als eine subtile persuasive Technik verstanden werden, die das Verhalten von Nutzenden beeinflussen soll, indem individuelle Motive durch spielerische Gestaltungselemente aktiviert werden.[2] Dabei sind die spielerischen Elemente in der Regel an eine zentralen, nicht spielerische Funktion gekoppelt. Eine solche zentrale Funktion kann beispielsweise die politische Partizipation sein. Gamification soll dann beispielsweise fördern, dass sich Bürgerinnen und Bürger häufiger, konsistenter oder ausdauernder politisch beteiligen. Serious Games sind hingegen tatsächlich Spiele im ursprünglichen Sinn, die jedoch neben der Unterhaltung weiteren, häufig pädagogischen Zwecken dienen.
Unter politischer Partizipation können Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden, die dem Ziel dienen, politische Entscheidungen zu beeinflussen.[3] Wird dies in einem engen Verständnis als eine Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Wahlen und Abstimmungen interpretiert, so sind die Einsatzpotenziale spielerischer Anreize sehr begrenzt. Wird jedoch ein breites Verständnis politischer Partizipation zugrunde gelegt, welches auch die Information und Konsultation einschließt, so spannt sich ein durchaus breites Anwendungsfeld auf.
Am häufigsten findet Gamification bisher im Kontext der politischen Bildung Anwendung.[4] Serious Games können beispielsweise dazu genutzt werden, staatsbürgerliche Kenntnisse oder Kompetenzen zu vermitteln. Bisweilen werden eigens zu diesem Zweck Spiele geschaffen, die zum Beispiel Themenkomplexe wie Krieg und Armut, Flucht und Migration oder Umweltschutz und Nachhaltigkeit adressieren. Blumberg und Kollegen (2013) weisen aber darauf hin, dass auch konventionelle Spiele, wie etwa SimCity oder World of Warcraft, die auf virtuellen Gesellschaften basieren und die Kooperation von Spielenden fördern, zivilgesellschaftliche Lernziele unterstützen können.[5] Ein weiteres Anwendungsfeld von Gamification sind die Felder der Konsultation und Co-Kreation – etwa im Kontext der Stadtplanung.[6] Hier kommen Konsultationen zum Einsatz, also nicht bindende Anhörungen von Bürgerinnen und Bürgern, indem diese schöpferisch in die Gestaltung eines öffentlichen Angebots involviert werden. Digitale Simulationen können dabei ein wertvolles Instrument sein, um Vorhaben zu konkretisieren und zu vermitteln, Alternativen abzuwägen und so den Diskurs zu befördern. Auch partizipative E-Government-Angebote können Elemente von Gamification aufweisen, etwa wenn sogenannte Mängelmelder (Applikationen, über die Schäden oder Verunreinigungen des öffentlichen Raums an die kommunale Verwaltung gemeldet werden können) Punkte vergeben, um eine rege Nutzung zu animieren.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Serious Games können sowohl analog als auch digital angeboten werden. Dabei handelt es sich dann tatsächlich um Spiele, etwa in Form eines Karten- oder Brettspiels – die beispielsweise dem Zweck politischer Bildung gewidmet sind. Etwas anders verhält es sich mit Gamification, das tatsächlich eher ein digitales Phänomen darstellt.
Gamification-Elemente sind nicht offensichtlich als Spiel zu erkennen. Sie sind eingebettet in Prozesse, die einem nicht spielerischen Zweck dienen, wecken aber spielerische Anreize. Zu diesen Elementen zählen etwa die Sichtbarkeit und Vergleichbarkeit von Beiträgen, die Vermittlung von gemeinsamen Spielregeln, das Erhalten von materiellen oder immateriellen Belohnungen, die Förderung eines Wettbewerbs, die Möglichkeit des Dialogs, Austauschs und der Bewertung. Solche Elemente können in digitale Plattformen integriert werden, die u. a. der politischen Information oder Konsultation dienen.
Digitale Plattformen haben dabei die Besonderheit, dass ihre Nutzeroberflächen stets bewusst gestaltet werden müssen. Anbieter digitaler Dienste haben sich also immer für oder gegen die Integration spielerischer Anreize zu entscheiden. Manchmal mag es den Anbietern auch gar nicht bewusst sein, dass die Nutzerführung ihrer Plattform Gamification-Elemente enthält und spielerische Anreize setzt. Einige Gamification-Elemente sind digital einfacher umzusetzen als analog – etwa Dialogmöglichkeiten zwischen den Nutzenden, sichtbare Nutzerprofile, die Veröffentlichung von Rankings, die Vergabe von Statussymbolen (z. B. Ränge oder Punkte) oder die Wiederholung von Abläufen. Viele solcher Elemente werden in der Nutzung digitaler Plattformen als völlig normal empfunden und können ihre Anreizwirkungen daher subtil entfalten. In analogen Anwendungen würden sie hingegen stärker auffallen und möglicherweise als störend oder befremdlich empfunden werden.
Gesellschaftliche Relevanz
Digitale Medien eröffnen Potenziale für politische Beteiligung, die jedoch nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen genutzt werden. Sowohl aus einer normativen Perspektive als auch aus einer pragmatischen Betrachtung seitens jener, die Beteiligungsverfahren verantworten, besteht eine beständige Herausforderung darin, Bürgerinnen und Bürger zu politischer Partizipation zu ermuntern, auch im Internet. Gamification und Serious Games stellen vor diesem Hintergrund Ansätze dar, die Beteiligung insbesondere im Rahmen digitaler Partizipationsangebote zu fördern und zu stimulieren. Zu den wesentlichen Zielgruppen zählen junge Bürgerinnen und Bürger, aber auch solche mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status oder aber auch Personen mit einem eher geringen politischen Interesse oder Wissen.
Da Serious Games – wie beschrieben – tatsächlich Spiele sind, ist ihr Anwendungspotenzial im Kontext politischer Partizipation über das grundlegende Ziel der Kenntnis- und Kompetenzvermittlung hinaus begrenzt. Sobald eine digitale Applikation nicht mehr primär dem Spielen dient, sondern einem nicht spielerischen Zweck, verlässt sie den Bereich der Serious Games und bewegt sich in das breitere Feld der Gamification. Gamification hingegenbietet ein größeres Anwendungsspektrum – neben der Informationsvermittlung beispielsweise auch im Bereich der Konsultation oder Co-Kreation. Insbesondere im Kontext der digitalen politischen Partizipation müssen Gamification-Elemente bei der Gestaltung digitaler Plattformen berücksichtigt werden – sie können sich anderenfalls auch unbeabsichtigt einschleichen. Gamification bedarf im Kontext der politischen Partizipation einer kritischen Reflexion. Ihr Einsatz kann bei mangelnder Transparenz als manipulativ empfunden werden. Nicht immer ist „mehr“ Beteiligung auch gleichbedeutend mit besserer Beteiligung. Störenfriede oder Provokateure können beispielsweise online sehr aktiv sein, aber nicht zum Erfolg eines Beteiligungsvorhabens beitragen. Die sozialen Dynamiken von Gamification – insbesondere im politischen Kontext – sind noch wenig erforscht. Bei politisch polarisierierenden Entscheidungsgegenständen könnte Gamification auch zur Verschärfung von Debatten beitragen.
Quellen
- Deterding, S. et al. (2011). From game design elements to gamefulness: defining „gamification“. Proceedings of the 15th International Academic MindTrek Conference: Envisioning Future Media Environments. Tampere, 9–15.
- Petkov, P. et al. (2011). Engaging energy saving through motivation-specific social comparison. In: Tan, D./Begole, B./Kellogg, W. (Hgg.). Proceedings and Extended Abstracts for the 29th Annual CHI Conference on Human Factors in Computing Systems. Vancouver, BC (Canada), 1945–1950.
- van Deth, J. W. (2009). Politische Partizipation. In: Kaina, V./Römmele, A. (Hg.). Politische Soziologie. Wiesbaden, 141–161.
- Hoffmann, C.P. (2023). Gamification, Serious Games und politische Beteiligung. In: N. Kersting, N./Radtke, J./Baringhorst, S. (Hg.). Handbuch Digitalisierung und politische Beteiligung (online first). Wiesbaden, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31480-4_49-1 [29.04.2024].
- Blumberg, D.E./Almonte, J.S./Anthony, N. Hashimoto (2013). Serious Games: What are they? What do they do? Why should we play them? In Dill, K.E. (Hg.). The Oxford Handbook of Media Psychology. Oxford University Press, 334–351.
- Poplin, A. (2011). Games and Serious Games in Urban Planning: Study Cases. In: Murgante, B. et al. (Hg.). Computational Science and Its Applications – ISSSA. International Conference Proceedings Part II. Santander (Spain), 1–14.