„Wir müssen mit der Künstlichen Intelligenz schauen, dass wir das Leben besser machen können. Das ist der entscheidende Punkt, damit auch diejenigen, die als Kritiker unterwegs sind, mitgenommen werden,“ sagte Wissenschaftsminister Bernd Sibler zum Auftakt des Panels „KI verstehen und gestalten“ im Rahmen des Hightech Summit Bayern und betonte die Notwendigkeit, die technologischen Entwicklungen zu erläutern: „Wir müssen die Dinge in einer komplizierter werdenden Welt auch besser erklären, die Menschen auch mitnehmen.“ Dabei verwies Bernd Sibler auf den Auftrag des bidt, den gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen der Digitalisierung zu führen.
Neue Technologien erklären, vom Potenzial erzählen
Wie dies bei Künstlicher Intelligenz gelingen kann, wurde im Laufe des Panels, das von Professorin Ute Schmid von der Universität Bamberg und Professor Alexander Pretschner, dem Sprecher des bidt-Direktoriums, mehrmals thematisiert. So sagte Ruth Müller, Professorin für Wissenschafts- und Technologiepolitik an der TUM: „KI kann große gesellschaftliche Transformationen auslösen. Darum ist es so wichtig, dass wir uns überlegen, wie wir möglichst viele Menschen in der Bevölkerung mitnehmen können. Das gelingt nur, indem wir sie ernst nehmen und überlegen: Was sind die Lebenskontexte, was sind die Bedürfnisse und Erfahrungen, die das Leben der Menschen prägen, und wie können diese bei der Entwicklung von KI berücksichtigt werden.“
Menschen unterstützen, nicht ihre Arbeit ersetzen
Wie weit verbreitet Künstliche Intelligenz inzwischen bereits ist, wurde im Gespräch mit Dagmar Schuller, Gründerin und CEO audEERING GmbH, und Dr. Andreas Liebl von der appliedAI Initiative/UnternehmerTUM deutlich. „Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass quasi alle Start-ups KI einsetzen, auch in der Industrie und anderen Bereichen. Hier gab es einen massiven Wandel“, sagte Andreas Liebl und nannte als Beispiele Anlagen in der Industrie, die dank KI immer am Optimum und damit sehr energieeffizient laufen, sowie Optimierungsverfahren, die Probleme in einer Komplexität lösen können, die Menschen nicht möglich ist.
„Das sind Beispiele, wo KI die Arbeit von Menschen ergänzt und es nicht darum geht, Menschen zu ersetzen. Das zeigt, was das Potenzial der Technologie ist.“ Dagmar Schuller führt ein Unternehmen, das KI einsetzt, um unter anderem Emotionen zu erkennen.
Auf die Bedeutung von KI für die Gesundheitsbranche wurde bereits mehrfach beim vorhergehenden Gipfelgespräch des Summits verwiesen. Professor Fabian Theis vom Helmholtz Zentrum München nannte als Beispiel die Prävention von Diabetes Typ 1: „Schon jetzt können wir zum Beispiel Typ-1-Diabetes klassifizieren. Wir können bei Kindern aus dem Nabelschnurblut vorhersagen, ob sie ein Risiko für Typ-1-Diabetes haben. Das wird in einer bayernweiten Kohorte, mittlerweile auch in den USA, schon als breites Screening eingesetzt.“
Künstliche Intelligenz fachübergreifend entwickeln
Einigkeit bestand bei den Expertinnen und Experten über die Notwendigkeit, fachübergreifend zusammenzuarbeiten. „Ein ganz zentrales Stichwort für die KI-Forschung ist Interdisziplinarität – quer zu den verschiedenen Ingenieurwissenschaften, aber auch mit den Sozial- und Geisteswissenschaften“, sagte Ruth Müller.
„Bei den ethischen Fragen denken wir schnell an die Dichotomie von Gut und Böse. Tatsächlich müssen wir komplexere Fragen berücksichtigen: Wir leben in einer Welt, in der es verschiedene Formen von Vorurteilen gibt. Wenn wir nicht aufpassen, werden diese in Datensätzen und damit durch die Technologie verfestigt.“ Um das zu verhindern, brauche es interdisziplinäre Kollaborationen.
Die TUM-Professorin nannte als Beispiel das vom bidt geförderte Projekt „Responsible Robotics“, das sie zusammen mit Professor Sami Haddadin und Professorin Alena M. Buyx (beide TU München) leitet. „In unserem Projekt zur Robotics geht es uns darum, in die Entwicklung des Roboters Garmi Patienten- und Patientinnen-Perspektiven einzubinden sowie die Perspektiven des medizinischen Personals – also eine Anwendung zu gestalten, die tatsächlich die Lebenswelt widerspiegelt, die Bedürfnisse der Personen, die mit dieser Anwendung arbeiten. Hier können ganz klassische sozialwissenschaftliche Methoden – vom Interview bis zur ethnografischen Beobachtung – dazu beitragen, Technologie anders zu gestalten.“
Wo die KI-Forscher arbeiten
Professor Dietmar Harhoff, Mitglied im bidt-Direktorium und Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, stellte auf dem Panel Ergebnisse einer Analyse vor, mit der erhoben wurde, wo Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über KI forschen. Dafür wurden wissenschaftliche Beiträge mit KI-Bezug im Zeitraum von 1995 bis 2018 erfasst, die auf Konferenzen vorgestellt wurden und von insgesamt 440.000 Autoren erfasst worden waren.
Wie die Auswertung zeigt, liegen die USA vorne – was Dietmar Harhoff zufolge auch die Meinung von Expertinnen und Experten widerspiegelt. Die KI-Forschung in China ist seit dem Jahr 2012 „im Aufwind“, so Harhoff.
Sein Fazit zum internationalen Vergleich: „Die europäische Forschung muss sich wirklich nicht verstecken. Aber wir müssen überlegen, wie wir die Kooperationen hinbekommen und zum Beispiel ein französisches Start-up mit einem bayerischen Forschungsinstitut zusammenarbeiten lassen können.“ Im bundesweiten Ranking sei die Forschung in Bayern „sehr gut positioniert. Sie ist in Deutschland führend und es gibt eine sehr positive Dynamik insbesondere in den vier Jahren 2015 bis 2018 mit hoher Internationalisierung.“
Grundlagenforschung weiter stärken
Weniger positiv fiel das Ergebnis zur Mobilität von KI-Forscherinnen und Forschern aus: So haben im Untersuchungszeitraum 867 von ihnen Deutschland verlassen – vor allem in Richtung USA, Schweiz und Großbritannien. „Das ist eine relativ hohe Zahl“, sagte Dietmar Harhoff und schloss seinen Vortrag mit der Empfehlung, die Attraktivität der Forschungseinrichtungen in Deutschland zu steigern und deutschlandaffine Forschende anzuwerben.
Im Gespräch mit den Präsidenten der FAU Erlangen-Nürnberg und der TH Ingolstadt, Professor Joachim Hornegger und Professor Walter Schober, wurde deutlich, dass Hochschulen für die Entwicklung und Gestaltung von KI Standorte vernetzen und den Bezug zur Praxis herstellen.
Auf die Frage, wie sich Bayern und Deutschland im internationalen Wettbewerb positionieren sollen, verwies Dietmar Harhoff abschließend auch auf die Bedeutung von Grundlagenforschung, „die durch die Neugier der Forscherinnen und Forscher getrieben ist“, und die Notwendigkeit, diese neben der Anwendungsorientierung weiterhin zu unterstützen.