Die Befürworterinnen und Befürworter eines Digitalministeriums auf Bundesebene setzen sich offenbar gerade durch: Nach der Wahl soll Deutschland ein Digitalministerium auf Bundesebene einrichten.
Das klingt auf den ersten Blick nach einer guten Idee, zumal die bisherigen Strukturen offensichtlich nur bedingt geeignet sind, Deutschlands digitalen Rückstand aufzuholen. Es herrscht vielmehr Kompetenzwirrwarr – insbesondere das Wirtschaftsministerium, das Innenministerium und das auch für digitale Infrastruktur zuständige Verkehrsministerium konkurrieren miteinander. Diese verteilten Zuständigkeiten müssen dringend gebündelt werden, damit die Digitalpolitik kohärenter und schneller wird – und das, so scheint es, ginge am besten in einem neuen Ministerium.
Laut Christoph Egle überlagere in der aktuellen Diskussion die politische Logik jedoch die Sachlogik. Es sei politisch opportun, ein Digitalministerium zu fordern, weil damit Initiative gezeigt und etwas Neues geschaffen werden könne. Parteien sowie Politikerinnen und Politiker könnten sich damit im Wahlkampf profilieren. Da im Bereich der Digitalpolitik zweifellos Handlungsbedarf herrsche, gebe es in der Bevölkerung einen Erwartungsdruck, anders zu handeln. Dabei würden Befürworterinnen und Befürworter eines eigenen Ressorts eine entscheidende Gefahr übersehen: Ein neues Haus würde zusätzliche Strukturen, Organisationen, Ämter und Bürokratie schaffen, obwohl doch das Gegenteil nötig sei. Egle führt drei zentrale Argumente auf. Erstens: Das neue Digitalministerium wird zu schwach sein, um etwas zu bewirken. Zweitens: Es besteht die Gefahr, dass das Digitalministerium in eine Zuständigkeitsfalle gerät, weil Kompetenzen nicht klar abgegrenzt werden können. Drittens: Der Aufbau bindet viel Zeit, Energie sowie Personal und wird daher einfach zu lange dauern.
Um Deutschlands digitalen Rückstand aufzuholen, brauche es laut Egle deshalb gar nicht diese „große Lösung“. Eine „kleine Lösung“ könne die bessere Alternative sein: die Stärkung der digitalpolitischen Koordination im Bundeskanzleramt. Wenn die künftige Regierung die bereits vorhandene Position einer Staatsministerin oder eines Staatsministers für Digitales im Kanzleramt stärke und mit handfesten Kompetenzen ausstatte, könne diese Stelle eine effektive Rolle bei der Steuerung und Koordinierung der Digitalpolitik spielen. Die Vorteile: Zum einen wäre diese Variante deutlich schneller umsetzbar. Zum anderen verbliebe die operative Umsetzung digitalpolitischer Projekte bei den jeweiligen Ministerien, es gäbe also keinen langwierigen Streit über die Zuständigkeiten.
Die Aufgaben einer Staatsministerin oder eines Staatsministers im Kanzleramt wären primär die Entwicklung und Fortschreibung der Digitalstrategie der Bundesregierung sowie die digitalpolitische Koordinierung. Für eine effektive Koordination verfüge nur das Bundeskanzleramt über die Autorität, die bisherigen digitalpolitischen Blockaden der Ressorts zu überwinden. Egles Appell lautet zudem, dass, egal ob ein Digitalministerium komme oder nicht, alle anderen Ressorts digitalpolitische Themen ernst nehmen, entsprechende Kompetenzen aufbauen und ihre Organisationsstruktur digital modernisieren müssten. Jedes Ministerium brauche – nach dem Vorbild der Privatwirtschaft – einen Chief Digital Officer und damit eine schlagkräftige Führungskraft, die sich um alle digitalen Wandlungsprozesse im Haus kümmert, diese zusammenführt und koordiniert. Deutschland stehe bei der kulturellen Öffnung der Ministerialverwaltung gegenüber diesen Organisations- und Managementformen noch sehr am Anfang. Dieser Kulturwandel würde die Digitalisierung in Deutschland jedoch stärker voranbringen als ein zusätzliches Ministerium, so Christoph Egles Resümee.