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Das 49-Euro-Ticket im Digitalabo – Chancen und Risiken für die Digitalisierung in Deutschland

Mit dem Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes hat das Bundeskabinett den Weg zur Einführung des sogenannten 49-Euro-Tickets freigemacht. Es soll ab dem 1. Mai 2023 zur bundeweiten Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs berechtigen und in digitaler Form in einem monatlich kündbaren Abonnement erhältlich sein.


Das 49-Euro-Ticket soll an den Erfolg des Neun-Euro-Tickets im Sommer 2022 anknüpfen, Bürgerinnen und Bürger finanziell entlasten, die Attraktivität des ÖPNV erhöhen und damit Anreize schaffen, auf Bus und Bahn umzusteigen, um einen Beitrag zu den Klimazielen zu leisten (Bundesregierung 2023).

Durch ein rein digitales Ticket soll außerdem langfristig die Grundlage dafür geschaffen werden, „Daten über Verkehrsströme besser erfassen zu können. Dies kann dabei helfen, die Angebote der Verkehrsverbünde zu optimieren und die Nutzung des Deutschlandtickets zu evaluieren.“ (Bundesregierung 2023), so die Argumentation.

Impuls für die Digitalisierung

Die Digitalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs durch ein deutschlandweit gültiges digitales Ticket voranzutreiben ist grundsätzlich zu begrüßen. So können dadurch nachhaltige Impulse für die Digitalisierung und Vereinheitlichung der digitalen Infrastruktur der Verkehrsverbünde in Deutschland gesetzt werden. Ferner vereinfacht sich damit in vielen Fällen der herrschende Tarifdschungel in den unterschiedlichen Verbünden.

Gleichzeitig gilt es aber festzustellen, dass viele Verbünde technisch derzeit noch gar nicht in der Lage sind, digitale Tickets regelmäßig bei allen Fahrten für eine Messung der Verkehrsströme zu erfassen. Auch deshalb ist bereits von Übergangslösungen die Rede, da zunächst in einigen Verbünden auf Papierticktes mit QR-Code für die unregelmäßig stattfindenden Kontrollen zurückgegriffen werden muss (tagesschau 2023).

Bis zum Erreichen des erstrebenswerten Ziels, Fahrgastströme in Echtzeit u. a. durch das digitale 49-Euro-Ticket zu messen, ist es also noch ein weiter Weg. Ein einheitliches Ticket ist dafür jedoch ein sinnvoller Startschuss.

Smartphone nicht für alle selbstverständlich

Neben der Anbieterseite gilt es auch die Verbraucherseite bei der Einführung eines rein digitalen Ticktes im Auge zu behalten. Denn so wichtig und in vielen Bereichen überfällig die Digitalisierung in Deutschland auch ist, ist darauf zu achten, dass sich die digitale Kluft in der Gesellschaft nicht weiter vergrößert. Entscheidend ist, alle Menschen bei der digitalen Transformation mitzunehmen und nicht diejenigen aus den Augen zu verlieren, die nicht die notwendigen technischen Voraussetzungen oder Kompetenzen mitbringen. So zeigen Zahlen des bidt-SZ-Digitalbarometers, dass rund 15 % der Bevölkerung ab 14 Jahren kein Smartphone nutzen. Von rund 72 Mio. Menschen in Deutschland ab 14 Jahren würden somit immerhin rund 11 Mio. Personen bei einer rein smartphonebasierten Lösung des 49-Euro-Tickets nicht erreicht werden. Vor allem unter älteren und einkommensschwächeren Personen nutzen überdurchschnittlich viele Menschen kein Smartphone.

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Ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus im Rahmen des bidt-SZ-Digitalbarometer.international, welches vergleichend in Österreich, Frankreich, Finnland, Italien, UK und Spanien durchgeführt wurde, offenbart für Deutschland tatsächlich Nachholbedarf. So zeigt sich, dass die Smartphonenutzung in den anderen Ländern insbesondere bei älteren Personen deutlich stärker ausgeprägt ist. Der Anteil der Smartphonenutzenden unter den 65-Jährigen und Älteren reicht dabei von rund 80 % in Ländern wie Spanien, Österreich, Frankreich und Großbritannien bis hin zu 90 % in Finnland.

Teils fehlende Kompetenzen für Onlinezahlungen

Auch ein rein online vertriebenes Ticket wird viele Menschen unabhängig von der Smartphonenutzung vor Herausforderungen stellen. So geben im bidt-SZ-Digitalbarometer rund 16 % der Deutschen ab 14 Jahren an, gar nicht oder nur mithilfe anderer Personen online für gekaufte Waren oder Dienstleistungen bezahlen zu können. Erneut sind davon in erster Linie ältere und einkommensschwächere Menschen betroffen. So gibt es in der Gruppe der 65-Jährigen und Älteren alleine knapp 7 Mio. Menschen in Deutschland, die sich selbst nicht zutrauen, online z. B. für das 49-Euro-Ticket zu bezahlen.

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Aber auch für diese Personengruppen ist kostengünstige Mobilität von entscheidender Bedeutung, sie dürfen bei der Ausgestaltung des 49-Euro-Ticktes nicht vergessen werden.

Fazit

Am Beispiel des 49-Euro-Ticktes zeigt sich damit einmal mehr, dass in Deutschland nicht nur bei der Digitalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, sondern auch bei der Nutzung digitaler Lösungen durch die Bevölkerung noch Luft nach oben ist. Weder die Anbieterseite noch die Verbraucherseite sind auf ein rein digitales Ticket im digitalen Abonnement vollumfänglich vorbereitet.

Der Digitalisierung des ÖPNV mit der Einführung des Ticktes einen Schub zu verleihen, ist ein wichtiges und richtiges Ziel. Digitale Chipkarten, bedarfsweise mit QR-Code, können daher Ergänzungen zum Ticket in der Smartphone-App sein. Diese müssen dann aber auch für Personen ohne digitale Kompetenzen geeignet und zugänglich sein.

Dabei ist aber auch klar: Ein digitales Ticket alleine bewirkt nur wenig. Erst wenn auch die digitale Infrastruktur zur flächendeckenden Erfassung der Ticktes vorhanden ist, lassen sich Verkehrsströme in Echtzeit analysieren. Erst wenn die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung ein Niveau erreicht haben, dass alle Bürgerinnen und Bürger auch ein digitales Onlineticket ohne fremde Hilfe erwerben können, ist ein Teilerfolg der digitalen Transformation erzielt. Im Idealfall können durch die Einführung des 49-Euro-Tickets sowohl Verkehrsströme in Zukunft besser erfasst als auch Anreize geschaffen werden, die Nutzung digitaler Dienste in der Bevölkerung weiter zu verbreiten.

Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Egle, Christian Stumpf und Antonia Schlude.

Die vom bidt veröffentlichten Blogbeiträge geben die Ansichten der Autorinnen und Autoren wieder; sie spiegeln nicht die Haltung des Instituts als Ganzes wider.