Andreas Jungherr ist Juniorprofessor an der Universität Konstanz und forscht über die politische Kommunikation von Parteien.
Wie verändern digitale Medien den politischen Kommunikationsraum?
Die digitalen Medien schwächen die Kraft von etablierten politischen Gruppen. Vor zehn, fünfzehn Jahren war es für politische Parteien noch notwendig, dass die traditionellen Medien deutschlandweit ihre Position aufgreifen, damit sie wahrgenommen werden. Verglichen mit heute waren die Medien unabhängiger in ihren Entscheidungen, worüber sie berichten, da ihre ökonomische Situation stabiler war. Sie hatten es nicht nötig, über jede Provokation im politischen Raum zu berichten. Zudem war die Zahl der Medien begrenzt. Sie konnten so der politischen Kommunikation Struktur geben und mitbestimmen, welcher Ton in der politischen Debatte zugelassen war.
Das ist heute nicht mehr der Fall. Heute kann jeder seine Position über die digitalen Medien vorbringen und sie kann von jedem gehört werden. Über die Kanäle der sozialen Medien lassen sich viele Menschen erreichen. Zugleich ist der ökonomische Druck höher, unter dem Medien heute stehen. Das führt dazu, dass Provokationen von politischen Akteuren über viele Onlinemedien verbreitet werden. Nehmen Sie zum Beispiel den Wahlkampf von Donald Trump, der gezielt auf Regelverstößen basierte. Die Medien haben diese bereitwillig aufgegriffen, da es auch ihren eigenen Einschaltquoten zugutekam.
Das alleinige Ausblenden von politischen Provokationen hilft nicht mehr.
Was bedeutet das für traditionelle Medien, die Themen aus dem digitalen Raum aufgreifen? Sollten sie auf manches einfach nicht aufspringen?
Das sagt sich so leicht. Aber die Frage ist, ob Medien diesen Handlungsspielraum heute noch haben. Können sie überhaupt einflussreich sein, wenn sie über Dinge nicht berichten, die online einen großen Raum einnehmen? Das alleinige Ausblenden von politischen Provokationen hilft nicht mehr. Hilfreicher wäre, sie zu kontextualisieren: eine Provokation nicht einfach als Tatsache berichten, sondern sie in ihren Zusammenhang stellen. Die Herausforderung für Medien ist dabei, dass sie nicht selbst als politische Akteure wahrgenommen werden.
Was bedeuten digitale Medien also für Demokratien?
Digitale Medien sind weder eine Gefahr noch eine Chance. Es ist der Umgang mit ihnen, der sie dazu macht. Noch vor zehn, fünfzehn Jahren sah sich die Politik mit dem Vorwurf konfrontiert, das politische System sei abgehoben, zu technokratisch, der Einzelne habe kaum Einfluss. Mit den digitalen Medien sind die politischen Alternativen nun auf einmal da. Mal heißen die Herausforderer Barack Obama, der in seinem ersten Wahlkampf 2008 um die Nominierung für die Präsidentschaftskandidatur sehr von digitalen Medien profitiert hat, mal Donald Trump. Die Frage ist, wie sich sicherstellen lässt, dass neue politische Herausforderer den demokratischen Austausch weiterbringen. Ich glaube, wir müssen uns von der passiven Bürgerrolle verabschieden. Damit das demokratische System stabil bleibt, wird sich auch der Einzelne stärker einbringen müssen.