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Knoten in der Wissenslandkarte

Disziplin

Kommunikationswissenschaft

Podcasts

Lesezeit: 7 Min.

Aus technischer Perspektive sind Podcasts digitale Audiodateien, die mittels einer Internetverbindung über Apps, Websites oder Audioplattformen abgerufen werden können (Streaming) oder für den späteren Gebrauch auf digitale Endgeräte wie Smartphones oder Tablets heruntergeladen werden können (Downloads)[6]. Podcasts zeichnen sich für die Hörerinnen und Hörer durch einen selbstsouveränen Rezeptionsmodus aus: Im Gegensatz zu traditionellen Rundfunkmedien können die Rezipientinnen und Rezipienten die verschiedenen Inhalte unabhängig von linearen Sendezeiten und geografischen Limitationen nutzen, wodurch eine individualisierte, flexible Mediennutzung möglich wird.

In der Regel besitzen Podcasts eine serielle Struktur: Viele Podcasts bestehen aus mehreren Staffeln bzw. Episoden, die den Hörerinnen und Hörern in bestimmten Abständen, beispielsweise wöchentlich oder monatlich, zur Verfügung gestellt werden[4]. Das Angebot deckt eine breite Palette von Genres und Themen ab, wobei jeweils informative, unterhaltende oder erzählerische Elemente enthalten sein können[7]. Besonderer Popularität erfreuen sich Formate in den Bereichen „Politik und Gesellschaft“, „Wissenschaft und Technik“ und „Freizeit, Hobby und Games“[11]. Der „News Podcast“ ist insbesondere für jüngere Nutzergruppen ein wichtiger Baustein der alltäglichen Informationsvermittlung und politischen Willensbildung[8].

Die Nutzung von Podcasts stagniert aktuell auf hohem Niveau[9]. 45,9 Prozent der 14- bis 29-Jährigen, 39,5 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und 17,4 Prozent der über 50-Jährigen hören zumindest gelegentlich Podcasts[11]. Insgesamt 11 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen Podcasts ein- bis mehrmals wöchentlich. 24,9 Prozent von ihnen rufen Podcasts mindestens einmal im Monat auf. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen liegt dieser Anteil sogar bei 39,7 Prozent. Besonders populär für den Abruf der Angebote sind die Audioplattformen Spotify, YouTube und Google Podcast. Dabei ist Spotify die bevorzugte Zugangsmöglichkeit der 14- bis 49-Jährigen. Die über 50-Jährigen nutzen vor allem Audiotheken und Websites.

Die Rezeption von Podcasts geht für die Hörerinnen und Hörer mit einem hohen Maß an Intimitätserleben einher[3]. Das liegt daran, dass die Nutzerinnen und Nutzer die Audioformate häufig auf dem Smartphone und über Kopfhörer abrufen und viele Podcasterinnen und Podcaster direkt und persönlich zu ihren Hörerinnen und Hörern sprechen, oft in einem vertrauten Tonfall. So entsteht durch die fortlaufende Nutzung häufig eine enge und persönliche Verbindung zwischen den Podcasterinnen/Podcastern und ihrem Publikum, die in eine parasoziale Beziehung münden kann[12]. Viele Audioplattformen für Podcasts stellen interaktive Features wie Kommentarfunktionen, Bewertungsmöglichkeiten und Communityforen zur Verfügung, in denen die Rezipierenden mit den Hosts in Kontakt treten können, die Hörerinnen und Hörer sich aber auch untereinander austauschen können. Zahlreiche Formate haben engagierte Fangemeinden, die beispielsweise auch auf Liveevents miteinander ins Gespräch kommen.

Entwicklung

Mit der sogenannten ersten Welle gewann die Entwicklung von Podcasts ab dem Jahr 2000 an Dynamik[4]. In dieser frühen Phase des Mediums wurden die ersten Podcasts publiziert[2]. Zentral für die Genese waren verschiedene Basistechnologien des Internets, darunter vor allem die RSS-Funktionalität, aber auch MP3-Dateien und mobile Abspielgeräte wie der iPod trugen zur Entwicklung bei. Ab 2014 kam es zur zweiten Welle in der Entstehungsgeschichte des Mediums. Dieses „Second Age“ oder „Golden Age“ von Podcasts fand seinen Ausdruck in den steigenden Rezeptionszahlen[1]. Begünstigt wurde die neue Dynamik durch die Verbreitung von Smartphones und Smartspeakern, geringeren Kosten für mobiles Internet auf diesen Geräten sowie die Etablierung von weiteren Streamingplattformen. Einen signifikanten Impuls für die weitere Entwicklung generierte die Coronapandemie ab 2020: Der erhöhte Bedarf an digitaler Unterhaltung und Informationen während der Lockdowns führte nicht nur zu einer Zunahme der Audioangebote, sondern auch zu einer rapiden Steigerung der Rezipierenden[9]. Die Rezeptionsdynamik von Podcasts befindet sich seither auf einem stabilen Niveau.

Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen

Podcasts sind ein eigenständiges Medium mit einer bestimmten Merkmalskombination. Sie komplementieren traditionelle Rundfunkmedien und erweitern sie in zahlreichen Aspekten.

Ein zentrales Charakteristikum von Podcasts ist die Loslösung von der linearen Verbreitungslogik. Während das Radioprogramm nach festen Sendezeiten verbreitet wird und die Hörerinnen und Hörer zum Zeitpunkt der Ausstrahlung einschalten müssen, ist die Rezeption von Podcasts zeitunabhängig. Das Radio wird als Nebenher- bzw. Begleitmedium klassifiziert. Podcasts zeichnen sich dagegen durch eine aktive, bewusste Nutzung aus. Podcasts werden darüber hinaus als eine „Push-Pull-Technologie“ charakterisiert[13]. Die Nutzerinnen und Nutzer wählen und abonnieren die Inhalte zunächst gezielt, wobei ihnen neue Episoden danach automatisch bereitgestellt werden.

Das Radio gilt als etabliertes Massenmedium, das zum klassischen Medienkanon gehört. Es adressiert eine breite Zielgruppe und erreicht ein großes Publikum. Die Programmgestaltung ist daher auf Massenattraktivität ausgerichtet, deshalb besteht eine Vielzahl von Radioformaten. Obwohl sich Podcasts zunehmend im Medienrepertoire durchsetzen, gelten sie nach wie vor eher als Nischenmedium, da sie spezifische Publika und Interessen abdecken. Podcasts greifen dennoch auch bekannte Darstellungsformen aus traditionellen Rundfunkmedien auf, darunter gängige Formen wie das Interview, das Kolleginnen- und Kollegengespräch, die Reportage oder das Magazinformat. Mit der charakteristischen Synthese aus Authentizität und Storytelling setzen Podcasts aber auch neue, innovative Formate des auditiven Erzählens um.

Wesentliche Unterschiede bestehen außerdem im Hinblick auf die Monetarisierung. Privates Radio wird vor allem durch Werbung, öffentlich-rechtliches Radio über Rundfunkbeiträge finanziert. Im Gegensatz dazu greifen Podcasts auf verschiedene Monetarisierungsmodelle zurück, darunter vor allem Werbung (Pre-Roll, Mid-Roll, Post-Roll), Sponsoring, Abonnement- bzw. Mitgliedschaftsmodelle, Crowdfunding, Affiliate-Marketing oder Verkauf von Merchandise.

Gesellschaftliche Relevanz

Aufgrund der geringen Produktionskosten und des niedrigschwelligen Zugangs gelten Podcasts bereits seit ihren Pionierjahren als ein partizipatives Medium, das es einer heterogenen Demografie ermöglicht, die eigenen Narrative mit einer breiten Öffentlichkeit zu teilen. Dieser Umstand trägt nicht nur zu einer Diversifizierung von Perspektiven in der Medienlandschaft bei, sondern ermöglicht auch die Inklusion und Sichtbarkeit von marginalisierten Stimmen, die im traditionellen Medienkontext unterrepräsentiert sind. Durch diese integrative Funktion fördern Podcasts nicht nur eine Demokratisierung der Inhaltserstellung, sondern auch eine pluralistische Diskurskultur. Die zunehmende Professionalisierung von Podcasts, die Kommerzialisierung durch große Medienproduktionsunternehmen und die Empfehlungs- sowie Auffindbarkeitsalgorithmen auf den großen Audioplattformen bedrohen dieses Potenzial allerdings.

Podcasts haben die grundlegenden Paradigmen der Medienproduktion bzw. -rezeption revolutioniert. Das Produktionsumfeld von Podcasts bietet Kreativschaffenden aus sämtlichen gesellschaftlichen Gruppen einen experimentellen Spielraum, in dem sie innovative Formate und Erzähltechniken erproben bzw. etablieren können, darunter beispielsweise lange Interviews, Erzählformate oder Klangcollagen. Mit dem Schaffen neuer narrativer Strukturen und auditiver Ästhetiken erweitern Podcasts die traditionellen Medienformen um weitere kreative Ausdrucksweisen und tragen zur Transformation der Medienlandschaft bei. Podcasts müssen daher als Katalysatoren der medialen Informationsvielfalt und Innovation begriffen werden.

Quellen

  1. Bonini, T. (2015). The „Second Age“ of Podcasting: reframing Podcasting as a New Digital Mass Medium, In: Quaderns Del CAC 18 (41), 21–30.
  2. Bottomley, A. J. (2015). Podcasting: A Decade in the Life of a „New“ Audio Medium: Introduction. In: Journal of Radio & Audio Media 22 (2), 164–169.
  3. Euritt, A./Korfmacher, A. (2020). Intimität und Zeitlichkeit der Podcast-Kommentarform. In: kommunikation@gesellschaft 21 (2). DOI: 10.15460/kommges.2020.21.2.619.
  4. Frühbrodt, L./Auerbacher, R. (2021). Den richtigen Ton treffen. Der Podcast-Boom in Deutschland. Frankfurt am Main.
  5. Katzenberger, V./Keil, J. (2024, in press). All Ears On? A Survey on Podcasters’ Profiles, Practices, and Self Perceptions. In: Studies in Communication Science 24 (3).
  6. Katzenberger, V./Keil, J./Wild, M. (2022a). Hinter dem Mikrofon: Podcaster*innen im deutschsprachigen Raum. In: Katzenberger, J./Keil J./Wild, M. (Hg.). Podcasts, Wiesbaden, 23–50. DOI: 10.1007/978-3-658-38712-9_2.
  7. Katzenberger, V./Keil, J./Wild, M. (2022b). Mehr als die Summe seiner Teile: Entwicklung, Forschungsstand und Definition von Podcasts. In: Katzenberger, J./Keil J./Wild, M. (Hg.). Podcasts, Wiesbaden, 1–19. DOI: 10.1007/978-3-658-38712-9_1.
  8. Katzenberger, V. et al. (2023). Infotainers, Mediators, or Watchdogs? Mapping the Field of News Podcasters and Their Role Conceptions in Germany, Austria, and Switzerland. In: Journalism and Media 4 (3), 820–834.
  9. Kupferschmitt, T./Müller, T. (2021). Aktuelle Ergebnisse der repräsentativen Langzeitstudie ARD/ZDF-Massenkommunikation: Trends 2021: Mediennutzung im Intermediavergleich. In: Media Perspektiven 7/8, 370–395.
  10. Kupferschmitt, T./Müller, T. (2023). Aktuelle Ergebnisse der repräsentativen Langzeitstudie. ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2023: Mediennutzung im Intermediavergleich. In: Media Perspektiven, 1–20.
  11. Online-Audio-Monitor (2023). Online-Audio-Monitor 2023 [online]. https://www.online-audio-monitor.de/aktuelle-studie/ [13.09.2024].
  12. Schlütz, D./Hedder, I. (2021). Aural Parasocial Relations: Host-Listener Relationships in Podcasts. In: Journal of Radio & Audio Media, 1–18. DOI: 10.1080/19376529.2020.1870467.
  13. Spinelli, M./Dann, L. (2019). Podcasting. The Audio Media Revolution. New York.