Der Begriff People Analytics fasst verschiedene Verfahren der Datenanalytik im Personalmanagement zusammen. Hierbei werden digitale Daten von und über Beschäftigte erfasst und systematisch ausgewertet. Das Ziel von People Analytics ist es, Managerinnen und Manager durch die Auswertung großer Datenmengen bei personalrelevanten Entscheidungen zu unterstützen[1]. Diese können zum Beispiel die Frage betreffen, welche Beschäftigten geeignete Fähigkeiten haben, um ein kommendes Projekt zu leiten, welche Gründe zu hoher Arbeitszufriedenheit oder Kündigungen von Beschäftigten führen oder welche Abteilungen zukünftig von Personalengpässen betroffen sein könnten.
Forschende unterscheiden typischerweise zwischen drei Reifegraden von People Analytics[2]. Deskriptives People Analytics beschreibt die Gegenwart oder Vergangenheit und ist eng verwandt mit klassischem Personalcontrolling oder Reporting. In der Personalplanung kann dies zum Beispiel die Erstellung von Kompetenzprofilen der Beschäftigten darstellen. Bei prädiktivem People Analytics hingegen sollen Zusammenhänge identifiziert und anhand statistischer Modelle Prognosen erstellt werden. Beispielsweise kann mittels Daten wie Betriebszugehörigkeit, Alter, Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte oder Beschäftigtenbefragungen die mögliche Fluktuation in der Belegschaft prognostiziert oder Gründe für eine hohe Kündigungswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Beim präskriptiven People Analytics, der fortgeschrittensten Form solcher Analysen, werden Szenarien modelliert, Handlungen empfohlen oder – je nach rechtlicher Lage im Einsatzland – bereits umgesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die Teilautomatisierung der Schichtplanung anhand von Daten wie Auftragslage, Kundenaufkommen oder Kompetenzen der Beschäftigten. Der Übergang von traditionellen Personalpraktiken hin zu datengetriebenen People-Analytics-Ansätzen ist in der Praxis häufig fließend.
Es handelt sich bei People Analytics keineswegs um eine konkrete Technologie. Vielmehr kommen unterschiedliche technische Verfahren zum Einsatz, um die jeweilige konkrete Fragestellung des Unternehmens zu beantworten. Zunehmend ermöglicht wurde People Analytics in den vergangenen Jahren durch die wachsende Verfügbarkeit digitaler Beschäftigtendaten und Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz, die zunehmend komplexe Auswertungen und Prognosen im Personalbereich erlauben[3]. In Forschung und Praxis ist das Phänomen People Analytics daher eng mit Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz verbunden. Ergebnisse von Analysen werden Managerinnen und Manager häufig in Form von Dashboards zur Verfügung gestellt, die es ihnen ermöglichen sollen, gezielte Maßnahmen aus den Analysen abzuleiten. Ziele solcher Maßnahmen können beispielsweise sein, Fluktuation oder Fehlbesetzungen zu reduzieren, um so die Unternehmensleistung zu verbessern.
Während People Analytics einerseits Prozesse vereinfachen und Entscheidungsfindungen verbessern kann, etwa indem Daten über Chancengleichheit und Diversität im Unternehmen strukturiert ausgewertet werden oder maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote entwickelt werden, müssen ethische und datenschutzrechtliche Fragen im Fokus der Nutzung stehen. Anders als bei der Nutzung von Datenanalytik in Bereichen wie Finanzen oder Einkauf stellt im Personalbereich die Sensibilität der Daten eine besondere Herausforderung dar. Abhängig davon, welche Daten ausgewertet werden (ob diese z. B. anonymisiert oder aggregiert verwendet werden) und wer auf diese Daten Zugriff hat, kann People Analytics in die Privatsphäre der Beschäftigten eindringen und zu Überwachung führen[4]. Insbesondere Verfahren wie die der künstlichen Intelligenz ermöglichen zwar zunehmend umfangreiche Einblicke und Prognosen, eröffnen aber auch besonders große ethische Herausforderungen hinsichtlich ihres Zukunftsanspruchs. Ihre Komplexität erschwert die Nachvollziehbarkeit von Prognosen, kann zu Diskriminierung führen oder Veränderungen hemmen (z. B. wenn Frauen unterrepräsentiert sind in Datensätzen, die hinsichtlich geeigneter Führungskompetenzen ausgewertet werden). Auch selbsterfüllende Prophezeiungen können entstehen, wenn eine Analyse ergibt, dass eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter eine hohe Kündigungswahrscheinlichkeit hat, dadurch weniger Förderung durch die Führungskraft erfährt und schließlich tatsächlich kündigt. Präskriptive Analysen, die Handlungen empfehlen, werfen Fragen danach auf, inwieweit empfohlene Entscheidungen durch Führungskräfte und Beschäftigte hinterfragt werden. Wie der Einsatz von People Analytics sich auf Beschäftigte und Unternehmen auswirkt, hängt davon ab, wie es gestaltet und in die Praxis umgesetzt wird[5]. Betriebsvereinbarungen können sicherstellen, dass der Einsatz solcher Softwares auch den Beschäftigten zugute kommt.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Bevor Beschäftigtendaten digital erfasst wurden, fand ihre Verwaltung und Organisation analog statt, wie beispielsweise durch das manuelle Abstempeln von Karten zur Zeiterfassung oder papierbasierte Personalakten. Durch die zunehmende digitale Erfassung von Beschäftigtendaten, die nicht nur Stammdaten wie das Alter, den Geburtsort oder das Gehalt umfassen kann, sondern auch Verhaltensdaten wie die Nutzung interner Systeme (z. B. interne soziale Medien oder Weiterbildungsplattformen) oder Inhaltsdaten (z. B. Beschäftigtenbefragungen), eröffnen sich neue Möglichkeiten, gezielt personalrelevante Fragestellungen auf Basis dieser Daten zu beantworten.
In den Debatten rund um People Analytics wird diese systematische Datenauswertung häufig dem Bauchgefühl von Managerinnen/Managern gegenübergestellt[6]. Während eine Managerin oder ein Manager beispielsweise in persönlichen Gesprächen mit Beschäftigten einen Eindruck von der aktuellen Stimmung in der Belegschaft gewinnen kann, bieten People Analytics Softwares die Möglichkeit, diese mittels regelmäßiger, automatisierter Impulsbefragungen zu analysieren und in Dashboards aufzubereiten. Eine Schichtplanerin/ein Schichtplaner kann einen geeigneten Schichtplan manuell erstellen anhand vorhandener Daten über benötigtes Personal und Gesprächen mit Beschäftigten über ihre Präferenzen hinsichtlich Arbeitszeiten. People Analytics Softwares nutzen große Datenmengen über Schichtpläne der Vergangenheit, Kundenaufkommen oder gar das Wetter, um mögliche Schichtpläne vorzuschlagen. People Analytics Softwares und die zugrunde liegende Technologie ermöglichen es, große Datenmengen in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten und zudem viele unterschiedliche Datenquellen zu integrieren. Insbesondere fortgeschrittenes People Analytics, also prädiktive oder präskriptive Anwendungsfälle, können so die Fähigkeiten menschlicher Managerinnen und Manager hinsichtlich der Verarbeitung relevanter Informationen deutlich übersteigen.
Im Vergleich zu diesen analogen Arten der Entscheidungsfindung, die auf menschlichem Erfahrungswissen basieren, führt People Analytics jedoch dazu, dass ausschließlich quantifizier- und messbare Kriterien berücksichtigt werden[7]. Das bedeutet, dass wichtige Informationen, die nicht digital erfasst wurden, vernachlässigt werden können. Ein System kann etwa erfassen, dass eine Beschäftigte/ein Beschäftigter eine Schulung auf einer Weiterbildungsplattform nicht abgeschlossen hat, während die Gründe hierfür hingegen nicht erfasst werden. Die Managerin/der Manager kann die vielfältigen beruflichen oder persönlichen Gründe hierfür jedoch aus der tagtäglichen Zusammenarbeit möglicherweise einschätzen. In der Praxis greifen die Analysen und menschliches Erfahrungswissen daher ineinander und sollten sich gegenseitig ergänzen. So wird sichergestellt, dass Beschäftigte nicht auf messbare Metriken reduziert werden.
Gesellschaftliche Relevanz
Durch den Einsatz von People Analytics verändern sich Prozesse im Arbeitsalltag von Managerinnen/Managern und Beschäftigten. In der Regel sind es Managerinnen/Manager, die über die Frage- und Zielstellung der Analysen bestimmen und die Erkenntnisse in ihre jeweiligen Entscheidungen einfließen lassen. Beschäftigte sind hingegen die Objekte solcher Analysen, deren Daten mit dem Ziel der Optimierung von Managemententscheidungen analysiert werden. Insbesondere die Analyse von Verhaltensdaten wie der Nutzung interner Kommunikationssysteme wie E-Mail- oder Videokonferenzsoftwares kann eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ermöglichen und unterliegt daher in Deutschland strengen gesetzlichen Regelungen. Zudem entstehen Informationsasymmetrien zwischen Management und Beschäftigten, wenn Daten und Analysen lediglich dem Management vorliegen. Auf diese Weise können sich bestehende Machtgefälle in Unternehmen verfestigen[8]. Die Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer Vertreterinnen und Vertreter ist daher von großer Bedeutung, wenn Unternehmen People Analytics nutzen.
Aufgrund der zunehmenden Nutzung von People Analytics spielt der Schutz von Beschäftigtendaten auch in politischen Debatten eine Rolle: In Deutschland soll ein eigenständiges Beschäftigtendatengesetz zukünftig für Rechtsklarheit sorgen [9]. Die weitreichenden gesellschaftlichen Implikationen von People Analytics gehen jedoch über unmittelbare Veränderungen für Unternehmen hinaus. Es führt zu einem Wandel gesellschaftlicher Normen und Erwartungen hinsichtlich der Transparenz von Personalentscheidungen, dem Umgang mit Privatsphäre am Arbeitsplatz und Kriterien der Bewertung von Leistung und Führung.
Weiterführende Links und Literatur
Quellen
- Marler, J. H./Boudreau, J. W. (2017). An evidence-based review of HR Analytics. In: The International Journal of Human Resource Management 28(1), 3–26. https://doi.org/10.1080/09585192.2016.1244699
- Giermindl, L. M. et al. (2021). The dark sides of people analytics: Reviewing the perils for organisations and employees. In: European Journal of Information Systems 31(3), 410–435. https://doi.org/10.1080/0960085X.2021.1927213
- Leonardi, P. M. (2021). COVID‐19 and the new technologies of organizing: Digital exhaust, digital footprints, and artificial intelligence in the wake of remote work. In: Journal of Management Studies 58(1), 249–253. https://doi.org/10.1111/joms.12648
- Tursunbayeva, A. et al. (2021). The ethics of people analytics: Risks, opportunities and recommendations. In: Personnel Review 51(3), 900–921. https://doi.org/10.1108/PR-12-2019-0680
- Jörden, N. M./Sage, D./Trusson, C. (2021). ‘It’s so fake’: Identity performances and cynicism within a people analytics team. In: Human Resource Management Journal 32(3), 524–539. https://doi.org/10.1111/1748-8583.12412
- Loscher, G. J./Bader, V. (2023). Creating accountability through HR analytics – An audit society perspective. In: Human Resource Management Review 33(4), 1–11. https://doi.org/10.1016/j.hrmr.2023.100974
- Greasley, K./Thomas, P. (2020). HR analytics: The onto‐epistemology and politics of metricised HRM. In: Human Resource Management Journal 30(4), 494–507. https://doi.org/10.1111/1748-8583.12283
- Jarrahi, M. H. et al. (2021). Algorithmic management in a work context. In: Big Data & Society 8(2), 1–14. https://doi.org/10.1177/20539517211020332
- Denkfabrik digitale Arbeitsgesellschaft (2024). Auf dem Weg zu einem Beschäftigtendatengesetz: Rechtsklarheit und Vertrauen für eine erfolgreiche digitale Transformation. https://www.denkfabrik-bmas.de/schwerpunkte/beschaeftigtendatenschutz/auf-dem-weg-zu-einem-beschaeftigtendatengesetz-rechtsklarheit-und-vertrauen-fuer-eine-erfolgreiche-digitale-transformation [09.08.2024].