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Wirtschaftsingenieurwesen

Everything-as-a-Service-Geschäftsmodelle für die Industrie

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Bei Everything-as-a-Service (XaaS)-Geschäftsmodellen fasst der Anbieter verschiedene Dienstleistungen und Produkte in Form eines Wertversprechens als Service zusammen. Dieser wird beim Kunden wiederkehrend erbracht und (basierend auf dem tatsächlichen Kundenmehrwert) abgerechnet [1],[ 2], [3], [4]. Beispiele für XaaS-Modelle sind Software-as-a-Service, Equipment-as-a-Service, Process-as-a-Service oder Production-as-a-Service. Die Verantwortung für die physischen Produkte inklusive regelmäßiger Wartung und Instandhaltung verbleibt beim Anbieter, während der Nutzer durch die Buchung und Bezahlung (Subskription) ein Nutzungsrecht erhält. Damit können XaaS-Geschäftsmodelle als Subskriptionsmodelle verstanden werden, bei denen der Kunde am Ende einer Abrechnungsperiode nur für den faktisch generierten Nutzen bezahlt [5]. Üblicherweise erfolgt die Monetarisierung basierend auf der zeitlichen oder technischen Verfügbarkeit (z. B. Pay-per-Readiness), der tatsächlichen Nutzung (z. B. Pay-per-Use), der Performance bzw. des generierten Outputs (z. B. Pay-per-Output) oder dem generierten Erfolg bzw. ökonomischen Wert (z.B. Pay-per-Outcome)[6], [2]. Wobei auch Kombinationen der einzelnen Abrechnungsmodelle möglich sind.

Wie beim Anbieterleasing erschließt der Anbieter dadurch neue Umsatzpotenziale und erhöht darüber hinaus die Kundenbindung[1], [5]. Die Kunden profitieren hingegen von einer steigenden Flexibilität, da sie die Services je nach Bedarf abonnieren und nutzen können, der Übernahme von Risiken, insbesondere operationeller Risiken, durch den Anbieter sowie dem Zugang zu neuesten Technologien und Anlagen, da die für die Nutzung notwendigen Investitionen (CAPEX) ausbleiben[7], [8], [1], [9]. Dies senkt die Eintrittsbarrieren insbesondere für kleinere Unternehmen und fördert Innovationen, da Ressourcen und Wissen geteilt und schneller zugänglich gemacht werden können.

XaaS-Geschäftsmodelle unterscheiden sich von klassischen Betreibermodellen insbesondere dadurch, dass durch die Nutzung von I4.0-Technologien eine Vernetzung zwischen Kunden und Anbieter ermöglicht wird. Dadurch fördern XaaS-Geschäftsmodelle die Vernetzung und Automatisierung von Prozessen und machen diese Geschäftsmodelle grundsätzlich als strategisches Werkzeug für die Industrie interessant. Damit spielt XaaS eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen. Durch den Einsatz von IoT (Internet of Things), Cloud-Computing und Big Data können industrielle Prozesse überwacht, detailliert analysiert und nahezu in Echtzeit optimiert werden[1], [10], wovon beide Parteien profitieren[1], [8], [10]. Durch eine durchgehende Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen kann die gesamte Wertschöpfungskette optimiert werden.

Neben den Vorteilen bergen XaaS-Modelle für den Anbieter jedoch auch einige Herausforderungen. Dadurch, dass sich die Zahlungsströme (Cashflows) bei XaaS-Geschäftsmodellen zeitlich nach hinten verschieben und zudem, je nach Abrechnungsmodell, einer gewissen Variabilität unterliegen, übernimmt der Anbieter die Finanzierungsfunktion. Dies kann insbesondere bei XaaS-Geschäftsmodellen mit kapitalintensiven Leistungsbestandteilen (hohe Anfangsinvestitionskosten beim Anbieter) zu einer finanziellen Herausforderung werden[11], [5]. In diesem Fall könnte der Anbieter die Finanzierung an Banken oder private Investoren auslagern. Darüber hinaus ist bei der Einführung von XaaS-Geschäftsmodellen von anfänglichen Umsatzverlusten auszugehen, wenn der Kunde von der Datenweitergabe und den Abrechnungsmodellen überzeugt werden muss[11], [5]. Des Weiteren kann die technische, prozessuale und organisatorische Umsetzung von XaaS-Modellen für den Anbieter zur Herausforderung werden, um eine sichere, verlässliche und robuste Abrechnung der erbrachten Leistung zu ermöglichen und die Daten zur Optimierung des Leistungsangebots zu nutzen[4], [5]. Dies erfordert Kompetenzen insbesondere in den Bereichen der Cybersicherheit, IT-Architektur und Data Science [5].

Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen

Everything-as-a-Service (XaaS)-Geschäftsmodelle bieten Unternehmen die Möglichkeit, verschiedene Dienstleistungen und Produkte als flexible, abonnierbare Services zu nutzen. Ein vergleichbares analoges Phänomen ist das Leasing von Ausrüstung und Maschinen. Beim Leasing mieten Unternehmen Ausrüstung oder Maschinen für einen bestimmten Zeitraum, anstatt sie direkt zu kaufen. Auf diese Weise können sie die Ausrüstung nutzen, ohne hohe Anfangsinvestitionen tätigen zu müssen.

Im Vergleich zum Leasing bieten XaaS-Geschäftsmodelle jedoch zwei wesentliche Vorteile. Erstens lassen sich XaaS-Geschäftsmodelle durch die digitale Komponente wesentlich einfacher und flexibler (erhöhte Veränderbarkeit) skalieren als traditionelle Leasingverträge für rein physische Produkte. Zweitens erlauben die digitalisierten und vernetzten Anlagen (Vernetzung und Datenintegration) eine Echtzeitüberwachung und ‑optimierung der Produktionsprozesse (Automatisierung), indem Daten gesammelt, analysiert und für Optimierungsmodelle genutzt werden (Erzeugung und Verarbeitung großer Datenmengen)[13]. Diese Datensammlung und -analyse findet teilweise unternehmensübergreifend statt, sodass alle Nutzer von Prozessoptimierungen profitieren können. Damit weisen XaaS-Geschäftsmodelle eine hohe Digitalspezifizität auf.

Ein weiteres vergleichbares Phänomen sind Serviceverträge, beispielsweise für regelmäßige Wartungen und Reparaturen. Auch für diese Verträge werden häufig fortlaufende, wiederkehrende Zahlungen vereinbart und stellen eine kontinuierliche Betreuung und Unterstützung durch den Anbieter sicher. Im Gegensatz dazu weisen Serviceverträge nur eine eingeschränkte Skalierbarkeit auf und zielen nicht darauf ab, das Leistungsangebot kontinuierlich und automatisch zu optimieren.

Gesellschaftliche Relevanz

Everything-as-a-Service (XaaS)-Geschäftsmodelle weisen eine hohe gesellschaftliche Relevanz auf. Diese ergibt sich aus der Fähigkeit von XaaS-Geschäftsmodellen, technologische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen anzugehen und positive Veränderungen in verschiedenen Bereichen zu bewirken. So fördern XaaS-Modelle den Zugang zu neuesten Technologien und Dienstleistungen, da hohe Anfangsinvestitionen ausbleiben. Dadurch werden Innovationen gefördert und die Digitalisierung von Unternehmen beschleunigt. Darüber hinaus leisten XaaS-Modelle einen Beitrag zur Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit, da Prozesse optimiert und ungenutzte Maschinen und Anlagen an den Hersteller zurückgegeben werden können. Zudem ermöglichen XaaS-Modelle durch automatisierte und optimierte Prozesse eine Steigerung der Produktivität und in der Folge sinkt der Bedarf an Arbeitskräften, insbesondere wenn die Fertigung von einer Einschichtfertigung auf eine nahezu mannlose Dreischichtfertigung ausgeweitet werden kann. Damit erhöhen XaaS-Modelle auch die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Quellen

  1. Classen, M. et al. (2019). „Everything as a service? Introducing the St.Gallen IGaaS Management Model. In: Proceedings of the 2nd Smart Services Summit, Thun, Swiss Alliance for Data-Intensive Services, 61–65.
  2. Hypko, P./Tilebein, M./Gleich, R. (2010). Benefits and uncertainties of performance-based contracting in manufacturing industries: An agency theory perspective. In: International Journal of service industry management, 460–489.
  3. Kölsch, P./ J. C. Aurich, J. C./ und C. F. Herder,C. F. (2019). Grundlagen zu Produkt-Service Systemen. In: Entwicklung datenbasierter Produkt-Service-Systeme. Berli/Heidelberg, 5–15.
  4. Leiting, T. et al. (2021). Pricing For Smart-Product-Service-Systems In Subscription Business Models For Production Industries. Proceedings of the Conference on Production Systems and Logistics, 719–729.
  5. Schöllhammer, O. et al. (2023). Everything-as-a-Service Geschäftsmodelle für die Industrie: Kundenzentrierung durch nutzenorientierte Erlösmodelle und digitale Vernetzung. In: Handbuch Industrie 4.0. Berlin/Heidelberg, 277–293.
  6. G. Schuh, G. et al. (2020). Subskriptionsmodelle im Maschinen- und Anlagenbau.Internet of Production – Turning Data into Value, 282–301.
  7. Stjkovski, I./Achleitner, A. K. (2021). Equipment as a Service: The Transition Towards Usage-Based Business Models. In: SSRN Electronic Journal.
  8. Toffel, M. W. (2008) „Contracting for Servicizing,“ SSRN Electronic Journal, 2008.
  9. West, S. et al. (2018). Value-Scope-Price: Design and Pricing of Advanced Service Offerings Based on Customer Value. In: Practices and Tools for Servitization. Cham, 141–167.
  10. Doebler,T./Bending, O./Janik, J. (2020). Der zweite Frühling für den Maschinenbau: Servicedigitalisierung als Wachstumstreiber [online]. https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/ch/Documents/energy-resources/deloitte-ch-digitale-services-maschinenbau-DE_KS8.pdf.
  11. Spring, M./Araujo, L. (2013). Beyond the service factory: Service innovation in manufacturing supply networks.In: Industrial Marketing Management 1, 59–70.
  12. Acatech (2012). Cyber-Physical Systems: Innovationsmotoren fur Mobilitat, Gesundheit, Energie und Produktion. Berlin/Heidelberg.
  13. Bauernhansl, T. et al. (2015). Geschäftsmodell-Innovation durch Industrie 4.0: Chancen und Risiken für den Maschinen- und Anlagenbau. München.