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Kommunikationswissenschaft

Dark Social – digitale Kommunikation ohne Öffentlichkeit?

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Der Begriff Dark Social Media bezieht sich auf persönliche digitale Kommunikationsdienste wie Messenger-Dienste (z. B. WhatsApp, Telegram). Mit ihrer Hilfe lassen sich vor allem im privaten Kontext, also unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit, Inhalte erstellen, verbreiten und rezipieren. Da die Inhalte nur schwer durch Außenstehende einsehbar sind, werden sie vor allem für die Kommunikation unter Bekannten genutzt, etwa zur Planung einer gemeinsamen Veranstaltung oder dem Austausch von Informationen. So bilden sich durch Dark Social Media neue soziale Gruppen, aber auch neue Formen der gesellschaftlichen und politischen Partizipation heraus, die von einer allgemeinen Informationsverbreitung bis hin zu informellen Abstimmungen reichen.

Allerdings ist es auch möglich, die Inhalte über den Kreis der ursprünglich intendierten Personen hinaus zu verbreiten und einem größeren Publikum zugänglich zu machen. So können die vermeintlich privaten Nachrichten potenziell an die Öffentlichkeit gelangen, sodass eine Kontrolle der verbreiteten Inhalte kaum möglich ist. Während der COVID-19-Pandemie erlangten solche Dienste verstärkte Bedeutung, da sie zur Verbreitung sowohl legitimer politischer Informationen wie Schutzmaßnahmen als auch Verschwörungsideologien und extremistischer Inhalte genutzt wurden. Bekannte Persönlichkeiten verwendeten etwa Telegram, um ihre demokratiegefährdenden Ansichten einem vermeintlich privaten Publikum zugänglich zu machen. Da diese Inhalte auch über den Kreis der eigentlichen Nutzenden hinaus geteilt wurden, konnten sie von der traditionellen medialen Berichterstattung aufgegriffen und öffentlich bekannt gemacht werden.

Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen

Vergleichbare analoge Phänomene sind private Gespräche oder Kommunikation mittels Postkarten. Diese sind ebenfalls prinzipiell privat gemeint und oftmals Dritten unzugänglich. Allerdings können deren Inhalte ebenfalls öffentlich werden, wenn das Gespräch etwa in einem Café vor anderen Gästen stattfindet oder die Postkarte während der Zustellung gelesen wird. Der signifikante Unterschied liegt in der Digitalspezifität von Dark Social Media: Während analoge Kommunikation auf direkte Interaktionen beschränkt ist, ermöglicht digitale Kommunikation eine indirekte, schnelle und weite Verbreitung von Inhalten und ein disperses und prinzipiell unabgeschlossenes Publikum. Dies wird durch verschiedene Enabler unterstützt:

  • vereinfachte Verschleierung: Durch eine pseudonyme Beteiligung wird die tatsächlich kommunizierende Person schwierig erkennbar.
  • hohe Geschwindigkeit durch schnelle Verbreitung von Informationen

Erzeugung und Verarbeitung großer Datenmengen: Digitale Plattformen erlauben das Speichern und Weiterleiten großer Mengen an Inhalten, unabhängig von deren Qualität, Entstehungszusammenhang und Wahrheitsgehalt.

Gesellschaftliche Relevanz

Dark Social Media hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz, da sie die Art und Weise, wie Informationen verbreitet und diskutiert werden, grundlegend verändert. Insbesondere die Möglichkeit zur digitalen Partizipation wird durch Dark Social Media erweitert, da sie niedrigschwellige, oft anonyme Interaktionen und Diskussionen fördern. Dies geschieht unabhängig von der demokratischen Relevanz oder Gefahr der Inhalte. Sie tragen sowohl zur positiven Vernetzung (z. B. Nachbarschaftshilfe) als auch zur Verbreitung extremistischer und demokratiegefährdender Inhalte bei. Diese Dienste fordern traditionelle Konzepte der Öffentlichkeit heraus und verlangen sowohl eine neue wissenschaftliche Einordnung als auch gesellschaftliche Reflexion. Damit verbunden sind auch neue Formen der Media Literacy, also der individuellen Fähigkeiten, sowohl mit den Diensten funktional umzugehen, als auch die Inhalte entsprechend einzuordnen.