Immer mehr Unternehmen nutzen Crowdsourcing, um Ideen von einer unbekannten Menge, der Crowd, zu sammeln. Doch welche weiteren Formen des Crowdsourcing gibt es und wie können Unternehmen und Einzelpersonen diese erfolgreich einsetzen und umsetzen? Im Folgenden werden zunächst die Phänomene Crowdsourcing, Crowdworking und Crowdfunding beschrieben. Anschließend werden Anwendungsszenarien aufgezeigt sowie Vorteile und Herausforderungen erläutert.
Crowdsourcing bezeichnet die Auslagerung von Aufgaben an eine unbekannte Menge. Unternehmen können so von der Schwarmintelligenz profitieren und neue Ideen generieren. Individuen, die an solchen Crowdsourcing-Kampagnen teilnehmen, sind vor allem intrinsisch motiviert, ihre Ideen zu teilen. Crowdsourcing ermöglicht es der Crowd beispielsweise, Ideen für die nächste Geschmacksrichtung einer Schokolade, einer Chipsorte oder einer Spielzeugserie einzureichen. Nach Ablauf der Einreichungsfrist kann die Crowd über die beste Idee abstimmen. Das Gewinnerprodukt wird anschließend produziert und auf den Markt gebracht. Lego Ideas hat mit diesem Ansatz viele Spielsets auf den Markt gebracht, die die Interessen der Kunden widerspiegeln. In diesem Fall kann Crowdsourcing Marktforschung unterstützen oder sogar ersetzen. Als Anreiz erhalten die Gewinner der einzelnen Crowdsourcing-Kampagnen häufig das Vorkaufsrecht für das entsprechende Produkt oder bekommen es kostenlos. Crowdsourcing-Kampagnen werden auf der Website des jeweiligen Unternehmens ausgeschrieben. Nach der Erstellung eines Profils, das vor allem demografische Daten enthält, können Einzelpersonen an den ausgeschriebenen Crowdsourcing-Kampagnen teilnehmen und entweder Ideen einreichen oder über eingereichte Ideen abstimmen.
Neben dem Sammeln und Bewerten von Ideen ermöglicht Crowdsourcing auch die Durchführung von Aufgaben wie das Entwerfen von Logos, die Erstellung von Websites und andere Programmieraufgaben. Da die Crowd in diesen Fällen durch die Bezahlung für die Erledigung der Aufgaben motiviert wird, spricht man in diesem Fall von Crowdworking. Sind die Aufgaben ohne spezielle Kenntnisse zu erledigen, spricht man von Microtasks. Im Rahmen von Microtasks werden Bilder klassifiziert (z. B. ist auf einem Bild ein Hund oder eine Katze zu sehen), um Algorithmen zu trainieren. Die Bezahlung liegt im Centbereich und wird von den Crowdworkern als zusätzliche Einnahmequelle genutzt, wenn sie z. B. an der Bushaltestelle warten oder im Bus sitzen.
Werden komplexere Aufgaben an die Crowd ausgelagert, die spezielle Kenntnisse erfordern, spricht man von Makroaufgaben. Dazu gehören unter anderem die Gestaltung von Logos, das Verfassen und/oder Übersetzen von Texten, die Gestaltung und/oder Programmierung von Websites und Apps sowie die Entwicklung von Social-Media-Kampagnen. Um Crowdworker und Unternehmen, die Aufgaben auslagern möchten, zusammenzubringen, fungieren Crowdworking-Plattformen als Vermittler. Neben der Unterstützung beim Matching beider Parteien helfen die Plattformen bei der Definition der Aufgabe, wickeln den Bezahlprozess ab und vermitteln bei Unstimmigkeiten zwischen Crowdworker und Crowdsourcer.
Der klassische Prozess einer Crowdworking-Kampagne lässt sich in fünf Phasen unterteilen: die Initiierungsphase, die Ausschreibungsphase, die Entscheidungsphase, die Ausführungsphase sowie die Auswertungs- und Zahlungsphase. In der Initiierungsphase wählt der Crowdsourcer eine Aufgabe aus, die an die Crowd vergeben werden soll. Es folgt eine genaue Beschreibung der Aufgabe, die die erforderlichen Kompetenzen und eine detaillierte Auflistung der erforderlichen Einzelschritte umfasst. Je nach Art und Komplexität der Aufgabe (Mikro- oder Makroaufgabe) entscheidet sich der Crowdsourcer für eine Plattform und bereitet den offenen Aufruf vor. In der Ausschreibungsphase bewerben sich Crowdworker auf den jeweiligen Plattformen für die ausgeschriebene Aufgabe. Da unterschiedliche Plattformen unterschiedliche Crowdworker ansprechen, ist die Wahl der Plattform von hoher Relevanz. In der dritten Phase wählt der Crowdsourcer die sich bewerbenden Crowdworker aus und übermittelt je nach Bedarf weitere Informationen. Insbesondere demografische Merkmale wie Alter, Geschlecht und Fähigkeiten (Fremdsprachen- und Programmierkenntnisse) sowie bereits erledigte Aufgaben und Erfahrungen im ausgeschriebenen Bereich beeinflussen, für welchen Crowdworker sich der Crowdsourcer entscheidet. In Phase vier des Crowdworking-Prozesses wird die Aufgabe schließlich vom Crowdworker ausgeführt und nach Fertigstellung an den Auftraggeber übergeben. In der letzten Phase, der Bewertungs- und Zahlungsphase, hat der Auftraggeber noch einmal die Möglichkeit, die abgegebene Aufgabe zu überprüfen. Bei Anpassungswünschen, die in der Aufgabenbeschreibung klar definiert sind, kann die Aufgabe noch einmal an den Crowdworker zurückgegeben werden. Sind alle Anforderungen erfüllt, erhält der Crowdworker seine Vergütung von der Plattform. Um sicherzustellen, dass der Crowdworker sein Geld erhält, kann der Crowdsourcer eine Aufgabe erst dann auf der Plattform einstellen, wenn er mindestens den Gegenwert bereits auf der Plattform eingezahlt hat. Nach der Bezahlung hat der Crowdsourcer die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit dem Crowdworker zu bewerten und das eingereichte Ergebnis zu beurteilen.
Der Vorteil von Crowdsourcing und Crowdworking ist, dass Aufgaben parallel erledigt werden können und das Unternehmen für einzelne Aufgaben auf externes Wissen zurückgreifen kann. Da sowohl die Aufgabenbeschreibung, der offene Aufruf, das Matching als auch die Aufgabenerfüllung und die Zahlungsabwicklung digital über eine IT-basierte Plattform erfolgen, spricht man von Crowdsourcing. Es grenzt sich damit vom Freelancing ab. Wenn Unternehmen nicht auf externe Kompetenzen, sondern auf externe Finanzierungsquellen zurückgreifen wollen, spricht man von Crowdfunding. Auch hier ruft das Unternehmen oder die Privatperson zur finanziellen Unterstützung einer (Geschäfts-)Idee auf. Crowdfunding-Kampagnen können auch zur Umsetzung sozialer Projekte eingesetzt werden. Bei einer Crowdfunding-Kampagne veröffentlicht das Unternehmen die Idee, die benötigte Summe sowie die Laufzeit der Kampagne. Je nach Kampagne wird auch die Belohnung bzw. die Gegenleistung, die man erhält, wenn man sich an einer erfolgreichen Crowdfunding Kampagne beteiligt, aufgelistet. Eine Crowdfunding-Kampagne gilt als erfolgreich, wenn das Finanzierungsziel innerhalb der Laufzeit erreicht wird. Ist dies der Fall, leitet die Plattform das gesammelte Geld an das zu finanzierende Unternehmen weiter. Wird das Funding-Ziel innerhalb der Laufzeit nicht erreicht, zahlt die Plattform die bis dahin eingegangenen Beiträge zurück.
Vergleichbarkeit mit analogen Phänomenen
Crowdworking:
Da Crowdworker als Selbstständige betrachtet werden, ähnelt das Konzept dem analogen Phänomen der Freelance-Arbeit. Die Tatsache, dass sowohl die Auftragsvergabe als auch die Aufgabenerfüllung bei freiberuflicher Arbeit analog erfolgen kann, unterscheidet sich deutlich vom Crowdworking, bei dem dies alles digital geschieht.
Ebenso kann Crowdworking mit dem analogen Phänomen der Zeitarbeit verglichen werden. Beim Crowdworking vermitteln nicht Zeitarbeitsfirmen, sondern Crowdworking-Plattformen wie Amazon Mechanical Turk oder Clickworker digitale Kleinstaufgaben, die von vielen Individuen flexibel und zeitlich begrenzt erledigt werden können. Ähnliches gilt für komplexere Makroaufgaben: Auch hier werden Crowdworker ähnlich der Zeitarbeit für ein bestimmtes (Teil-)Projekt beauftragt.
Wie der Begriff Crowdworking bereits andeutet: Crowdworking ist mit dem analogen Phänomen des Outsourcings vergleichbar. Sowohl beim analogen Outsourcing als auch beim Crowdworking lagern Unternehmen bestimmte Aufgaben oder Dienstleistungen an externe Dienstleister aus, um Kosten zu sparen oder Expertise einzukaufen. Crowdworking ermöglicht die Auslagerung bestimmter Aufgaben an eine große Gruppe, um diese kostengünstig und flexibel erledigen zu lassen.
Crowdfunding:
Crowdfunding ähnelt dem analogen Phänomen traditioneller Spendenaktionen, bei denen Geld für einen bestimmten Zweck gesammelt wird. Bei beiden Modellen wird eine breite Öffentlichkeit angesprochen, kleine Beiträge zu leisten, die zusammen eine größere Summe ergeben. Der Unterschied zwischen analogem und digitalem Fundraising besteht darin, dass traditionelle Spendenaktionen oft persönlich und lokal organisiert werden, während Crowdfunding-Kampagnen über das Internet organisiert werden, um eine globale Reichweite zu erzielen. Beide Ansätze ermöglichen das kollektive Sammeln von Geld für eine Geschäftsidee, einen guten Zweck oder die finanzielle Unterstützung von (jungen) Unternehmen.
Gesellschaftliche Relevanz
Crowdworking:
Aufgrund der Flexibilität, die Crowdworking sowohl für Arbeitnehmende als auch für Unternehmen bietet, gewinnt diese neue Form der Arbeitsorganisation zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. Crowdworking bietet die Möglichkeit, Arbeit und Privatleben optimal zu vereinbaren. Die Globalisierung wird durch Crowdworking vorangetrieben, da Unternehmen weltweit auf ein breites Spektrum an Arbeitskräften zurückgreifen können. Dies trägt zur Globalisierung der Arbeitsmärkte bei, senkt die Kosten für Unternehmen und ermöglicht den Zugang zu spezialisierten Fähigkeiten.
Innovation und Kreativität gedeihen auf Crowdworking-Plattformen, da Unternehmen die kollektive Intelligenz einer großen Gruppe von Menschen nutzen können. Dies führt zu Innovationen, neuen Ideen und kreativen Lösungen, die in einer traditionellen Unternehmensstruktur möglicherweise nicht entdeckt worden wären.
Für viele Menschen ist Crowdworking eine Möglichkeit, zusätzliches Einkommen zu generieren oder sogar ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Insbesondere junge, hoch qualifizierte Menschen schätzen die Selbstbestimmung und Flexibilität, die das Konzept des Crowdworking mit sich bringt.
Crowdfunding:
Crowdfunding hat in den letzten Jahren wesentlich zur Demokratisierung der Finanzierung beigetragen. Crowdfunding ermöglicht die Finanzierung von Projekten und Ideen durch eine breite Öffentlichkeit, ohne dass traditionelle Finanzinstitute oder Großinvestoren benötigt werden. Diese neue Form der Finanzierung fördert eine breitere Beteiligung und gibt Menschen die Möglichkeit, Projekte zu unterstützen, die sie persönlich für wichtig halten.
Crowdfunding ermöglicht auch die Realisierung innovativer und kreativer Projekte, die sonst keine Unterstützung finden würden. Dazu gehören technologische Innovationen ebenso wie künstlerische Projekte, die zur kulturellen Vielfalt beitragen. Insbesondere für kleine Unternehmen und Start-ups ist Crowdfunding eine wichtige Finanzierungsquelle. Viele nutzen diese Plattformen, um ihre Geschäftsideen zu verwirklichen, was zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Stärkung der lokalen Wirtschaft beitragen kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Crowdfunding ist die Förderung von Gemeinschaftsbildung und sozialen Netzwerken. Crowdfunding-Plattformen ermöglichen die Bildung von Gemeinschaften rund um bestimmte Projekte oder Anliegen. Menschen kommen zusammen, um gemeinsame Interessen zu unterstützen, was zu einem stärkeren sozialen Zusammenhalt führen kann. Darüber hinaus müssen Projektinitiatoren häufig detaillierte Informationen und regelmäßige Updates bereitstellen, was eine Kultur der Transparenz und Rechenschaftspflicht fördert.
Crowdfunding wird auch häufig zur Unterstützung sozialer und gemeinnütziger Projekte eingesetzt. Wohltätigkeitsorganisationen und soziale Unternehmer können so wichtige Arbeit leisten und eine breitere Unterstützung mobilisieren. Dies senkt die Eintrittsbarrieren für die Finanzierung erheblich und ermöglicht es Menschen mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund, ihre Ideen vorzustellen und finanzielle Unterstützung zu erhalten, was zu einer integrativeren Wirtschaft führen kann. Die globale Reichweite von Crowdfunding ermöglicht es Projekten, Unterstützer aus der ganzen Welt zu gewinnen. Dies kann zu internationaler Zusammenarbeit und interkulturellem Austausch beitragen. Insgesamt trägt Crowdfunding dazu bei, die Art und Weise, wie Projekte finanziert und umgesetzt werden, grundlegend zu verändern und fördert Teilhabe, Innovation und soziale Gerechtigkeit.
Quellen
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