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Vektoren der Datenpreisgabe – Eine komparative Untersuchung zum Einsatz eigener personenbezogener Daten aus den Perspektiven der Rechtswissenschaft, Kulturwissenschaft und Wirtschaftsinformatik

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt analysierte anhand einer komparativen Untersuchung diverse Aspekte der Bereitwilligkeit der individuellen Datenpreisgabe.

Projektbeschreibung

Das Projekt „Vektoren der Datenpreisgabe“ hat sich mit der Frage beschäftigt, welche rechtlichen, kulturellen und verhaltensökonomischen Faktoren auf die individuelle Preisgabe von personenbezogenen Daten einwirken.

Bei der Untersuchung wurden insbesondere fünf Ebenen in den Blick genommen: Auf der ersten Ebene steht der nationale Gesetzgeber (in Form von Legislative, Exekutive und Judikative), der die Werteentscheidung trifft, wie personenbezogene Daten geschützt werden sollen. Auf der zweiten Ebene ist dieses Law in the Books eingebettet in den kulturellen Kontext des jeweiligen Landes. Dieser beeinflusst einerseits die Gesetzgebung, die ihrerseits wiederum den kulturellen Kontext mit prägt. Hier werden kulturelle Traditionen oder Gepflogenheiten relevant, aber auch Faktoren wie das Konzept von Privatheit, der Wert von Autonomie über die eigenen Daten, Vertrauen in Akteurinnen und Akteure oder die Wahrnehmung von personenbezogenen Daten als mehr oder weniger sensibel. Die dritte Ebene stellt die tatsächliche Wirkung von Recht dar – das Law in Action. Wie Recht in der Praxis Wirkung entfaltet, kann etwa dadurch indiziert werden, wie gut ein Staat rechtlich und tatsächlich ausgestattet ist, um geltendes Recht durchzusetzen, und wie frequentiert von diesen Mitteln Gebrauch gemacht wird (sog. Durchsetzungsintensität). Zusammen mit dieser Variable kann das Law in Action durch Expertenbefragungen gemessen werden; sowohl hinsichtlich der Höhe des Schutzniveaus (welches nicht nur durch das Recht, sondern auch durch außerrechtliche Faktoren geprägt sein kann) als auch hinsichtlich der allgemeinen Zufriedenheit mit den geltenden Regeln. Nur das Law in Action kann letztendlich von dem Individuum als das Recht auf vierter Ebene wahrgenommen werden. Auf Grundlage dieser Wahrnehmung – egal ob sie mit dem „Law in the Books“ (also mit der gesetzgeberischen Intention) übereinstimmt oder nicht – erfolgt auf fünfter Ebene letztlich entweder eine Datenpreisgabe durch das Individuum oder aber die Daten werden nicht geteilt.

Auf all diesen Ebenen hat das Projektteam mono- und interdisziplinäre Einblicke in die Funktionsweise einzelner Faktoren gegeben. So hat das wirtschaftsinformatische Team eine Taxonomie zur Klassifizierung von Rechtsvorgaben entworfen, wonach danach zu unterscheiden ist, ob ein Regulierungsinstrument dem Individuum Entscheidungsgewalt über seine personenbezogenen Daten überlässt (Self-determined Level of Privacy) oder ob es personenbezogene Daten schützt, ohne dass das Individuum eine bestimmte Einstellung vornehmen muss (Assured Level of Privacy). In einem zweiten Schritt kann danach differenziert werden, ob die Regelung vor oder nach der Datenpreisgabe ansetzt. Auf dieser Taxonomie basiert das vom juristischen Team entworfene Regulatory Clustering, welches Regulierungsinstrumente in den sieben Untersuchungsländern klassifiziert und entlang der Taxonomie in Regulierungsschwerpunkte unterteilt. Zum Abgleich mit den Ergebnissen des Regulatory Clusterings, welches gleichzeitig als Instrument zur Quantifizierung von Recht dient, haben das kulturwissenschaftliche und das wirtschaftsinformatische Team empirische Studien zu Auffassungen von Experten und Laien über die Wahrnehmung von Recht, über kulturelle Prägungen und Datenpreisgabeverhalten angefertigt. Das kulturwissenschaftliche Team hat die disziplinären Perspektiven des Projekts in ein übergreifendes Datenpreisgabemodell integriert, das berücksichtigt, dass die Datenpreisgabe multifaktoriell bedingt, situations- und kontextabhängig ist. Es bietet einen Überblick über potenzielle Einflussfaktoren auf die Datenpreisgabe und mögliche Wechselwirkungen innerhalb dieses Modells.

Durch die Zusammenführung der drei Disziplinen konnte gezeigt werden, dass keine unmittelbaren linearen Kausalitäten zwischen dem Law in the Books (Ebene 1) und der individuellen Datenpreisgabe (Ebene 5) existieren. Die individuelle Datenpreisgabe basiert vielmehr auf einem komplexen Zusammenspiel (individueller) verhaltensökonomischer und (kollektiver) kultureller und rechtlicher Faktoren.


Das Projekt wurde zum 30. März 2024 abgeschlossen.

Ansprechpartner

Dr. Christoph Egle

Geschäftsführer, bidt

Projektteam

Prof. Dr. Moritz Hennemann M.Jur.

Inhaber, Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht | Universität Passau

Prof. Dr. Kai von Lewinski

Inhaber, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht | Universität Passau

Prof. Dr. Daniela Wawra

Inhaberin, Lehrstuhl für Englische Sprache und Kultur | Universität Passau

Prof. Dr. Thomas Widjaja

Professor für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Betriebliche Informationssysteme, Universität Passau

Timo Hoffmann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht | Universität Passau

Sebastian J. Kasper LL.M.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht | Universität Passau

Dr. Tim Kerstges

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht | Universität Passau

Peer Sonnenberg

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht | Universität Passau

Martin Richthammer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Betriebliche Informationssysteme | Universität Passau

Dr. Veronika Thir

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Englische Sprache und Kultur | Universität Passau

Anna-Maria Kipphardt

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie | Universität Passau

Publikationen

A Regulatory Clustering of Privacy Laws

Das Working Paper stellt einen zentralen Baustein des Projektansatzes dar, die Wirkung verschiedener Regulierungssysteme auf den Einzelnen interdisziplinär vergleichbar zu machen.

Rechtsvorschriften zum Datenschutz weltweit

Das Projektteam setzte sich mit verschiedenen Datenschutzregimen auf der Welt auseinander. In diesem Rahmen hat es acht umfassende Paper zu möglichst diversen Rechtsordnungen publiziert und in Kooperation mit einem weiteren Passauer Forschungsinstitut an der Erarbeitung einer umfassenden Karte zu den Datenschutz-Rechtsordnungen der Welt mitgewirkt.

Diese Weltkarte vermittelt einen ersten Überblick über das Gewirr von existierenden und kommenden Datenschutzkonzepten und bietet Ansätze für weitere Forschung zur globalen Harmonisierung von Datenschutzrecht.

Konferenz „Vectors of Data Disclosure“

Der Tagungsband zur Veranstaltung im Juni 2022 liefert Perspektiven auf das internationale Datenschutzrecht und andere Einflussfaktoren auf Datenpreisentscheidungen von Lemi Baruh, Lothar Determann, Jana Dombrowski, Timo Hoffmann, Martin Richthammer, Daniela Wawra, Thomas Widjaja, Normann Witzleb und Kai von Lewinski.

Beiträge

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