Projektbeschreibung
Konflikte sind eine treibende Kraft des sozialen Wandels und ein tragendes Element moderner Demokratien. Dies gilt besonders für geregelte Konflikte wie etwa den Parteienwettbewerb. Über den fortwährenden Ausgleich gegensätzlicher Interessen leisten Konflikte dieser Art einen wesentlichen Beitrag zur Sozialintegration. Sobald sich Konflikte aber ungeregelt entfalten – das Spektrum reicht von „Hasskommentaren“ im Internet online bis hin zu kollektiver Gewalt auf der Straße – können sie die soziale Ordnung unterhöhlen.
Im Rahmen des interdisziplinären Projekts wurde der Wandel von Strukturen und Dynamiken gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland untersucht. Mithilfe von NLP-Methoden wurden digitale Datenquellen (Nachrichtenportale und Plattformen wie bspw. Twitter) sowie die protestrelevante Berichterstattung ausgewählter Printmedien aus dem deutschsprachigen Raum zu einer umfangreichen Datenbasis aufbereitet. Die Datenauswertung erfolgte durch qualitative und computergestützte quantitative Methoden (insb. Diskursanalysen, Protestereignisanalysen sowie Methoden der maschinellen Sprachverarbeitung, Methoden des maschinellen Lernens). Eine weitere methodische Ergänzung bildete die Netzwerkanalyse der an Protestbewegungen und Konflikten beteiligten Akteure. Als Grundlage dafür dienten die zuvor erfassten prozessgenerierten Daten in Form von digitalen Kommunikations-, Interaktions- und Beziehungsstrukturen, die vornehmlich auf Social-Media-Plattformen anfallen, sowie Verlinkungsstrukturen auf Blogs und Webseiten und die aus Beiträgen und Kommentaren der Medienberichterstattung abzuleitenden Diskussionsstrukturen.
Die zentralen Forschungsfragen des Teams lauteten:
- Wie haben sich die gesellschaftlichen Konfliktstrukturen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren verändert?
- Welche Konsequenzen für die Demokratie ergeben sich aus der zunehmenden Verlagerung von Konflikten in die sozialen Medien?
- Unter welchen Bedingungen können ungeregelte in geregelte Konflikte überführt werden?
Die Analyse zeigte, dass die kollektive Identität sich durch digitale Plattformen zu einem emergenten Phänomen transformiert hat, welche unabhängig von spezifischen Akteuren eines Protest-Kollektivs bestehen bleibt. Das Team stellte fest, dass der Verlagerung der Konflikte auf digitale Plattformen eine Polarisierung und normative Aufladung von Konflikten folgt. Die Forscherinnen und Forscher identifizierten zwei große Veränderungen in der Austragung von Konflikten auf digitalen Plattformen: Eine emotionalisierte Konfliktwahrnehmung und das unterschiedliche Auslegen von wissenschaftlichen Ergebnissen zu Mobilisierungszwecken. Der Online-Raum wird als Arena für ungeregelte Konflikte klassifiziert, nur teilweise werden Ergebnisse in geregelte Konflikte überführt.
Das Projekt wurde zum 30. Juni 2023 abgeschlossen.
Ansprechpartner
Projektteam
Prof. Dr. Kai Fischbach
ehem. Inhaber, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbes. Soziale Netzwerke | Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Prof. Dr. Marc Helbling
Professur für Soziologie mit Schwerpunkt Migration und Integration, Universität Mannheim
Prof. Dr. Thomas Kern
Inhaber, Lehrstuhl für Soziologie, insb. soziologische Theorie | Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Prof. Dr. Oliver Posegga
Inhaber, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbes. Soziale Netzwerke | Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Theresa Henn M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbes. Soziale Netzwerke | Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Julian Polenz M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Soziologie, insb. soziologische Theorie | Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Sarah Tell M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Soziologie, insb. soziologische Theorie | Otto-Friedrich-Universität Bamberg