Dr. Carolin Rutzmoser

Hochschule für Philosophie München

KI in der Krise. Chancen und Gefahren generativer KI in Lebenskrisen aus handlungstheoretischer und ethischer Perspektive

 

Generative KI wie ChatGPT wird mittlerweile als mögliche Alternative oder Ergänzung zur Psychotherapie diskutiert. Während es zu dieser Entwicklung bereits kritische Forschung vonseiten der Psychologie gibt, kommunizieren in digitalen Räumen aber auch vermehrt Personen in einer „Lebenskrise“ mit der KI, die keine psychische Erkrankung im eigentlichen Sinn oder diese nicht als solche erkannt haben. Eine Lebenskrise kann man aus philosophischer Sicht als Erfahrung im menschlichen Leben bezeichnen, in die man unter anderem durch (Um-)Brüche (Jobverluste, persönliche Verluste oder andere einschneidende Erlebnisse) geraten ist. Solch eine Krise ist oftmals auch eine Sinnkrise, in der sich existenzielle Fragen stellen und in der man sich in besonderem Maße mit Zielen, Prioritäten und der eigenen Handlungsmotivation auseinandersetzt. Solche Brüche fordern das Hinterfragen bestehender Strukturen heraus und können den Raum für eine selbsttransformierende Persönlichkeitsentwicklung eröffnen. Hier hat die Philosophie mit ethischen Theorien, die die Persönlichkeitsentwicklung im Fokus haben, aber auch mit handlungstheoretischen Ansätzen, die sich damit beschäftigen, auf welcher Grundlage wir uns für Lebensprojekte und -modelle entscheiden, einen reichen Wissensschatz. Betrachtet man die Erfahrung einer Krise als ein Spektrum mit fließenden Übergängen zwischen psychischen Erkrankungen und existenziellen Brüchen, muss man sowohl psychologische als auch philosophische Überlegungen einbeziehen, um ein umfassendes Bild der Nutzung generativer KI in diesem Bereich zu erhalten. Wenn wir davon ausgehen, dass sich Menschen in Krisen oder ausgehend von besonders transformierenden Lebenserfahrungen einerseits nach Orientierung im Außen sehnen (und diese zunehmend auch in digitalen Räumen und bei KI Chatbots finden können) und andererseits in solchen Situationen besonders offen für schädliche Einflüsse, aber auch positive Veränderungen der Persönlichkeit sind (die Voraussetzungen dafür sind aus philosophischer Perspektive zu untersuchen), dann bietet KI in der Krise Risiken – aber auch Chancen, die es näher zu beleuchten gilt.