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Warn-Apps in der Krise?

Softwareexperte Alexander Pretschner äußert sich in der Berliner Zeitung über das Spannungsfeld von Datenschutz und Effektivität deutscher Warn-Apps.

Digitale Warnsysteme haben in jüngster Vergangenheit an Bedeutung gewonnen. Doch sowohl die Katastrophen-Warn-Apps Nina und Katwarn als auch die Corona-Warn-App werden medial kritisch beäugt. Der Diskurs verweist unter anderem auf die mangelnde Akzeptanz der Warn-Apps aufgrund eingeschränkter Funktionalität durch datenschutzrechtliche Vorgaben. Prof. Dr. Alexander Pretschner, Inhaber des Lehrstuhls für Software und Systems Engineering an der TU München bezieht in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung hierzu Position:

Die Debatte um die Corona-Warn-App wurde völlig falsch geführt. Dass der Datenschutz digitale Prozesse verhindert und die Bevölkerung zentralen Lösungen nicht vertraut, wird oft einfach so behauptet, ohne dass es dafür überzeugende Belege gibt.

Prof. Dr. Alexander Pretschner

Man könne beides: sowohl den Datenschutz einhalten als auch erfolgreich digital warnen. Entscheidend sei hierbei auch die umfassende Implementation der Warn-Apps in die Warnsysteme der Länder. Das sei im Zuge der jüngsten Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durch das Scheitern der Katastrophen-Warn-Apps Nina und Katwarn deutlich geworden. Die Apps seien zwar technisch sehr wohl in der Lage, die betroffenen Menschen rechtzeitig zu warnen, die beiden Softwarelösungen seien aber schlicht mangelhaft an die jeweiligen staatlichen Warnsysteme angebunden. Nachdem Katastrophenschutz Ländersache ist, wurde das praktische Krisenmanagement durch staatlich-föderalistische Bürokratie ausgebremst.

Pretschner hebt insbesondere die zu zögerliche Integration von digitalen Lösungen in bestehende Infrastrukturen hervor. Darüber hinaus seien für den Erfolg einer Warn-App vor allem die Aspekte Nutzererfahrung und leichte Bedienbarkeit ausschlaggebend. Hier bestehe Verbesserungspotenzial: „Bei der Entwicklung von Warn-Apps wird die user journey oft nicht mitgedacht. Was soll der Nutzer konkret tun, wenn er von einer möglichen Corona-Infektion erfährt oder vor einer herannahenden Katastrophe gewarnt wird? Es ist wichtig, ihm im Katastrophenfall eine möglichst konkrete Handreichung zu geben“, sagt Pretschner.