Dr. Korbinian Rüger

Ludwig-Maximilians-Universität München

Künstliche Intelligenz und Verteilungsgerechtigkeit

 

Rasche Fortschritte in der Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) werfen eine Reihe moralischer Fragen auf. Diese reichen von Fragen des Schutzes der Privatsphäre und der Überwachung, über algorithmische Diskriminierung, über die Entwicklung autonomer Fahrzeuge und Waffensysteme, bis hin zum potenziellen Risiko des Aussterbens der Menschheit durch nicht angepasste künstliche allgemeine Intelligenz („Artificial General Intelligence“ oder AGI) oder sogar „Superintelligenz“. Einige dieser Themen betreffen Fragen der Gerechtigkeit. Diese lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie umfasst Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI. Ein Beispiel für diese Kategorie ist die Frage, wie wir sicherstellen können, dass von Algorithmen getroffene Entscheidungen nicht voreingenommen sind und nicht bestimmte Personen oder Gruppen diskriminieren. Wir befassen uns hier mit einer Frage, die am besten als eine Frage der Verfahrensgerechtigkeit verstanden werden kann. Dies ist ein wichtiges und komplexes Thema. Es steht jedoch im Mittelpunkt der aktuellen Debatte über KI-Ethik und ist bereits gut erforscht. Eine zweite Kategorie von Fragen wird im Vergleich dazu eher vernachlässigt. Diese Kategorie betrifft die gerechte Verteilung des Nutzens, der durch den Einsatz von KI entsteht, wie auch immer dieser aussieht. Diese Fragen betreffen den Bereich der Verteilungsgerechtigkeit. In dem Projekt geht es um diese zweite, eher vernachlässigte Kategorie. Es werden mindestens drei Kontexte identifiziert, in denen Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, die durch die Anwendung von KI aufgeworfen werden, besonders akut sind: das Arbeitsleben, die Nutzung personenbezogener Daten und die Nutzung autonomer Maschinen wie autonome Fahrzeuge und Waffen. Das Projekt untersucht die Verteilungsfragen, die sich in diesen Bereichen stellen, anhand von drei Dimensionen der Verteilungsgerechtigkeit: menschliches Wohlergehen, Gleichheit und Freiheit. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, einen Rahmen zu entwickeln, der es uns ermöglicht, den moralischen Status von KI-Anwendungen systematisch im Hinblick auf ihre distributiven Implikationen zu bewerten und die künftige Entwicklung von KI in eine Richtung zu lenken, die der Verwirklichung von Verteilungsgerechtigkeit förderlich ist.