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Lessons Learned: Rolle der Digitalisierungsthemen in den Wahlprogrammen 2021

Welche Rolle spielen Digitalthemen in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl 2021? Ergebnisse der bidt Werkstatt digital vom 29. Juli 2021.

Durch die Pandemie sind Digitalisierungsthemen in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Ob als Digitalisierungsschub für Homeoffice und Zusammenarbeit oder als Brennglas, das vor allem im Bildungs- und Gesundheitssystem digitalen Nachholbedarf offenbarte. Sind Digitalthemen durch Corona wichtiger geworden und wie besetzen Parteien das Themenfeld? Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten gibt es bei der zukünftigen Gestaltung der Digitalpolitik?

Darüber diskutierten bei der bidt Werkstatt digital die Expertinnen und Experten für Digitalpolitik Christian Flisek (SPD, MdL), Manuel Höferlin (FDP, MdB), Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen, MdB) und Joana Cotar (AfD, MdB). Die Diskussion leitete Dr. Christoph Egle, Geschäftsführer des bidt.

Selbst in Zeiten von Corona bleibt das Thema Digitalpolitik vor allem ein Elitendiskurs, stellte Thomas Saalfeld in seinem Impulsvortrag fest. Wahlprogramme geben Aufschluss über die Positionen von Parteien und dem, was die Bürgerinnen und Bürger nach der Regierungsbildung zu erwarten haben, betonte der Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er stellte die ersten Ergebnisse des vom bidt geförderten Forschungsprojekts „Digitalpolitik in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl 2021“ vor, das die digitalpolitischen Aussagen der Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 analysiert.

Das Thema Digitalisierung bildet bei allen parteipolitischen Programmen ein Querschnittsthema. Die Parteien setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Die Unionsparteien CDU/CSU, die SPD und die FDP sind dabei stark von den zentralen Themen ihrer Wahlprogramme bestimmt. Das ist bei den Unionsparteien der europäische Kontext, bei der SPD liegt der Fokus auf der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger, bei der FDP dominieren die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Einen verhältnismäßig hohen Stellenwert haben die Digitalisierungsthemen bei den Grünen mit einem Blick auf die gesellschaftliche Modernisierung und bei der Linken mit einem Fokus auf Arbeitswelt und Kapitalismuskritik. Die AfD wiederum behandelt das Thema Digitalisierung im Kontext von Technologie, Energie und Klimapolitik.

Übereinstimmend sehen alle Parteienvertreterinnen und -vertreter die Notwendigkeit, die Infrastruktur zu stärken, also in den Netzausbau zu investieren, die digitale Bildung im Schulsystem zu fördern und die Verwaltung zu modernisieren. Auch herrscht Einigkeit darüber, dass Digitalthemen – nicht zuletzt durch Corona – an Bedeutung gewonnen haben.

Innen- und Rechtspolitik

In der Diskussion zu innen- und rechtspolitischen Schwerpunkten zeichnet sich ein parteiübergreifender Konsens darüber ab, die Bürgerrechte zu stärken, Transparenz zu fördern sowie Regierung und Behörden stärker zu kontrollieren. Bei der Bewertung dessen, was erforderlich und verhältnismäßig ist und mit welchen Maßnahmen sich die Ziele erreichen lassen, unterscheiden sich die Positionen jedoch.

Während AfD und FDP Eingriffe des Staates und einen Ausbau der Überwachungsbefugnisse kritisch sehen, betonen SPD und Grüne die Notwendigkeit, Sicherheitsbehörden in der Verteidigung von Cyberangriffen zu stärken. Es müsse jedoch immer hinterfragt werden, ob die Maßnahmen erforderlich und verhältnismäßig seien.

Plattformregulierung

Die Privilegien der Plattformunternehmen sehen die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien kritisch. Die FDP spricht von einem Monopolmissbrauch der großen Gatekeeper. Die Grünen sehen allerdings die Gefahr, dass Deutschland und Europa den Anschluss verlieren. Die Antwort besteht aus ihrer Sicht aber nicht in einer Liberalisierung um ihrer selbst willen. Die SPD thematisiert über die Plattformregulierung hinaus die Privilegien im Steuerrecht, Arbeitsrecht, Kartellrecht und Urheberrecht, die aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß sind.

Rolle von Unternehmen im digitalen Wettbewerb

Um im globalen Wettbewerb mitzuhalten, müssen Unternehmen durch staatliche Maßnahmen gefördert werden. Darin sind sich alle Parteivertreterinnen und -vertreter einig. In der Zielrichtung und der Umsetzung der Maßnahmen unterscheiden sich die Programme jedoch.

Die Grünen setzen auf staatliche Unterstützung für Unternehmen, um die Klimawende zu schaffen. Der Aufbruch sei nicht mit einer schwarzen Null machbar, sondern brauche Investitionen und Anreize wie etwa CO2-Zertifikate, Gründerinnenbonus und Bürgerfonds. Auch die FDP setzt auf den Staat als Förderer von Forschung und Wirtschaft. Für sie besteht ein großes Hindernis in zu starker oder unklarer Regulierung. Digitale Freiheitszonen sollen geschützte Räume für Innovationen ermöglichen.

Mit dem Begriff der „digitalen Souveränität“ setzt sich die SPD für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Freiheitsrechte ein. Aus individueller Perspektive gehe es darum, wie souverän der oder die Einzelne im Netz agieren und über die eigenen Daten verfügen kann. Aus staatlicher Perspektive, so Christian Flisek, gehe es darum, ethische Prinzipien in Europa, die im globalen Wettbewerb massiv unter Beschuss stehen, aktiv zu verteidigen.

Für die AfD wiederum besteht die Lösung in einem Mix aus Aufbauförderung von Unternehmen, finanziellen Anreizen und Steuerentlastungen. Zudem sollten Grundlagen für die Wettbewerbsfähigkeit bereits in der Schule gelegt werden, indem die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) stärker gefördert würden.

Digitalpolitik umsetzen

Bei der Umsetzung der Digitalpolitik kristallisieren sich zwei Lager heraus: Die einen befürworten ein Digitalministerium als Treiber des Themas, die anderen hingegen sehen das Querschnittsthema in den bestehenden Ministerien am besten aufgehoben.

Zu den Befürwortern eines Digitalministeriums zählen die FDP und die AfD. Die FDP betrachtet die anderen Initiativen – etwa die Ansiedelung im Kanzleramt – als gescheitert. Auch die AfD setzt auf eine Bündelung von Kompetenzen, so wie im Umweltministerium bereits geschehen. Nur in einem eigenen Ministerium lasse sich nach Ansicht von Joana Cotar eine echte digitale Strategie entwickeln.