| Wirtschaft & Arbeit | Agilität

Definition und Abgrenzung

Abgeleitet von dem französischen Wort „agile“ und dem lateinischen Verb „agere“ bedeutet der Begriff Agilität ursprünglich Beweglichkeit, Wendigkeit bzw. „in Bewegung setzen“. Heute wird damit eine neue Form des Projekt- und Organisationsmanagements bezeichnet, die ursprünglich für den Bereich der Softwareentwicklung konzipiert, zunehmend auch in anderen Bereichen Anwendung findet. Sie zeichnet sich durch kurzzyklische, iterative Arbeitsorganisation mit engem Kundenbezug (Feedbackschleifen), einen hohen Grad an Selbstorganisation der Beschäftigten und eine partizipative Organisationskultur aus.

Geschichte

Obwohl der zeitliche Ursprung der agilen Organisation nicht eindeutig festzulegen ist, hat der Begriff besonders seit den 2000ern im öffentlichen Diskurs an Bedeutung gewonnen. Mit dem „Agile Manifesto for Software Development“ [1], das 2001 ein Zusammenschluss aus Softwareentwicklern in den USA verfasste, wurde zunehmend Kritik am bisherigen Wasserfallmodell des Projektmanagements laut. Das alte Modell war vor allem durch bürokratische, top-down und unflexible Organisationsstrukturen geprägt, die oft in ausufernden Planungsprozessen und starren Arbeitsabläufen mündeten. Diese sollten nun durch ein neues, agiles Modell ersetzt werden. Die Entwickler und Programmierer forderten in ihrem Manifest mehr Kreativität und Autonomie im Arbeitsprozess sowie eine höhere Effizienz und engere Zusammenarbeit mit dem Kunden und formulierten vier Leitsätze und zwölf Prinzipien, mit denen sie neue Werte in der Softwareentwicklung publik machen wollten. Obwohl das Manifest von Vertretern sehr unterschiedlicher Konzepte und Arbeitsmethoden verfasst wurde und auch keine klar definierte Arbeitsmethode propagiert, eint alle Beteiligten die Kritik am traditionellen Wasserfallmodell, das gerade im Zuge der digitalen Transformation und der damit zusammenhängenden Anforderungen an schnelles und flexibles Arbeiten zunehmend als unpassend und überkommen betrachtet wird. Diese Vorstellungen stießen auf großen Zuspruch in der Softwarebranche, und während das Manifest noch auf sehr abstrakter Ebene eine neue Management- und Arbeitskultur proklamierte, entwickelte sich im Laufe der Jahre eine Vielzahl an Ansätzen, die dessen Prinzipien und Leitsätze in einen konkreten Rahmen übersetzten.

Anwendung und Beispiele

Für die Anwendung agiler Arbeitsmethoden wurden inzwischen zahlreiche Ansätze entwickelt. Hierunter fallen Konzepte wie Scrum, Rapid Prototyping, eXtreme Programming (XP), Crystal, Kanban oder Design Thinking, die alle auf eine ähnliche Struktur abzielen: Organisiert in kurzen Projektzyklen (Sprints) mit kontinuierlichen Feedback-Schleifen sollen Teams zunächst eine Idee erarbeiten und von ihr einen ersten Prototyp erstellen. Dieser wird anschließend mit erstem Nutzerfeedback getestet, evaluiert und anschließend in einem dynamischen, iterativen Arbeitszyklus verbessert und schließlich realisiert. Dabei soll agiles Projektmanagement von selbstorganisierten Teams gesteuert werden, in denen sich die Teammitglieder kontinuierlich über ihren Arbeitsprozess austauschen, ohne bestimmte vorstrukturierte Rollen oder Aufgabenbereiche zu übernehmen. Ziel ist, das Endprodukt (beispielsweise eine Softwareapplikation) gemeinsam in einer flachen Teamstruktur zu entwickeln.

Für die praktische Umsetzung agilen Arbeitens werden im Scrum-Ansatz beispielsweise unterschiedliche Rollen unterschieden: Der Product Owner trägt die Verantwortung für das durch die Arbeit des Development Teams entstehende Produkt, während der Scrum Master das Scrum Team bei der Umsetzung der agilen Methode unterstützt. Um eine enge und agile Kollaboration zwischen den Beteiligten sicherzustellen, kommen regelmäßige Events und spezifische Tools/Artefakte zum Einsatz: Der Sprint definiert eine Arbeitsphase (in der Regel: 4 Wochen). Vor Beginn des Sprints werden die für den Sprint vorgesehenen Aufgaben in einem Sprint Planning festgelegt, abgeschlossen wird der Sprint mit einem Sprint Review, in dem der Arbeitserfolg des Sprints überprüft und reflektiert wird. Die Aufgaben werden über ein Scrum-Board koordiniert. Neben dem Product Backlog, in dem alle für das Endprodukt vorgesehenen Anforderungen aufgelistet sind, werden im Sprint Backlog alle für den jeweiligen Sprint geplanten Aufgaben dokumentiert. Die Mitglieder des Development Teams verteilen die Aufgaben dann eigenständig untereinander, „ziehen“ sich die einzelnen Aufgaben selbstständig aus dem Sprint Backlog und legen diese dann nach Abschluss der Aufgabe als „done“ auf dem Scrum Board ab. Um die tägliche Arbeit zu koordinieren und abzusprechen, trifft sich das Development Team täglich in einem kurzen Daily Scrum. Neben dem Sprint Review findet im Anschluss an einen Sprint zudem eine Sprint Retrospective statt, in der insbesondere die Zusammenarbeit reflektiert und Optimierungsvorschläge erarbeitet werden. Dieses Vorgehen soll einerseits eine selbstorganisierte Arbeitsverteilung durch das Development Team und andererseits eine flexible und transparente Arbeitsweise ermöglichen. [2]

Chancen und Gefahren

Gerade durch die Entwicklungen neuer digitaler Technologien wird es zunehmend notwendig, sich an Unsicherheiten und Veränderungen anpassen und auf diese reagieren zu können. Für viele Unternehmen versprechen agile Arbeitsmethoden daher eine hoffnungsvolle Antwort, um auf eine schnelllebige Umwelt zu reagieren und konkurrenzfähig zu bleiben. Außerdem sind agile Arbeitsmethoden insbesondere attraktiv für Unternehmen, in denen die Endprodukte von Projekten noch nicht vorher- und absehbar sind und eine hohe Kreativität und Flexibilität erfordern. So finden sich nun auch außerhalb der Softwareentwicklung (z. B. Forschung und Entwicklung, Verwaltung etc. [3]) vermehrt Ansätze des agilen Arbeitens. Die Verheißungen agiler Arbeitsorganisation stehen dabei allerdings in einem nicht unproblematischen Spannungsverhältnis zu der in Unternehmen etablierten traditionellen Arbeitsorganisation. So bleibt zunächst unklar, ob und inwiefern sich Hierarchien tatsächlich (besonders in großen Unternehmen) verringern lassen, da diese oftmals mit Traditionen, Routinen und eingelebten Denk- und Handlungsmustern verwoben sind.

Obwohl das agile Arbeiten häufig mit dem Versprechen nach einem größeren Freiraum für kreatives und selbstorganisiertes Arbeiten der Beschäftigten verknüpft ist, werden darin auch verschiedene Gefahren gesehen. So wird darauf hingewiesen, dass agile Arbeitsmethoden zu einer Steigerung des emotionalen Drucks, zu einer weiteren Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben sowie zu einer erhöhten Arbeitsintensität bei den Beschäftigten führen könnten. [4] Neben der Kritik an einer höheren Arbeitsbelastung wird auch die Sorge geäußert, dass die kleinteilige Zerlegung der Arbeitsschritte eine stärkere Kontrolle der Beschäftigten ermöglicht. [5]

Ob agile Arbeitsmethoden von den Akteuren in der Praxis als Chance zum emanzipierten Arbeiten oder als Risiko und Belastung empfunden werden, hängt entscheidend davon ab, ob und inwiefern es gelingt, ein Empowerment in agil arbeitenden Teams tatsächlich zu ermöglichen, sie also als selbstorganisierte und eigenverantwortliche Einheiten zu realisieren.

Agiles Arbeiten am bidt

Das bidt verfolgt als interdisziplinäres Forschungsinstitut einen agilen Ansatz des Forschungsmanagements. In gemeinsamen bidt-weiten Sprint Reviews tauschen sich die internen Projekte und die Konsortialprojekte gemeinsam über ihre Arbeitsfortschritte seit dem letzten Treffen aus und diskutieren Zwischenergebnisse. Auch innerhalb des bidt arbeiten verschiedene Projekte im Alltag mit agilen Arbeitsmethoden, wie z. B. Scrum. Um das agile Profil des bidt weiter zu schärfen, erarbeitet die bidt-interne Arbeitsgruppe „agiles Forschen“ ein gemeinsames Selbstverständnis und reflektiert, welche Spezifika im Hinblick auf eine agile Arbeitsorganisation im Kontext von Wissenschaft und Forschung berücksichtigt werden müssen, um die Potenziale, aber auch mögliche Schwierigkeiten für einen praktischen Ansatz agilen Forschens auszumachen und abzuschätzen.

Das bidt-interne Projekt „Ethik in der agilen Softwareentwicklung“ befasst sich mit den ethischen Aspekten der Entwicklung von Software und hat zum Ziel, eine normativ wünschenswerte Ausgestaltung von Softwaresystemen zu ermöglichen. Agile Methoden wie Design Thinking und Scrum werden um ein ethisches Deliberationsschema erweitert. SoftwareentwicklerInnen und EntscheidungsträgerInnen erhalten so Unterstützung dabei, ethische Kernfragen zu lokalisieren, zu evaluieren und in technische Anforderungen zu übersetzen.

Weiterführende Links und Literatur​​​​

Praxisorientierte Einführungen in agile Arbeitsmethoden:

Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit agilen Arbeitsmethoden:

  • Fujimoto, T. (1998). The Toyota System in the 1950s. In: Social Science Japan 12, S. 13–15.
  • Boes, A.; Kämpf, T. (2019). Wie nachhaltig sind agile Arbeitsformen? In: Badura, B. et al. (Hg.): Fehlzeiten-Report 2019. Wiesbaden: Springer, S. 193–204.
  • Boes, A.; Kämpf, T.; Langes, B. Lühr, T. (2018). »Lean« und »agil« im Büro. Neue Organisationskonzepte in der digitalen Transformation und ihre Folgen für die Angestellten. Bielefeld: Transcript.
  • Hodgson D.; Briand, L. (2013). Controlling the uncontrollable: ‘Agile’ teams and illusions of autonomy in creative work. In: Work, Employment and Society 27(2), S. 308–325.
  • Moore, P. (2018). Tracking affective labour for agility in the quantified workplace. In: Body & Society, 24(3), S. 39–67.
  • Pfeiffer, S.; Ritter, T.; Sauer, S. (2015). Belastungsmanagement mit agilen Methoden? Eine arbeitssoziologische Perspektive. In: ver.di – Bereich Innovation und Gute Arbeit (Hg.): Gute Arbeit und Digitalisierung. Prozessanalysen und Gestaltungsperspektiven für eine humane digitale Arbeitswelt. Berlin, S. 80-89.
  • Porschen-Hueck, S.; Jungtäubl, M.; Weihrich, M. (Hg.) (2020). Agilität? Herausforderungen neuer Konzepte der Selbstorganisation. Augsburg: Hampp.
  • Wenten, K.-A. (2019). Controlling labor in makeathons. On the recuperation of emancipation in industrial labour processes. In: Meyer, U; Seibt, D; Schaupp, S. (Hg.): Digitalization in industries. Between domination and emancipation. London: Palgrave MacMillan, S. 153–177.

Quellen

[1] Beck, K.; Beedle, M.; van Bennekum, A. et al. (2001). Manifesto for agile software development.

[2] Schwaber, K.; Sutherland (2017). Der Scrum Guide. Der gültige Leitfaden für Scrum: Die Spielregeln.

[3] Boes, A.; Kämpf, T.; Langes, B. Lühr, T. (2018). »Lean« und »agil« im Büro. Neue Organisationskonzepte in der digitalen Transformation und ihre Folgen für die Angestellten. Bielefeld: Transcript.

[4] Pfeiffer, S.; Ritter, T.; Sauer, S. (2015). Belastungsmanagement mit agilen Methoden? Eine arbeitssoziologische Perspektive. In: ver.di – Bereich Innovation und Gute Arbeit (Hg.): Gute Arbeit und Digitalisierung. Prozessanalysen und Gestaltungsperspektiven für eine humane digitale Arbeitswelt. Berlin, S. 80–89.

[5] Wenten, K.-A. (2019). Controlling labor in makeathons. On the recuperation of emancipation in industrial labour processes. In: Meyer, U; Seibt, D; Schaupp, S. (Hg.): Digitalization in industries. Between domination and emancipation. London: Palgrave MacMillan, S. 153–177.