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Erforschen, wie Digitalisierung den öffentlichen Diskurs verändert

Seit Februar 2020 Mitglied im bidt-Direktorium: Prof. Hannah Schmid-Petri, Inhaberin des Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau.

Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit Wissenschaftskommunikation und politischer Kommunikation. Was halten Sie in diesem Bereich für die größten Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung?

Für den öffentlichen Diskurs ist eine der größten Herausforderungen, dass es nun viele verschiedene Akteure gibt, die an öffentlichen Debatten teilnehmen (können), und die traditionellen Massenmedien ihre Monopolstellung hinsichtlich der Aufbereitung und Bereitstellung von Information verloren haben.

Das gilt auch für Hochschulen und wissenschaftliche Institute, da sich in den digitalen Medien jeder Experte oder Expertin nennen und potenziell eine große Öffentlichkeit erreichen kann.

Dadurch werden die Inhalte im öffentlichen Diskurs heterogener und aufgrund der Menge an verfügbaren Informationen und algorithmisch kuratierter Informationsumgebungen die Nutzung potenziell individueller. Diese Entwicklung hat große Vorteile, etwa weil öffentliche Debatten egalitärer werden, aber sie birgt auch Risiken. Dazu kommt, dass wir alle einen Weg finden müssen, mit dieser Informationsflut umzugehen und vor allem auch die Relevanz und Qualität der verfügbaren Information zu beurteilen.

Die Onlinemedien sind für Skeptiker und andere politische Außenseiter-Akteure eine Spielwiese.

Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri Zum Profil

Welche Risiken meinen Sie?

Zum Teil kommen nun Akteure über digitale Medien zu Wort, die sonst nur wenig Möglichkeiten hätten, ein breiteres Publikum zu erreichen. Ich beschäftige mich in meiner Forschung zum Beispiel mit der Kommunikation über den Klimawandel. Die Onlinemedien sind für Skeptiker und andere politische Außenseiter-Akteure eine Spielwiese, in der sie sich ungehindert austoben und vernetzen können, auch international. Diese Möglichkeiten gab es früher nicht.

Damit ist das Risiko verbunden, dass sie Aufmerksamkeit für ihre Positionen und Ziele generieren. Aus Sicht der Forschung, aber natürlich auch für die Gesellschaft ist es sehr spannend und auch relevant, nachzuvollziehen, welche Gruppen unter welchen Umständen an Einfluss gewinnen und sich letztendlich in der Debatte durchsetzen. Aber das gilt natürlich auch für die „Guten“. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat zum Beispiel sehr von Social Media profitiert.

Viele Daten, die bei der Nutzung digitaler Medien entstehen, sind für die Forschung nicht zugänglich.

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Ein Kennzeichen der Digitalisierung ist die Schnelligkeit, mit der sie voranschreitet. Was bedeutet das für die Forschung?

Für die Forschung eröffnen die digitalen Medien zunächst einmal vielfältige neue Möglichkeiten, zu untersuchen, was vorher nur schwierig zu beobachten war – etwa das Gespräch am Stammtisch. Diese Form des Austauschs ist nun online leichter zugänglich. Das ist für die Forschung von Vorteil, wenn es natürlich auch die Herausforderung birgt, Wege zu finden, mit sehr großen Datenmengen, wie sie online produziert werden, umzugehen – neben all den rechtlichen und ethischen Aspekten, die dabei berücksichtigt werden müssen.

Darüber hinaus sind viele Daten für die Forschung aber auch nicht zugänglich, da sie den Plattformen gehören und diese nicht immer ein Interesse daran haben, ihre Daten für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen.

Haben Sie sich für Ihre Mitwirkung am bidt etwas vorgenommen?

Ich glaube, dass ich die bestehende Expertise im Direktorium sehr gut ergänzen kann durch meine kommunikationswissenschaftliche Perspektive darauf, wie Digitalisierung den öffentlichen Diskurs verändert. Da gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte zu den Forschungsthemen anderer Direktoriumsmitglieder, etwa zu Professor Hess, der die Veränderungen der Medienwirtschaft untersucht. Es gibt auch schon mehrere Ideen für spannende Querschnittsprojekte.